Als Präsident von Rot-Weiß Oberhausen und Geschäftsführer eines Theaters steht Hajo Sommers seit Beginn der Pandemie dauerhaft unter Strom. Ein Gespräch über Problemlösungen, unbändigen Optimismus und das Derby gegen Rot-Weiss Essen.
Wie erreicht man denn als Viertligist seine Anhängerschaft? In der Sportschau wird die Regionalliga nicht gezeigt, auf den dritten Programmen auch selten.
Da es kaum Informationen über uns gibt, müssen wir die selbst verbreiten. Wir machen einen Stream, mit einer Kamera und einem Kommentator, das finanziert sich durch Tageskarten und Dauerkarteninhaber, die als Ausgleich eine Dauerkarte für den Livestream gekriegt haben. Das ist doch klasse. Wir kommen jetzt raus und sind präsent! Dazu haben wir eine digitale Mitgliedschaft ins Leben gerufen, mit der wir eine enge Bindung an den Verein erreichen wollen, ganz unabhängig vom Spieltag selbst. Was dazukommt: Es sind unglaublich viele dabei, die aufgrund ihres Wohnortes selten bis nie ins Stadion kommen. Wir bekommen dann Mails, aus den entlegensten Ecken der Republik, in denen sich Leute bedanken, dass sie nach Jahren endlich wieder was von ihrem Herzensverein mitkriegen.
Wie kann man sich eine Saison unter Pandemiebedingungen vorstellen? In der Bundesliga wird in einer geschlossenen Blase weitergespielt. Geht das auch in der Regionalliga?
Die Spieler dürfen ihren Privatkram auch weiterhin machen, aber bitte verantwortungsbewusst. Für die Tests haben wir eine Hygienebeauftragte angestellt. Die Spieler kommen Montags, Mittwochs und immer vor den Spielen zum Test und dann kriegen alle, die mit der Mannschaft in Berührung waren und kommen werden, ein Stäbchen – selbst der Busfahrer. Bisher hatten wir nur zwei Verdachtsfälle, aber nie innerhalb des engeren Kreises. Sollten wir jemanden positiv testen, wird das sofort dem Gesundheitsamt mitgeteilt, dann wird der Verband informiert und geschaut, ob man das Spiel dennoch austragen kann.
Ein großer Aufwand in der Infrastruktur.
Was dazukommt: Wir als Viertligist zahlen unsere Testungen selber. Wenn man alles zusammenrechnet hat uns die Corona-Pandemie an Desinfektionsmitteln, Planungen und Anträgen und Tests für die Spieler bis zum 30. Juni 40.000 Euro gekostet. Also können wir ein Zehntel der Landesmittel schonmal abhaken.
Rot-Weiß Oberhausen ist gut im Spielplan durchgekommen, einige Teams haben aber bis zu vier Spiele weniger. Wie verzerrt ist der Wettbewerb in der Regionalliga?
Wir haben fast alles so gespielt, wie es geplant war. Da bin ich auch ganz froh drüber, denn da kommt jetzt eine dicke Nummer auf uns alle zu. Ab Mitte April sollen zusätzlich die Landespokale ausgespielt werden, damit die Teilnehmer für den DFB-Pokal feststehen. Da haben einige Mannschaften noch zusätzlich bis zu acht Spiele, die dann in englischen Wochen durchgeprügelt werden. Diese zusätzliche Belastungen auf die kaputten Knochen am Ende der Saison werden zu deutlichen Wettbewerbsnachteilen führen. Aber da kannst du dich aufregen oder dich auf den Boden schmeißen und trommeln. Da wird keiner was dran machen.
„Normalerweise liegt die Trefferquote für einen guten Transfer bei 70 Prozent. Das wird dieses Jahr viel riskanter“
Zusätzliche Verstärkungen aus den Jugendleistungszentren sind auch nicht möglich. Die U19 hat das letzte Mal am 18. Oktober gespielt.
Wenn du jetzt jemanden hochziehst, kannst du den direkt für sechs Monate krankmelden. Die Jugendarbeit wird noch ein großes Problem für den gesamten Fußballbereich. Wir haben bis jetzt noch keine nennenswerten Abmeldungen, aber wenn wir wieder trainieren dürfen, dann gucken wir mal, wie viele Verletzte wir haben und wie viele Abmeldungen wir kriegen. Die 14-jährigen, die früher richtig Spaß am Fußball hatten, sitzen jetzt aber seit sechs Monaten zu Hause und daddeln nur an der Konsole. Ob die nicht nach drei Mal trainieren, wenn es nass und kalt war bei zwei Grad draußen, sagen, dass zuhause Rumhängen und Zocken doch besser ist?
Wie plant man denn in diesen unbeständigen Zeiten einen Kader für die nächste Saison?
Zugänge können wir nur aus der Regionalliga West und Südwest holen. Aus der Oberliga, zum Beispiel, kriegst du zwar bestimmt auch Leute, die sind privat alle viel gelaufen, aber die haben ein Dreivierteljahr kein Fußball mehr gespielt. Wir sollten nicht erst ein Aufbautraining von sechs Monaten veranstalten müssen. Generell liegt die Trefferquote, wenn der Sportdirektor ein richtig glückliches Händchen hat, bei 70 Prozent. Das wird dieses Jahr viel schwieriger und riskanter. Und vor allem auch teurer.
„Du kannst auch mit viel Kohle viel falsch machen“
Ist man in der Situation nicht neidisch auf die Nachbarn von Rot-Weiss Essen? Dort wird man dank der Pokalerfolge weniger Geldsorgen haben.
Es ist kein Neid. Ich meine, wer wünscht sich das denn nicht, als Viertligist 1,9 Millionen Euro aus dem Pokal mitzunehmen. Dazu haben sie mit dem Trainer und den Spielerverpflichtungen viel richtig gemacht und auf Aufstieg gesetzt. Das hat auch etwas mit Geld zu tun, aber du kannst auch mit viel Kohle viel falsch machen. Das haben die Essener ja selbst ein paar Jahre lang so gemacht. Aber ich sage, wenn die dieses Jahr nicht aufsteigen, dann haben wir nächstes Jahr ein Problem. Die Kriegskasse bei denen ist so gut gefüllt.
Also braucht die Konkurrenz gar keine Ambitionen anmelden?
Das würde ich anders sehen, man weiß ja nie was passiert. Das ist ja immer noch Fußball. Außer der Tatsache, dass Bayern München Meister wird, ist ja nix vorhersehbar. Und gegen uns spielt RWE am Samstag auch noch. Gegen die zu verlieren hat hier keiner vor. Wir werden ihnen das so schwer wie möglich machen und wenn wir schuld sein werden, dass die nicht aufsteigen, dann ist das so. Dann haben wir wenigstens einmal Spaß. Natürlich haben wir dann nächstes Jahr ein dickes Problem vor der Nase, aber das ist ja noch nicht akut. (Lacht.)
Den Mut verliert ein Hajo Sommers offenbar nicht so schnell. Lassen wir noch ein bisschen Optimismus zu: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Fans im Stadion, kaltes Pilsbier, nächstes Jahr um den Aufstieg mitspielen. (Denkt nach.) Und ansonsten wünsche ich mir den Weltfrieden. (Lacht.)