Elf kränkelnde Kölner gehen baden, Sankt-Pauli-Fans feiern ihre Absteiger und Torwart entlässt seinen Trainer. Vor Bremen gegen Heidenheim: zehn Geschichten von der Relegation.
Bis drei Spieltage vor dem Ende der Saison 1981/82 hatte Kickers Offenbach den Aufstieg so gut wie sicher. Doch dann zog Hertha BSC Berlin im letzten Moment vorbei – die Kickers mussten den Umweg über die Relegation antreten. Endgültig genug hatte daraufhin Torwart Wilfried Kohls und kündigte vor den entscheidenden Spielen gegen Bayer Leverkusen an: „Wenn dieser Trainer bleibt, komme ich Montag nicht mehr zum Training.“ Die Drohung zeigte Wirkung. Offenbach-Coach Franz Brungs musste den Klub verlassen. Doch der Blitz-Wechsel nutzte nichts: Die Kickers verloren beide Entscheidungsspiele und blieben in der 2. Liga.
Die Relegation 1986 zwischen Fortuna Köln und Borussia Dortmund geriet zur Farce. Nachdem Fortuna das Hinspiel 2:0 gewann und Dortmund im Rückspiel 3:1 siegte, trafen sich beide Vereine auf neutralem Boden zum Entscheidungsspiel. Im Vorfeld der Partie gab es aber reichlich Ärger: Das eigentlich für den 23. Mai angesetzte Spiel sagte der DFB kurzerhand ab. Der Grund: Fortuna hatte eine Verlegung der Partie gefordert, da insgesamt elf Spieler krank das Bett hüteten. Damit hätten Trainer Hannes Linßen nur vier Spieler zur Verfügung gestanden. BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball wütete: „Das ist ein Skandal! Wir werden auf jeden Fall antreten.“ Doch auch die zweite Instanz gab den Kölnern Recht. Allerdings räumte der DFB wegen der anstehenden WM in Mexiko nur eine Verschiebung um eine Woche ein. So schleppten sich am 30. Mai elf angeschlagene Kölner aufs Feld. Vielleicht hätte man doch besser auf die Reservemannschaft gesetzt: Borussia Dortmund gewann 8:0.
Nur ein Tor fehlte dem FC St. Pauli 1987 gegen den FC Homburg, um wenigstens das Entscheidungsspiel der Relegation zu erreichen. Der Sündenbock war nach dem 2:1‑Sieg am Millerntor schnell gefunden: Schiedsrichter Dieter Pauly hatte nach Ansicht der Hamburger großen Anteil an der Niederlage, weil er dem Kiezklub in der 52. Minute beim Stand von 0:0 einen Elfmeter verweigert und Homburg kurz vor Schluss einen zweifelhaften Strafstoß zugesprochen hatte. Der Unparteiische musste daraufhin mit Polizeischutz aus dem Vereinsheim geleitet werden. Im Stadion feierten die St.-Pauli-Fans derweil ihre spielerisch überlegene Mannschaft.
Wer am 25. Juni 1989 die Szenen nach Relegationsspiel zwischen dem 1. FC Saarbrücken und Eintracht Frankfurt sah, musste sich verwundert die Augen reiben: Der Bundesligist aus Frankfurt hatte sich soeben den Klassenerhalt gesichert. Von Euphorie war trotzdem keine Spur. Die Spieler saßen bereits kurz nach Abpfiff in der Kabine und schwiegen sich an. In der Mitte stand eine angebrochene Champagnerflasche. Auf dem Feld ließen sich hingegen die Saarbrücker Spieler feiern, allen voran Anthony Yeboah. Der zweifache Torschütze wurde nach dem 2:1‑Heimsieg auf den Schultern seiner Fans getragen. Dass Saarbrücken den Aufstieg mit der 0:2‑Niederlage im Hinspiel knapp verpasste, konnte die Stimmung im Stadion nicht trüben. Immerhin hatte man der hochfavorisierten Eintracht alles abverlangt.
