Heute Abend trifft der 1. FC Saarbrücken im Pokalhalbfinale auf Bayer Leverkusen. Doch ausgerechnet das größte Spiel der vergangenen 30 Jahre muss ohne Zuschauer stattfinden. Sportdirektor Marcus Mann über den Ausnahmezustand im Saarland.
Marcus Mann, gerade erst sind Sie am grünen Tisch zum Aufsteiger erklärt worden. Nun steht ein weiteres Highlight in ungewohnter Atmosphäre an. Wie bitter ist es, das größte Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte ohne Fans auszutragen?
Das bringt die aktuelle Situation leider mit sich. Ich habe die Stimmung in den letzten Runden miterlebt, deshalb ist für mich nicht in Worte zu fassen, was uns entgeht. Wir wollen nicht jammern, schließlich sind wir unfassbar froh, dieses Halbfinale erreicht zu haben und es jetzt auch austragen zu dürfen. Unter normalen Umständen wäre es natürlich noch schöner, denn unsere Fans und die gewohnte Pokalatmosphäre werden unheimlich fehlen. Es tut uns vor allem auch für unsere Fans leid.
Pokalspiele in Völklingen bedeuten ohnehin schon besondere organisatorische Herausforderungen. Ist das in Zeiten von Corona noch komplizierter?
Wir kennen vieles aus den vorherigen Runden. Das mobile Flutlicht wird aus England geliefert, zwischenzeitlich war aber nicht klar, ob die Transporter aufgrund der Corona-Regelungen überhaupt die Grenzen passieren dürfen. Das hat sich mittlerweile gelöst. Das Hygienekonzept ist in unserem weitläufigem Stadion sogar leichter einzuhalten als andernorts. Und um die technischen Voraussetzungen für den Einsatz des Videobeweises kümmert sich der DFB. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Überprüfung im Ü‑Wagen vorm Stadion und nicht im Kölner Keller erfolgt. Der Einsatz der Torlinientechnik ist in Völklingen allerdings weiterhin nicht möglich. Wir werden uns also bemühen, den Ball besonders deutlich hinter die Linie zu drücken. (Lacht.)
Alle Nachteile liegen bei uns, aber wir sind trotzdem bestmöglich vorbereitet.
Das letzte Pflichtspiel liegt genau 94 Tage zurück. Seit Wochen bereitet sich der FCS also nur auf dieses eine Spiel vor. Eine merkwürdige Situation?
Ja, das ist sicherlich außergewöhnlich. Wir kennen das aber aus dem Winter, als wir aufgrund des späten Rückrundenstarts der Regionalliga sehr viel Zeit zur Vorbereitung auf das Achtelfinale gegen Karlsruhe hatten. Damals konnten wir zumindest Testspiele absolvieren. Jetzt im Quarantäne-Trainingslager zieht es sich schon ziemlich. Da das Saarland am Anfang der Krise noch besonders strenge Auflagen erließ bezüglich des Amateursports, unter die wir als Viertligist ja offiziell fallen, konnten wir erst vier Wochen später als Leverkusen mit dem Kleingruppentraining beginnen. Ohne Fans und komplett ohne Spielpraxis, also: Alle Nachteile liegen bei uns, aber wir sind trotzdem bestmöglich vorbereitet.
Bringen die besonderen Umstände nicht auch Vorteile mit sich?
Wir bereiten uns seit Wochen nur auf dieses eine Spiel vor, während es für Leverkusen eines von zehn ist. Wenn sie aus dem Bus aussteigen und unser Ausweichstadion in Völklingen sehen, wird ihnen der Kontrast zur Bundesliga riesig vorkommen. Unser eigenes Stadion in Saarbrücken wird ja gerade neugebaut, aber das Stadion in Völklingen, mit der Laufbahn, dem kleinen Block für Auswärtsfans, war in dieser Pokalsaison definitiv kein Nachteil für uns.
Wie ist Leverkusen einzuschätzen?
Wir haben sie natürlich intensiv verfolgt. Wir müssen uns ja auf keine anderen Spiele mehr vorbereiten. Auf uns wird eine unfassbare fußballerische Qualität zukommen. Sie verfügen über enormes Tempo in der Offensive. Selbst ihre Ersatzbank würde noch eine gute Bundesligamannschaft stellen. Leverkusen ist die beste Mannschaft, auf die wir in dieser Pokalsaison treffen.
Die Scouts von Bayer Leverkusen hatten hingegen keine Möglichkeit, Sie zu beobachten.
Genau, Leverkusen weiß nicht, was auf sie zukommt. Unser Trainer hat gesagt, dass wir 99 von 100 Spielen gegen Bayer verlieren würden. Mal sehen, ob wir heute Abend nicht dieses eine Spiel erwischen. Aber klar ist auch: Wir werden vermutlich nicht hoch gewinnen. (lacht.) Immerhin: Wenn wir ins Elfmeterschießen kommen sollten, können wir dank unserer Erfahrungen mit einem guten Gefühl hineingehen.