Robert Huth wurde Meister mit Leicester und deutscher Rekordspieler in der Premier League. Ein Gespräch über harte Trainer, pöbelnde Fans und das Karriereende als Erlösung.
Hinweis: Das Interview erschien erstmals im Mai 2019, in Heft #210.
Robert Huth, Sie haben im Januar ihr Karriereende verkündet und dazu bei Twitter geschrieben: „Ich habe aufgehört! Ich habe nur kein Interview gegeben und darüber geweint.“ Wollen wir doch noch ein wenig beweinen, dass es vorbei ist?
Dazu gibt es keinen Grund. Alles bestens.
Kein deutscher Spieler hat so viele Spiele in der Premier League gemacht wie Sie, und 2016 waren Sie Stammspieler beim Sensationsmeister Leicester City. Hatten Sie nach dem Titelgewinn das Gefühl, Geschichte geschrieben zu haben?
Nein, die ersten vier Wochen danach waren wir sowieso nur besoffen, weil wir eine Party nach der nächsten hatten. Um zu verstehen, was der Titel bedeutet, hat es erst mal Abstand gebraucht. Inzwischen kommt es mir vor, als ob dadurch alles Sinn bekommen hat: dass ich schon mit 16 Jahren nach England gegangen bin, dass ich die kalten Winter, Verletzungen und schlechten Zeiten überstanden habe. Ich weiß nicht, wie die Bilanz ohne die Meisterschaft ausfallen würde.
Wie erklären Sie sich das Fußballmärchen von Leicester?
Ich bin schon so oft gefragt worden, welches Geheimnis oder welche magische Pille dafür verantwortlich war, aber ich weiß es nicht. Letztlich kann ich nur sagen: Wir sind Meister geworden, weil wir die meisten Punkte geholt haben.
Eine tiefergehende Erklärung haben Sie nicht?
Doch schon: Wir haben gemeinsam geblüht. Fast alle Spieler haben damals die beste Form ihres Lebens erreicht. Von N’Golo Kanté abgesehen, der anschließend mit Chelsea Meister wurde und mit Frankreich Weltmeister, hat niemand von uns vorher oder hinterher so gut gespielt wie in dieser einen Saison.
Wie sah die Rollenverteilung in der Mannschaft aus?
Es waren alle Typen vertreten. Jamie Vardy war der Verrückte, der vor keinem Gegner Angst hatte. Wes Morgan war ein ruhiger Kapitän, der nie in Panik geraten ist. Kaspar Schmeichel hat stets klare Ansagen gemacht, und Riyad Mahrez war immer lustig. Er kam meistens als Letzter auf den Trainingsplatz und hatte die Schuhe noch offen. Und Kanté haben alle geliebt. In den ersten Tagen fand ich ihn noch seltsam, weil er am Tisch immer geschwiegen hat. Er hat auch nur „Good morning“ gesagt, nachdem du ihm „Good morning“ gesagt hast. Aber dann habe ich verstanden, dass er einfach unheimlich schüchtern war. Und auf dem Platz konnte er alles.
Sie hatten uns schon vor dem Titelgewinn erzählt, dass Sie nie einen so guten Teamspirit erlebt hätten wie bei Leicester City. War er entscheidend?
Aber warum war der so gut? Weil wir immer gewonnen haben! Interessanter fand ich es eigentlich, als ich in der Vorsaison im Winter kam und Leicester eigentlich sicherer Absteiger war. Normalerweise laufen bei einem Tabellenletzten alle mit langen Gesichtern rum, aber wir sind damals trotzdem optimistisch in die Spiele gegangen und haben uns ja wirklich gerettet.