Tolle Typen, große Vereine und jede Menge Derbys – kein Zweifel: Die Samstag startende Regionalliga Nordost ist die wahrscheinlich beste vierte Liga aller Zeiten!
In der guten alten Zeit, als Jürgen Klopp noch Mainz trainierte, Alemannia Aachen noch Stammgast in der zweiten Liga war und die Zusammenfassungen der Zweitliga-Partien jedes Wochenende auf DSF übertragen wurden, konnte man die Uhr danach stellen: Ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Saison, war immer von der „besten 2. Liga aller Zeiten“ die Rede. Nun sind solche Superlative bei einem auf Werbeeinnahmen angewiesenen Privatsender nichts Ungewöhnliches. Die Penetranz, mit der diese Aussage alljährlich wiederholt wird, war jedoch nicht nur nervig, sondern in einer Spielzeit in der Sandhausen mal wieder Zehnter geworden ist und der 1. FC Köln den direkten Wiederaufstieg geschafft hat, schlichtweg unangebracht bis falsch.
Bei der am Samstag startenden Regionalliga Nordost-Saison ist die Situation eine andere. Falls ein Fernsehsender oder eine Radiostation die Spielzeit 2020/21 mit Superlativen bewerben wollen würde, wäre es wohl legitim, von der besten vierten Liga aller Zeiten zu sprechen. Selten war ein Teilnehmerfeld in einer deutschen Amateurliga so traditionsreich, so offen, so bunt. Hier kommen sieben Gründe, warum die kommende Saison eine ganz besondere wird:
Eine Bundesliga, die vor allem an der Spitze mal wieder soviel Überraschungspotenzial versprüht hat, wie Butler James, der in Dinner for one auch beim x‑ten Mal wieder über den Tiger stolpert? Garniert mit einer topfschlagenden Relegation, die durch die Auswärtstorregel entschieden wurde? Ausgeklügeltes Rasen-Schach in der Champions League, bei der mehrere neureiche Klubs total überraschend ins Halbfinale einziehen? Fußballerisch waren die Spiele mitunter ja noch ganz nett anzusehen. Doch echte Emotionen? Herzklopfen? Vor dem Fernseher? Fehlanzeige.
Die neue Regionalliga-Nordost-Spielzeit hat dagegen das Potenzial trotz Corona-Abstandsregeln wieder Fußball zum Anfassen zu bieten. Fußball im Stadion, bei dem man den Rasen und den Schweiß der Spieler quasi riecht. Ballstafetten, die nach drei Pässen schon enden. Annahmen, die zu weit wegspringen. Das perfekte Spiel oder die durchdachteste Taktik sollte hierbei niemand erwarten. Die Möglichkeit, endlich wieder Fußball im Stadion sehen zu können, sollte dennoch jedem Fußballfan ein Grinsen ins Gesicht zaubern.
Immerhin sind, während in der Bundesliga immer noch um die Teilzulassung von Zuschauern gerungen wird, in der Regionalliga endlich wieder Besucher erlaubt. Ja, auch in der Regionalliga Nordost wird in den meisten Stadien der Auswärtsblock verwaist bleiben. Ja, die meisten Ultra-Gruppierungen haben sich wie die Horda Azzuro von Carl Zeiss Jena klar für das „Alle oder keiner“-Prinzip ausgesprochen und werden den Spielen (vorerst) fernbleiben. Und dennoch, bei vielen Spielen werden die zugelassenen 1000 – 1500 Schaulustige nach monatelanger Abstinenz ganz sicher kommen. In einigen Wochen vielleicht sogar noch mehr. Sofern es die pandemische Lage zulässt. Schließlich ist die Lust auf Fußball im Stadion so hoch wie selten zuvor.
Dann kann man sich nicht nur endlich wieder mit Freunden im Stadion treffen, sondern auch anfeuern, Bier trinken, Bratwurst essen oder über die Neuverpflichtungen fachsimpeln. Endlich wieder den Frust über eine fragwürdige Schiri-Entscheidung verbalisieren oder dem Flügelspieler Verbesserungsvorschläge für seine Laufwege mitteilen. Und das Beste dabei? Wahrscheinlich bekommen es die Adressaten sogar mit.