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Seite 2: „Es gab Spieler, die ihr Leben lang barfuß herumgelaufen sind“

Wie kamen Sie an die Sach­spenden?
Die wurden eine Woche nach unserer Ankunft von einem Mit­ar­beiter der Deut­schen Bot­schaft mit einem Pick Up gelie­fert. Wir haben die Sachen erst in unserem kleinen Apart­ment gebun­kert. Das war 45 Minuten von dem Wai­sen­haus und dem Fuß­ball­platz ent­fernt. Dort gab es noch einen freien Raum, in dem wir später eine Art Sport­heim ein­ge­richtet und das gesamte Equip­ment gela­gert haben. Wir sind jeden Tag mit dem Motorrad durch den afri­ka­ni­schen Busch gefahren, mit einer vollen Kiste hinten drauf, um die Sachen dorthin zu bringen. Dann haben wir das Eröff­nungs­spiel unserer Liga ter­mi­niert.

Gab es eine Zere­monie?
Natür­lich. Wir haben mit dem Komitee Briefe geschrieben und ein paar Jungs als Lauf­bote in die Dörfer geschickt. So haben wir die Chiefs zu dem Eröff­nungs­spiel ein­ge­laden. Alle sind gekommen und haben eine Cola und ein Bier bekommen. Dann haben wir den Spie­lern die Tri­kots, Hosen, Stutzen und Schuhe über­geben und sie gebeten, sie nach dem Spiel zurück­zu­bringen. Wir hatten nicht aus­rei­chend Spenden, um jeden ein­zelnen der 170 Spieler aus­zu­statten.

Wie waren die Reak­tionen der Spieler?
Krass. Nor­ma­ler­weise spielen sie in T‑Shirts, die sie bei der Arbeit und zum Schlafen tragen. Es gab Spieler, die ihr Leben lang barfuß her­um­ge­laufen sind und zum ersten Mal über­haupt Schuhe in der Hand hielten. Sie hatten einen Ball, bestehend aus unge­fähr 50 geknüllten Plas­tik­tüten, die sie mit einer Angel­schnur zusam­men­ge­schnürt haben. Und jetzt haben sie plötz­lich die nagel­neuen Tri­kots, Schuhe und einen Leder­ball bekommen. Wir wurden wie Außer­ir­di­sche ange­schaut. Für die Leute war es ein­fach sur­real, dass hier zwei Deut­sche eine Fuß­ball­liga gründen.

Wie viele Zuschauer waren bei dem Spiel da?
Anfangs 40 oder 50. Es wussten nicht viele von dem Spiel, da es kein Medium gibt, um es anzu­kün­digen. Aber es hat sich her­um­ge­spro­chen, dass auf dem Bolz­platz irgendwas statt­findet. Und die Tril­ler­pfeife des Schieds­rich­ters ist durch die Dörfer geschallt. Am Ende standen 500 bis 600 Leute um das Feld herum. Und wir hatten sogar einen Kom­men­tator. Er hat das Spiel von sich aus in der ein­hei­mi­schen Sprache mit einem Affen­zahn kom­men­tiert. Tage später haben wir ihm ein Mega­phon besorgt, ab dem 3. Spieltag hat er offi­ziell alle Liga­spiele begleitet. Er ist quasi der Marcel Reif der Mis­anjo League. Nur, dass er besser kom­men­tiert hat. (Lacht.)

Wie ging es weiter mit der Liga?
Jedes Team hat dann den Spiel­plan bekommen und wusste, wann es an der Reihe war. Jeder spielt zweimal gegen jeden, es gibt Hin- und Rück­runde wie in Deutsch­land. Alle Teams waren immer pünkt­lich. Teil­weise sind die Mann­schaften zwei­ein­halb Stunden zu dem Bolz­platz zu Fuß gegangen.

Gibt es einen Trai­nings­be­trieb?
Ja. Wir haben wäh­rend unseres Auf­ent­halts die Ein­heiten geleitet. Mitt­ler­weile sind die Mit­glieder des Komi­tees gleich­zeitig auch Trainer. Wir haben für jedes Team ein Geschenk­paket geschnürt – mit einem Trikot oder einer Hose für jeden Spieler, das er im Trai­ning anziehen kann. Jedes Team hat zwei Bälle von uns bekommen, Leib­chen und Hüt­chen kriegen die Mann­schaften von einem Mann, der gewis­ser­maßen Kam­mer­wächter in dem Locker Room im Wai­sen­haus ist.

Wel­chen Stel­len­wert hat die Liga für die Bevöl­ke­rung?
Wenn du ein biss­chen mehr Kohle hast und dein Haus nicht aus Lehm, son­dern aus Steinen baust, genießt du Ansehen. Und inzwi­schen ist es auch ein Sta­tus­symbol, in unserer Liga zu spielen. Ein kleiner Junge sagte mal zu uns: Wenn er groß ist, wolle er in der Mis­anjo League spielen. Das war richtig süß. Alle Spieler iden­ti­fi­zieren sich mit der Liga und sind mitt­ler­weile Vor­bilder für die Jugend geworden. Die Leute haben mas­sive Pro­bleme mit Drogen und vor allem mit Alkohol. Auch mit Lan­ge­weile, weil sehr viele arbeitslos sind. Aber mit dieser Liga haben wir etwas Wun­der­bares erreicht.

Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus?
Wir haben bei den Spielen viele Talente gesehen. Ruben meinte sogar, dass einige von ihnen in Deutsch­land in der 3. Liga spielen könnten. Des­wegen haben wir uns über­legt, ein paar Spieler zu scouten. Es hatte sich über die Dörfer längst her­um­ge­spro­chen, was dort im Busch pas­siert. Des­wegen hat uns im Super­markt ein Ver­ant­wort­li­cher der Mulanje-Dis­trict-League, der untersten Pro­fi­liga, ange­spro­chen. Er hatte sich wohl erhofft, dass wir ihn mit unseren Spon­soren unter­stützen. Wir haben aber als Bedin­gung gestellt, ein eigenes Team stellen zu dürfen. Dieses gibt es mitt­ler­weile neben der Mis­anjo-League.

Was haben Sie außerdem vor?
Es wird einen Doku­men­tar­film geben. Dar­über wollen wir wei­tere Spon­soren und Men­schen finden, die das Pro­jekt dau­er­haft unter­stützen. So soll die Liga pro­fes­sio­neller werden. Wir könnten den Platz begra­digen, anstän­dige Tore auf­stellen und rich­tige Linien ziehen. Und wenn wir weiter spinnen – und das ist gar nicht so unrea­lis­tisch, weil das ganze Jahr schon so ver­rückt war – kann ich mir vor­stellen, dass unser Team richtig hoch­klassig spielt. Ich glaube, da kommt noch ganz viel auf uns zu. Außerdem möchten wir Kin­der­mann­schaften gründen und auch die Mäd­chen aus den Dör­fern in die Ver­eine inte­grieren.

Fliegen Sie nochmal nach Malawi?
Ja. Aber es ist ein Selbst­läufer inzwi­schen. Die erste Saison ging Mitte November zu Ende, der erste Meister ist der FC Mis­anjo. Sie bekommen von uns einen eigenen Tri­kotsatz im Arsenal-Design, das war ihr expli­ziter Wunsch. Die zweite Saison ist Anfang März los­ge­gangen, weil die Regen­zeit jetzt vorbei ist.