Der Deutsche Paul Rütschi hat eine Fußballliga in Malawi gegründet. Wie kam es dazu? Und was hat Matthias Opdenhövel damit zu tun?
Wie kamen Sie an die Sachspenden?
Die wurden eine Woche nach unserer Ankunft von einem Mitarbeiter der Deutschen Botschaft mit einem Pick Up geliefert. Wir haben die Sachen erst in unserem kleinen Apartment gebunkert. Das war 45 Minuten von dem Waisenhaus und dem Fußballplatz entfernt. Dort gab es noch einen freien Raum, in dem wir später eine Art Sportheim eingerichtet und das gesamte Equipment gelagert haben. Wir sind jeden Tag mit dem Motorrad durch den afrikanischen Busch gefahren, mit einer vollen Kiste hinten drauf, um die Sachen dorthin zu bringen. Dann haben wir das Eröffnungsspiel unserer Liga terminiert.
Gab es eine Zeremonie?
Natürlich. Wir haben mit dem Komitee Briefe geschrieben und ein paar Jungs als Laufbote in die Dörfer geschickt. So haben wir die Chiefs zu dem Eröffnungsspiel eingeladen. Alle sind gekommen und haben eine Cola und ein Bier bekommen. Dann haben wir den Spielern die Trikots, Hosen, Stutzen und Schuhe übergeben und sie gebeten, sie nach dem Spiel zurückzubringen. Wir hatten nicht ausreichend Spenden, um jeden einzelnen der 170 Spieler auszustatten.
Wie waren die Reaktionen der Spieler?
Krass. Normalerweise spielen sie in T‑Shirts, die sie bei der Arbeit und zum Schlafen tragen. Es gab Spieler, die ihr Leben lang barfuß herumgelaufen sind und zum ersten Mal überhaupt Schuhe in der Hand hielten. Sie hatten einen Ball, bestehend aus ungefähr 50 geknüllten Plastiktüten, die sie mit einer Angelschnur zusammengeschnürt haben. Und jetzt haben sie plötzlich die nagelneuen Trikots, Schuhe und einen Lederball bekommen. Wir wurden wie Außerirdische angeschaut. Für die Leute war es einfach surreal, dass hier zwei Deutsche eine Fußballliga gründen.
Wie viele Zuschauer waren bei dem Spiel da?
Anfangs 40 oder 50. Es wussten nicht viele von dem Spiel, da es kein Medium gibt, um es anzukündigen. Aber es hat sich herumgesprochen, dass auf dem Bolzplatz irgendwas stattfindet. Und die Trillerpfeife des Schiedsrichters ist durch die Dörfer geschallt. Am Ende standen 500 bis 600 Leute um das Feld herum. Und wir hatten sogar einen Kommentator. Er hat das Spiel von sich aus in der einheimischen Sprache mit einem Affenzahn kommentiert. Tage später haben wir ihm ein Megaphon besorgt, ab dem 3. Spieltag hat er offiziell alle Ligaspiele begleitet. Er ist quasi der Marcel Reif der Misanjo League. Nur, dass er besser kommentiert hat. (Lacht.)
Wie ging es weiter mit der Liga?
Jedes Team hat dann den Spielplan bekommen und wusste, wann es an der Reihe war. Jeder spielt zweimal gegen jeden, es gibt Hin- und Rückrunde wie in Deutschland. Alle Teams waren immer pünktlich. Teilweise sind die Mannschaften zweieinhalb Stunden zu dem Bolzplatz zu Fuß gegangen.
Gibt es einen Trainingsbetrieb?
Ja. Wir haben während unseres Aufenthalts die Einheiten geleitet. Mittlerweile sind die Mitglieder des Komitees gleichzeitig auch Trainer. Wir haben für jedes Team ein Geschenkpaket geschnürt – mit einem Trikot oder einer Hose für jeden Spieler, das er im Training anziehen kann. Jedes Team hat zwei Bälle von uns bekommen, Leibchen und Hütchen kriegen die Mannschaften von einem Mann, der gewissermaßen Kammerwächter in dem Locker Room im Waisenhaus ist.
Welchen Stellenwert hat die Liga für die Bevölkerung?
Wenn du ein bisschen mehr Kohle hast und dein Haus nicht aus Lehm, sondern aus Steinen baust, genießt du Ansehen. Und inzwischen ist es auch ein Statussymbol, in unserer Liga zu spielen. Ein kleiner Junge sagte mal zu uns: Wenn er groß ist, wolle er in der Misanjo League spielen. Das war richtig süß. Alle Spieler identifizieren sich mit der Liga und sind mittlerweile Vorbilder für die Jugend geworden. Die Leute haben massive Probleme mit Drogen und vor allem mit Alkohol. Auch mit Langeweile, weil sehr viele arbeitslos sind. Aber mit dieser Liga haben wir etwas Wunderbares erreicht.
Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus?
Wir haben bei den Spielen viele Talente gesehen. Ruben meinte sogar, dass einige von ihnen in Deutschland in der 3. Liga spielen könnten. Deswegen haben wir uns überlegt, ein paar Spieler zu scouten. Es hatte sich über die Dörfer längst herumgesprochen, was dort im Busch passiert. Deswegen hat uns im Supermarkt ein Verantwortlicher der Mulanje-District-League, der untersten Profiliga, angesprochen. Er hatte sich wohl erhofft, dass wir ihn mit unseren Sponsoren unterstützen. Wir haben aber als Bedingung gestellt, ein eigenes Team stellen zu dürfen. Dieses gibt es mittlerweile neben der Misanjo-League.
Was haben Sie außerdem vor?
Es wird einen Dokumentarfilm geben. Darüber wollen wir weitere Sponsoren und Menschen finden, die das Projekt dauerhaft unterstützen. So soll die Liga professioneller werden. Wir könnten den Platz begradigen, anständige Tore aufstellen und richtige Linien ziehen. Und wenn wir weiter spinnen – und das ist gar nicht so unrealistisch, weil das ganze Jahr schon so verrückt war – kann ich mir vorstellen, dass unser Team richtig hochklassig spielt. Ich glaube, da kommt noch ganz viel auf uns zu. Außerdem möchten wir Kindermannschaften gründen und auch die Mädchen aus den Dörfern in die Vereine integrieren.
Fliegen Sie nochmal nach Malawi?
Ja. Aber es ist ein Selbstläufer inzwischen. Die erste Saison ging Mitte November zu Ende, der erste Meister ist der FC Misanjo. Sie bekommen von uns einen eigenen Trikotsatz im Arsenal-Design, das war ihr expliziter Wunsch. Die zweite Saison ist Anfang März losgegangen, weil die Regenzeit jetzt vorbei ist.