Elf kränkelnde Kölner gehen baden, Sankt-Pauli-Fans feiern ihre Absteiger und Torwart entlässt seinen Trainer. Vor Bremen gegen Heidenheim: zehn Geschichten von der Relegation.
„Übung macht den Meister“, heißt es in Pädagogen-Kreisen gern. Klaus Schlappner kann das nicht bestätigen. Jedenfalls nicht, wenn es um die Relegation für die Bundesliga geht. Drei Mal hintereinander musste der Trainer in der ungeliebten Zusatzrunde antreten: 1988 mit dem SV Darmstadt 98, 1989 und 1990 mit dem 1. FC Saarbrücken. Geklappt hat es in allen drei Spielen nicht. Schlappner wurde deshalb später von einem Fernsehmoderator als „Fußball-Sisyphos“ bezeichnet. Diesen Vergleich ließ der Trainer jedoch nicht gelten und konterte gegenüber der „SZ“: „1988 mit Darmstadt, 1989 und 1900 mit Saarbrücken die Relegation erreicht – das war mit diesen Mannschaften schon sensationell.“
10.000 St.Pauli-Fans feierten 1991 im Gelsenkirchener Parkstadion eine Riesenparty. Eigentlich nicht weiter erwähnenswert, wäre ihr Verein nicht kurz vorher in der Relegation sensationell gescheitert. Erstligist St.Pauli und die Stuttgarter Kickers hatten sich in Hin- und Rückspiel je 1:1 getrennt. Im Entscheidungsspiel auf Schalke sollte der Favorit aus Hamburg nun endlich den Klassenerhalt eintüten, verlor aber überraschend 1:3. Für die St.Pauli-Spieler der Super-GAU. Sie lagen sich nach Abpfiff in den Armen und heulten um die Wette. Als ein Reporter Keeper Volker Ippig um ein Interview bat, antwortete dieser schluchzend: „Jetzt nicht – ich kann einfach nicht.“ Dirk Zander gab weinend zu Protokoll: „Das ist mein traurigster Tag.“ Als die Spieler mit schlechtem Gewissen vor den Fanblock zogen, trauten sie ihren Augen und Ohren nicht. Die 10.000 mitgereisten Fans, die im Spiel noch ihren Unmut geäußert hatten, jubelten den Kickern zu und schmetterten: „Nur ein Jahr zweite Liga, ein Jahr, ein Jahr.“
Eigentlich war vor dem Relegations-Rückspiel zwischen dem FC Augsburg und dem 1. FC Nürnberg 2010 alles klar. Der damals 19-jährige Ilkay Gündogan könne nach einer Knöchelverletzung aus dem Hinspiel definitiv nicht spielen, hieß es in den Medien. Doch die Aufstellung von Club-Trainer Dieter Hecking sagte etwas anderes: Gündgan spielte. Und wie! Noch völlig überrascht von der Wunderheilung des jungen Deutsch-Türken, öffneten ihm die Augsburger in der 32. Minute Tür und Tor. Gündogan ließ sich die Chance nicht nehmen, startete mit dem Ball von der Mittellinie und verwandelte zum vorentscheidenden 1:0. Nach dem Spiel wurde klar, dass er nur wegen einer schmerzstillen Spritze hatte auflaufen können. Gündogans Kommentar: „Für solche Momente spielt man doch Fußball.“
Gerade hatte Borussia Mönchengladbach im Relegations-Rückspiel in Bochum durch ein 1:1 die sensationelle Rettung geschafft, da skandierte der Gästeblock: „Wir wollen die Haare sehen!“ Der für ein Fußballstadion recht gewöhnungsbedürftige Appell galt an diesem 25. Mai 2011 Innenverteidiger Dante. Dieser hatte im Winter für den damals noch sehr unrealistischen Fall des Klassenerhaltes versprochen, sich seine Afro-Locken abzurasieren. In der Kabine des Bochumer Ruhrstadions löste der Brasilianer sein Versprechen ein. Als die Borussen schon mit Bierflaschen in der Hand mit der Kurve feierten, verteilte der glatzköpfige Dante unter dem Gejohle der Anhänger die Reste seiner Mähne. Der neue Haarschnitt gefiel nicht nur den Fans. „Er sieht jetzt hübscher aus“, urteilte der sonst um Sachlichkeit bemühte Lucien Favre.
Noch frisch in Erinnerung: Die Geschehnisse rund um die Relegationsspiele 2012 zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC. Im festen Glauben, Schiedsrichter Wolfgang Stark hätte abgepfiffen, stürmten zahlreiche Fortuna-Fans aufs Feld. Beim Stand von 2:2 musste die Partie minutenlang unterbrochen werden. Am Ende feierte Fortuna Düsseldorf zwar den Aufstieg, die Partie sorgte aber noch tagelang für Gesprächsstoff. Hertha legte Protest ein, Trainer Otto Rehhagel erklärte vor dem DFB-Gericht: „Ich hatte so halb Angst. Ich weiß ja, was alles passieren kann. Ich saß 1943 im Keller, als die Amerikaner uns bombardierten.“ Die Öffentlichkeit sprach von „Skandal“ und „Schande“, Moderator Johannes B. Kerner zündete in einer Talk-Sendung eine Puppe an, um die Gefährlichkeit von Pyro zu demonstrieren. Am Ende half das alles nichts. Fortuna Düsseldorf stieg auf und Sascha Rösler kommentierte im Rückblick lapidar: „Die ganze Aufregung war übertrieben.“