In türkischen Fußballstadien sind politische Statements erwünscht – allerdings nur wenn sie den aktuellen Krieg in Afrin unterstützen.
Dass Politik in Stadien nichts zu suchen hat, ist hierzulande eine immer noch weit verbreitete Meinung. Oft fallen diese Worte in den Kommentaren zu Artikeln, die sich mit antirassistischen oder anderen solidarischen Statements von Fangruppierungen im Stadion auseinandersetzen. Wenigstens beim Fußball solle es doch bitte einmal nur um den Sport gehen.
Wie oft es allerdings beim Fußball um alles andere als den Sport geht, zeigt die aktuelle Lage in der Türkei. Hier findet gerade eine Mobilisierung der Gesellschaft für den Krieg gegen die kurdische YPG/YPJ-Miliz in Nordsyrien statt, die auch vor dem Fußball nicht haltmacht. Seit Beginn der Militäroffensive vor über zwei Wochen gab es zahllose Bekundungen der Unterstützung aus der Fußballwelt. Die drei großen Istanbuler Teams beispielsweise zeigten sich in den sozialen Medien schon wenige Stunden nach dem offiziellen Beginn der Militäroperation solidarisch mit den türkischen Truppen.
Und dies aus gutem Grund: Im türkischen Fernsehen wurde in der ersten Woche des Krieges vor laufenden Kameras diskutiert, welche Prominenten sich wie und wann bei Instagram und Twitter hinter den Angriff auf Afrin gestellt hatten. Wer es bis dahin versäumt hatte, seine Unterstützung durch ein Posting zu zeigen, geriet automatisch unter Verdacht, unpatriotisch zu sein.
Von den Rängen schallten ohrenbetäubende Pfiffe
Am Instagram-Account des bekanntesten türkischen Fußballers Arda Turan gab es nichts zu meckern. Schon in der Vergangenheit machte er aus seiner Sympathie für den Kurs des aktuellen Präsidenten kein Geheimnis. Eine Woche vor Beginn der Operation Olivenzweig kehrte Turan in die Türkei zurück und heuerte beim aktuellen Tabellenführer der Süper Lig İstanbul Başakşehir FK an. Für das Team bedeutete dies den bis dato größten Coup der noch jungen Vereinsgeschichte. Başakşehir ist ein von regimetreuen Unternehmern gesponserter Verein, der seit ein paar Jahren versucht, in die Sphären der großen Drei vorzustoßen, um so dem eigenen Lager mehr Einfluss auf die Fußballkultur des Landes zu verschaffen.
Ein weiteres Team, das für diesen Kulturwandel steht, ist Konyaspor. In der stramm konservativen anatolischen AKP-Hochburg Konya hieß der prominente Neuzugang der Winterpause Samuel Eto’o, immerhin dreifacher Champions-League-Gewinner. Während es sportlich derzeit nicht läuft, rücken die Fans der Mannschaft in den Vordergrund. Sie waren in der Vergangenheit schon mehrfach durch eindeutige politische Statements aufgefallen.
Besonders in Erinnerung blieb das Stören einer Schweigeminute vor einem EM-Qualifikationsspiel der türkischen Nationalmannschaft im Jahr 2015. Das Spiel fand unmittelbar nach einem Terroranschlag auf eine linke Friedensdemonstration in Ankara statt, bei dem über 100 Menschen getötet wurden. Von den Rängen schallten damals ohrenbetäubende Pfiffe und es wurde „Allahu-akbar“ skandiert.