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Her­bert Bin­kert, im November 1955 spielte der 1. FC Saar­brü­cken im erst­mals aus­ge­tra­genen Lan­des­meis­tercup gegen den AC Mai­land. Waren diese Par­tien die größten Spiele Ihrer Kar­riere?
Ach, wir hatten in jener Zeit so viele span­nende Spiele. Auf­grund des poli­ti­schen Status des Saar­landes konnte der 1. FC Saar­brü­cken damals nicht am regu­lären deut­schen Liga­be­trieb teil­nehmen, und dadurch waren wir ständig unter­wegs. Wir machten Freund­schafts­spiele in Rio de Janeiro, in Sao Paulo, wir spielten in Liver­pool 1:1 oder gewannen 4:0 im Ber­nabeu gegen Real Madrid, die seit zwölf Jahren kein Heim­spiel mehr ver­loren hatten.

Der 1. FC Saar­brü­cken war damals auf der ganzen Welt bekannt.
Wir waren in aller Munde. Der dama­lige Fifa-Prä­si­dent Jules Rimet sagte in einem Inter­view nicht ohne Grund: Die inter­es­san­teste Mann­schaft des Kon­ti­nents kommt aus Saar­brü­cken.“ Die beiden Spiele gegen den AC Mai­land waren inso­fern schon toll – aber eben nur zwei von vielen High­lights wäh­rend meiner Saar­brü­cker Zeit.

Der AC Mai­land ging damals trotzdem als Favorit in die Partie.
Sicher. Die hatten diesen fan­tas­ti­schen schwe­di­schen Angriff mit Gunnar Nordahl und Nils Lied­holm. Der beste Sturm Europas! Zudem bestand die Mann­schaft aus Voll­profis. Der 1. FC Saar­brü­cken hin­gegen setzte sich zusammen aus Fei­er­abend­fuß­bal­lern. Ich war Beamter im saar­län­di­schen Minis­te­rium. Tags­über war ich im Büro, abends dann beim Trai­ning. Dreimal die Woche.

Das Hin­spiel gewann der 1. FC Saar­brü­cken in San Siro sen­sa­tio­nell mit 4:3. Sie spielten aller­dings nicht. Wieso?
Ich war ver­letzt – und habe mich natür­lich tie­risch geär­gert. Damals war es noch nicht üblich, dass man die Mann­schaft trotzdem begleiten konnte. Die Ver­letzten blieben zu Hause und durften ihre Wunden lecken. Die Partie wurde leider auch nicht im Fern­sehen über­tragen. Also war­tete ich zu Hause gebannt auf den ver­spro­chenen Anruf aus Mai­land.

Wer rief Sie an?
Hans Tau­chert, der Trainer. Direkt nach dem Spiel. Ich konnte es natür­lich kaum glauben, war außer mir vor Freude. 4:3 in Mai­land!

Wie wurde Saar­brü­cken, als Teil des abgespa­le­tenen Saar­lands, eigent­lich in Deutsch­land wahr­ge­nommen?

Die Presse war uns wohl­ge­sonnen. Aller­dings wurde uns nicht die Beach­tung eines HSV oder 1. FC Nürn­berg zuteil. Bei dem Heim­spiel gegen Mai­land saßen im Publikum auch Fans aus Deutsch­land, die uns eben­falls beklatschten. Das war sowieso eine Sache, die man heute nicht mehr kennt: Manchmal wurden in den fünf­ziger Jahren näm­lich auch die Gegner beju­belt. Bei Saar­brü­ckens 4:0‑Erfolg in Madrid ver­neigten sich jeden­falls auch die Real-Fans. Es war ein unfass­bares Erlebnis. Unwirk­lich irgendwie.

Sie kannten die geg­ne­ri­schen Mann­schaften damals vor­nehm­lich vom Namen: Nils Lied­holm, Gas­tone Bean oder Pepe“ Schiaf­fino. Wie berei­teten die Trainer die Mann­schaften auf Spiele gegen aus­län­di­sche Mann­schaften vor?
Weil es so etwas wie Video­auf­zeich­nungen noch nicht gab, schickte der Trainer zumeist – so war es auch vor den Spielen gegen Milan – Co-Trainer oder andere Klub-Mit­ar­beiter zu den kom­menden Geg­nern. Schwierig war das natür­lich bei Mann­schaften aus Übersee. Vor den Spielen gegen den FC Sao Paulo oder Libertad Asun­cion hieß es dann vom Trainer: Kon­zen­triert euch auf euer Spiel.“ Zur Halb­zeit wurde dann erst­mals dar­über dis­ku­tiert, mit wel­cher Taktik der Gegner agierte und was man dieser ent­ge­gen­setze könnte.

Welche Taktik gab Hans Tau­chert gegen den AC Mai­land aus?
Wir spielten das damals gän­gige WM-System, also drei Stürmer, zwei Halb­stürmer und zwei Blo­cker. Ich spielte im Rück­spiel Mit­tel­stürmer, wobei ich auch häufig als rechte Außen­läufer ein­ge­setzt wurde. Mit der Süd­deut­schen-Aus­wahl spielte ich sogar manchmal als rechter Halb­stürmer. Wie es gerade passte.

Nach dem 4:3 in Mai­land verlor Saar­brü­cken im Rück­spiel letzt­lich deut­lich mit 1:4. Eine vor­her­seh­bare Nie­der­lage?

Das viel­leicht nicht, wir wussten ja, dass wir an guten Tagen jeden schlagen konnten. Doch die Mai­länder machten nicht mehr den Fehler, uns zu unter­schätzen. Sie ent­fachten einen wahn­sin­nigen Druck. Nach dem 0:1 kamen wir trotzdem durch ein Tor von mir zurück. Doch wir waren in der zweiten Hälfte ste­hend K.o. Die Ita­liener waren fitter. Und auch wenn wir wäh­rend dieser Zeit einen sagen­haft guten Fuß­ball spielten, muss ich gestehen: der AC Mai­land war im Rück­spiel spie­le­risch ein­fach stärker.

Werden Sie von den heu­tigen Saar­brü­cker-Spie­lern noch häufig auf jene ruhm­rei­chen fünf­ziger Jahre ange­spro­chen?

Klar, und die staunen manchmal nicht schlecht, denn dem 1. FC Saar­brü­cken ging es ja in den letzten Jahr­zehnten nicht son­der­lich gut. Immerhin ist vor ein paar Jahren der Auf­stieg in die 3. Liga geglückt. Doch eigent­lich gehört der Klub min­des­tens in die 2. Liga. Der 1. FC Saar­brü­cken hat jeden­falls immer noch einen guten Namen.


Das Inter­view erschien erst­mals im Februar 2011 auf 11freunde​.de.