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Seite 2: "Juri zertrat mir im Training das Kreuzband!"

Den­noch: Der Erfolg gab den Methoden von Rein­ders schließ­lich recht. Zur Win­ter­pause führte Hansa Ros­tock, in der DDR als​„Fahr­stuhl­mann­schaft“ gebrand­markt, sen­sa­tio­nell die Tabelle in der DDR-Ober­­liga an.
Axel Schulz: Nur schade, dass ich zur Win­ter­pause bereits nicht mehr mit­ma­chen konnte…

Warum?
Axel Schulz: Weil mir Juri im Trai­ning das Kreuz­band zer­treten hatte! (Lacht.)

Sie lachen?
Juri Schlünz: Kurz zuvor hatte Axel eine Inva­li­den­ver­si­che­rung abge­schlossen, also wollte ich ihn recht­zeitig vor dem Kar­rie­re­ende absi­chern (beide lachen). Kleiner Scherz. Eine unglück­liche Grät­sche, das pas­siert schon mal.

Dieser Wessi war einer von uns!“

Juri Schlünz über Uwe Reinders

Sie, Juri Schlünz, sollen ja eh ein rich­tiger Heiß­sporn gewesen sein. Ihr dama­liger Kol­lege Henri Fuchs ver­riet uns, dass Sie vor den Spielen gerne mit gefletschten Zähnen an die Kabinen des Geg­ners häm­merten und brüllten:​„Kommt jetzt raus, ihr Feig­linge!“ Das kann man sich heute gar nicht vor­stellen.
Juri Schlünz: Das war Uwes größte Waffe: Er hat uns mit seiner Lei­den­schaft und seinem Enthu­si­asmus ange­steckt. Früher hätten wir bei­spiels­weise eigent­lich nie gegen Carl Zeiss Jena antreten müssen, die Punkte hätten wir ihnen auch per Post zuschi­cken können. Perry Bräu­tigam, ein ehe­ma­liger Jenenser, sagte mir Jahre später: Euch brauchte man in den ersten Minuten nur ein paar Mal tüchtig auf die Stö­cker treten, dann war das Spiel schon gewonnen.“

Und das änderte sich unter Rein­ders?
Juri Schlünz: Auf jeden Fall. Ihm war es völlig egal, ob der Gegner nun Dynamo Dresden, BFC Dynamo oder Carl Zeiss Jena hieß. Er wollte ein­fach jedes Spiel gewinnen.

Wie moti­vierte er Sie in der Kabine vor den Spielen?
Axel Schulz: Auf ganz unter­schied­liche Weise. Mal malte er uns das Hor­ror­sze­nario an die Wand und erin­nerte an die Exis­tenz­angst, die dieser letzten DDR-Ober­­li­­ga­­saison anhaf­tete. Ein anderes Mal fal­tete er scheinbar grundlos einen Spieler zusammen. Uwe Rein­ders sorgte dafür, dass immer alle unter Span­nung standen und nie­mand sich zufrieden zurück­lehnte. Ein Bei­spiel: Einmal aß einer von uns einen Tag vor dem Spiel auf dem Flug­hafen ein Eis. Uwe Rein­ders machte ihn des­wegen zur Minna. Wenn er ihn beim Rau­chen erwischt hätte, wäre wohl nichts pas­siert.
Juri Schlünz
: Häufig erzählte er uns auch Dinge, die er in seinem Alltag als west­deut­scher Neu­ling in der DDR erlebt hatte. Im Neu­bau­ge­biet Ros­tocks gab es damals nur eine große Tank­stelle, davor staute sich natür­lich immer eine lange Schlange. Ein Mer­ce­des­fahrer ver­suchte sich aller­dings vor­zu­drän­geln. Uwe erzählte uns, wie er dem dreisten Kerl gedroht hatte: Wenn du den Zapf­hahn berühst, dann haue ich dir den Arm ab!“ Das fanden wir natür­lich groß­artig. Dieser Wessi war einer von uns!
Axel Schulz
: In dieser Saison passte ein­fach alles und wir erlebten eine uner­wartet erfolg­reiche Saison. Der fri­sche Wind, der mit Uwe Rein­ders kam, beflü­gelte alle. Ich kann mich an ein Spiel gegen Vor­wärts Frank­furt erin­nern, als mir mein Gegen­spieler mitten im Spiel sagte: Mann, habt ihr das gut in Ros­tock! Bei uns läuft alles im alten Trott.“

Paul, unser Strand hat noch nie ein Pferd gesehen!“

Juri Schlünz zu US-Mitspieler Paul Cali­guri und seinen Reit-Plänen am Ostseestrand

Hansa Ros­tock hatte in diesem Jahr sogar einen rich­tigen Para­dies­vogel in den eigenen Reihen: Paul Cali­guri, der erste US-Ame­ri­­kaner im DDR-Fuß­­ball!
Axel Schulz: Für ihn war natür­lich vieles neu und unge­wohnt. Juri hat sich um ihn geküm­mert, das hat ihm das Ein­leben erleich­tert.
Juri Schlünz
: Nach den ersten Wochen im Hotel, zog Paul in eine Neu­bau­woh­nung in den fünften Stock. Ich wohnte im Nach­bar­haus. Ich zeigte ihm die Stadt und sorgte dafür, dass er sich schnell ein­ge­wöhnte.

Gab es keine Dif­fe­renzen zwi­schen dem US-Boy und dem alt­ge­dienten DDR-Sportler?
Juri Schlünz: Eigent­lich nicht. Bis auf eine Aus­nahme: Ich zeigte ihm den Ost­see­strand in War­ne­münde und er war sicht­lich begeis­tert. Mit seinem lus­tigen Akzent sagte er: Won­derful! Das ist per­fect zum Reiten! Juri, wo bekomme ich hier ein Pferd?“ Er wollte tat­säch­lich einen Gaul, um mit seiner Frau an der Ostsee ent­lang zu reiten. Ich war völlig von den Socken und ant­wor­tete: Paul, unser Strand hat noch nie ein Pferd gesehen!“

Mit Cali­giuri in der Stamm­for­ma­tion wurden Sie am Ende dieser letzten DDR-Saison Meister und Pokal­sieger. Wann war Ihnen klar, dass sie die Meis­ter­schaft gewinnen würden?
Juri Schlünz:
Eigent­lich erst, als wir vier Spiel­tage vor Sai­son­ende mit 3:1 gegen Dynamo Dresden gewannen und dadurch auch rech­ne­risch vor­zeitig Meister waren. Natür­lich hatten wir auch schon vorher mal einen Gedanken an die Meis­ter­schaft ver­schwendet, wir führten schließ­lich fast die gesamte Saison über die Tabelle an. Aber über allem stand der Einzug in den bezahlten Fuß­ball.