Robert Huth wurde Meister mit Leicester und deutscher Rekordspieler in der Premier League. Ein Gespräch über harte Trainer, pöbelnde Fans und das Karriereende als Erlösung.
War es nun eine besonders verschworene Gemeinschaft?
Ach, wissen sie: Im Profifußball versuchen alle, gut miteinander klarzukommen, um den Job optimal zu machen. Und der Job besteht darin, Tore vorzubereiten, zu schießen oder zu verhindern. Das haben wir in Leicester außergewöhnlich gut gemacht.
Welche Freundschaften aus 19 Jahren Premier League sind Ihnen geblieben?
Keine, ich war immer Einzelgänger. Wenn ich noch Kontakt zu anderen Spielern habe, dann weil unsere Frauen Freundinnen sind. Ich schreibe zwar schon mal eine Nachricht, wenn einer ein Tor gemacht hat. Letztlich waren das aber einfach Arbeitskollegen, und ich will auch nicht, dass sie mich anders sehen.
Ist es ungewöhnlich, Einzelgänger in einer Mannschaftssportart zu sein?
Nein, da gibt es viele. Einige Spieler kommen fünf Minuten vor dem Training und sind sofort danach weg, manche Ausländer wollen nicht mal die Sprache lernen. Es kommt sowieso nur darauf an, dass es untereinander klappt, wenn das Spiel angepfiffen wird.
Das klingt unheimlich nüchtern.
Die schrägen Geschichten, die so passieren, bleiben in der Kabine. „What happens in the changing room, stays in the changing room“, heißt es in England.
Und man darf davon nicht mal zu Hause erzählen?
Besser nicht, Fußball ist halt eine Männerwelt. Aber letztlich geht es sowieso nicht darum, dass es spaßig zugeht. Der Spaß besteht darin, erfolgreich zu sein. Ich habe jedenfalls selten auf dem Platz gestanden und gedacht: Ist das jetzt geil hier!
Aber Fußball ist doch zugleich eine schon deshalb ungewöhnliche Arbeitswelt, weil Ihnen Zehntausende bei der Arbeit zuschauen, die emotional extrem beteiligt sind.
Aber mir hat es immer geholfen, möglichst ohne Emotion zu spielen. Wenn ich die Kontrolle verloren habe, bin ich nämlich vom Platz geflogen.
Das ist Ihnen in 411 Profispielen aber nur zweimal passiert.
Außerdem bin ich noch nachträglich gesperrt worden, und dann hatte ich Glück, als ich Alan Shearer auf die Eier gestiegen bin. Der Schiedsrichter hatte das zwar erkannt, aber nicht gepfiffen. Irgendwann später hat er mal zu mir gesagt: „Ich hab das damals gesehen, aber ich mag Shearer auch nicht.“
Sie haben auf dem Platz gerne den Macho gegeben und sich häufiger über Spieler beschwert, die zu viel rumheulen und auf dem Platz rumrollen. Sind Sie auch jenseits des Fußballs ein harter Mann?
Überhaupt nicht! Als Vater bin ich schon gar kein Macho und zeige meinen Kindern hundert Mal am Tag, wie lieb ich sie habe. Trotzdem sage ich ihnen beim Sport, dass sie nicht heulen sollen. Ich finde, dass es eine gewisse Macho-Attitüde braucht, um erfolgreich zu sein. Ich bin kein Fan vom Weinen auf dem Platz. Wenn einer weint, dann soll er in die Kabine gehen, aber ich verstehe das generell nicht.
Haben Sie schon mal heulend in der Kabine gesessen?
Nee. Ich weiß nicht, was einen dazu bringen sollte. Schmerz, Frustration, Niederlagen, geplatzte Träume … Ich habe als Kind viel Judo gemacht, da durfte man überhaupt keine Schwächen zeigen. Das hat mich total geprägt.