Das Hinspiel der Relegation 1989/90 hatte der VfL Bochum beim FC Saarbrücken durch ein Tor von Thorsten Legat 1:0 gewonnen. Eigentlich ein Grund zur Freude, nicht jedoch für Bochums Andreas Wessels. Der Torwart meckerte unmittelbar vor dem Rückspiel: „Alles ist schlecht: Die Stimmung, das Wetter, der Platz!“ Gerade einmal 20.000 Zuschauer verirrten sich ins Ruhrstadion, es schüttete aus Eimern. „Das war so ein miserabler Tag“, bilanzierte Wessels später. Dass Saarbrücken durch den jungen Anthony Yeboah auch noch in Führung ging, dürfte seine Laune nicht verbessert haben. Anschließend zeigte Wessels aber das Spiel seines Lebens. Immer wieder tauchten die FCS-Stürmer vor dem Tor der Bochumer auf, der Schlussmann entschärfte Großchance um Großchance. Weil Bochum kurz vor Schluss ausglich und die Klasse hielt, wurde Wessels von seinen Mitspielern nach dem Abpfiff gefeiert. Er gab das Lob aber lapidar weiter: „Thorsten Legats fußballerische Fähigkeiten waren grandios.“
„Übung macht den Meister“, heißt es in Pädagogen-Kreisen gern. Klaus Schlappner kann das nicht bestätigen. Jedenfalls nicht, wenn es um die Relegation für die Bundesliga geht. Drei Mal hintereinander musste der Trainer in der ungeliebten Zusatzrunde antreten: 1988 mit dem SV Darmstadt 98, 1989 und 1990 mit dem 1. FC Saarbrücken. Geklappt hat es in allen drei Spielen nicht. Schlappner wurde deshalb später von einem Fernsehmoderator als „Fußball-Sisyphos“ bezeichnet. Diesen Vergleich ließ der Trainer jedoch nicht gelten und konterte gegenüber der „SZ“: „1988 mit Darmstadt, 1989 und 1900 mit Saarbrücken die Relegation erreicht – das war mit diesen Mannschaften schon sensationell.“
10.000 St.Pauli-Fans feierten 1991 im Gelsenkirchener Parkstadion eine Riesenparty. Eigentlich nicht weiter erwähnenswert, wäre ihr Verein nicht kurz vorher in der Relegation sensationell gescheitert. Erstligist St.Pauli und die Stuttgarter Kickers hatten sich in Hin- und Rückspiel je 1:1 getrennt. Im Entscheidungsspiel auf Schalke sollte der Favorit aus Hamburg nun endlich den Klassenerhalt eintüten, verlor aber überraschend 1:3. Für die St.Pauli-Spieler der Super-GAU. Sie lagen sich nach Abpfiff in den Armen und heulten um die Wette. Als ein Reporter Keeper Volker Ippig um ein Interview bat, antwortete dieser schluchzend: „Jetzt nicht – ich kann einfach nicht.“ Dirk Zander gab weinend zu Protokoll: „Das ist mein traurigster Tag.“ Als die Spieler mit schlechtem Gewissen vor den Fanblock zogen, trauten sie ihren Augen und Ohren nicht. Die 10.000 mitgereisten Fans, die im Spiel noch ihren Unmut geäußert hatten, jubelten den Kickern zu und schmetterten: „Nur ein Jahr zweite Liga, ein Jahr, ein Jahr.“
Eigentlich war vor dem Relegations-Rückspiel zwischen dem FC Augsburg und dem 1. FC Nürnberg 2010 alles klar. Der damals 19-jährige Ilkay Gündogan könne nach einer Knöchelverletzung aus dem Hinspiel definitiv nicht spielen, hieß es in den Medien. Doch die Aufstellung von Club-Trainer Dieter Hecking sagte etwas anderes: Gündgan spielte. Und wie! Noch völlig überrascht von der Wunderheilung des jungen Deutsch-Türken, öffneten ihm die Augsburger in der 32. Minute Tür und Tor. Gündogan ließ sich die Chance nicht nehmen, startete mit dem Ball von der Mittellinie und verwandelte zum vorentscheidenden 1:0. Nach dem Spiel wurde klar, dass er nur wegen einer schmerzstillen Spritze hatte auflaufen können. Gündogans Kommentar: „Für solche Momente spielt man doch Fußball.“
Gerade hatte Borussia Mönchengladbach im Relegations-Rückspiel in Bochum durch ein 1:1 die sensationelle Rettung geschafft, da skandierte der Gästeblock: „Wir wollen die Haare sehen!“ Der für ein Fußballstadion recht gewöhnungsbedürftige Appell galt an diesem 25. Mai 2011 Innenverteidiger Dante. Dieser hatte im Winter für den damals noch sehr unrealistischen Fall des Klassenerhaltes versprochen, sich seine Afro-Locken abzurasieren. In der Kabine des Bochumer Ruhrstadions löste der Brasilianer sein Versprechen ein. Als die Borussen schon mit Bierflaschen in der Hand mit der Kurve feierten, verteilte der glatzköpfige Dante unter dem Gejohle der Anhänger die Reste seiner Mähne. Der neue Haarschnitt gefiel nicht nur den Fans. „Er sieht jetzt hübscher aus“, urteilte der sonst um Sachlichkeit bemühte Lucien Favre.
Noch frisch in Erinnerung: Die Geschehnisse rund um die Relegationsspiele 2012 zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC. Im festen Glauben, Schiedsrichter Wolfgang Stark hätte abgepfiffen, stürmten zahlreiche Fortuna-Fans aufs Feld. Beim Stand von 2:2 musste die Partie minutenlang unterbrochen werden. Am Ende feierte Fortuna Düsseldorf zwar den Aufstieg, die Partie sorgte aber noch tagelang für Gesprächsstoff. Hertha legte Protest ein, Trainer Otto Rehhagel erklärte vor dem DFB-Gericht: „Ich hatte so halb Angst. Ich weiß ja, was alles passieren kann. Ich saß 1943 im Keller, als die Amerikaner uns bombardierten.“ Die Öffentlichkeit sprach von „Skandal“ und „Schande“, Moderator Johannes B. Kerner zündete in einer Talk-Sendung eine Puppe an, um die Gefährlichkeit von Pyro zu demonstrieren. Am Ende half das alles nichts. Fortuna Düsseldorf stieg auf und Sascha Rösler kommentierte im Rückblick lapidar: „Die ganze Aufregung war übertrieben.“