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Seite 3: „Bei den Bayern war ich die Allzweckwaffe“

Wie wurden Sie bei Bayer auf­ge­nommen?
Zu meinem Glück wurde die Mann­schaft damals von Karl-Heinz Feld­kamp trai­niert, der ein Faible für junge Spieler hatte und vor allem den Mut, die Jungs auch ein­zu­setzen. Wobei man aber auch sagen muss, dass er über eine statt­liche Aus­wahl von Talenten ver­fügte: ein Jahr­gang über mir spielte ein gewisser Oliver Bier­hoff.

Am 8. August 1986 fei­erten Sie schließ­lich Ihr Debüt.
Ganz genau: ein 2:0‑Sieg gegen den FC Hom­burg. Feld­kamp brachte mich für den leider viel zu früh ver­stor­benen Horst Pfeilzer. Und damit ging das alles los.

Sie waren erst 17 – mussten auch Sie den harten Gang durch die Hier­ar­chien antreten?
Natür­lich. In Uer­dingen hieß der harte Hund der Mann­schaft Nor­bert Brink­mann, der hat nur den Ball gesehen und bedin­gungslos drauf­ge­halten. Auch ich musste ein paarmal dran glauben. Aller­dings muss ich sagen, dass Lehr­jahre in Uer­dingen mich wirk­lich vor­an­ge­bracht haben: die Alten sorgten dafür, dass man in der rich­tigen Spur blieb und wenn man das nicht tat, bekam mal halt auf die Socken. Gleich­zeitig haben mich erfah­rene Spieler, allen voran Fried­helm Funkel, in Schutz genommen, wenn es bei­spiels­weise har­sche Kritik von der Presse gab.

Ein Jahr nach Ihrem Debüt fuhren Sie mit der deut­schen U20 zur Welt­meis­ter­schaft nach Chile. Mit im Kader u.a.: Andreas Möller, Knut Rein­hardt und Detlev Dam­meier. Bester Deut­scher waren aber Sie: wie schon bei der U‑16-WM 1985 schossen Sie die meisten Tore (7) und wurden hinter Robert Pro­sinecki und Zvo­nomir Boban zum dritt­besten Spieler des Tur­niers aus­ge­zeichnet.
Eine tolle Erfah­rung. Leider ver­loren wir das Finale gegen die Jugo­slawen mit 4:5 nach Elf­me­ter­schießen, dreimal dürfen Sie raten, wer den ent­schei­denden Elf­meter ver­schoss… Ich bekam trotzdem zum Dank nach dem Tur­nier ein Angebot vom AS Monaco.

Warum blieben Sie in Uer­dingen?
Ein Wechsel ins Aus­land erschien mir damals noch zu früh. Dabei hätte ich in Monaco mehr Geld als anderswo ver­dienen können. Trotzdem habe ich die Ent­schei­dung nie bereut. Obwohl es doch schade ist, dass dieses Angebot nie wieder kam.

Statt­dessen wech­selten 1991 zum 1. FC Kai­sers­lau­tern und von dort nach zwei Jahren zum FC Bayern, der damals als FC Hol­ly­wood“ ver­schrien war. Wie haben Sie die Eitel­keiten inner­halb des Ver­eins wahr­ge­nommen?
Es stimmt, dass wir damals eine ganze Reihe sehr starker Per­sön­lich­keiten im Kader hatten: Andy Herzog, Oliver Kahn, Ciriaco Sforza, Jürgen Klins­mann, Lothar Mat­thäus, auch Mehmet Scholl. Das führte schon mal zu Streit, wie bei der legen­dären Szene, als Oliver Kahn Andy Herzog am Genick packte. Gleich­zeitig war das Niveau auch sehr hoch. 1994 und 1997 wurden wir Meister, 1996 gewannen wir den Uefa-Cup.

Welche Rolle hatten Sie in dieser Truppe?
Ver­mut­lich den der All­zweck­waffe. Allein unter Franz Becken­bauer spielte ich mal auf der Zeh­ner­po­si­tion, dann Außen­stürmer, auch Ver­tei­diger. Das zog sich dann durch meine wei­tere Kar­riere: später bei Borussia Mön­chen­glad­bach (1997 bis 2003, d. Red.) wurde ich als Libero, Mann­de­cker und als Rechts­ver­tei­diger in der Vie­rer­kette ein­ge­setzt.

So ein Posi­ti­ons­wechsel macht keinem Fuß­baller Spaß. Konnten Sie sich nicht dagegen wehren?
Nun, bei den Bayern war ich einer der ganz wenigen Nicht-Natio­nal­spieler, die regel­mäßig zum Ein­satz kamen. Da konnte ich mir eben nicht aus­su­chen, wo ich spielen wollte. Zumal ja eben diese Viel­sei­tig­keit dazu geführt hat, dass ich letzt­lich auf 410 Bun­des­li­ga­spiele kam.

Wie haben Sie es geschafft, nach dem Ende der aktiven Kar­riere nicht in ein Loch zu fallen?
Indem ich weiter aktiv geblieben bin. Irgend­wann hat mich mein Zahn­arzt, ein begeis­terter Läufer, dazu über­redet, für den Mara­thon und Tri­athlon zu trai­nieren. Das hat mich gleich gepackt. Als ich beim Iron Man durch Frank­furt rannte, fiel mir wieder Hansi Pflügler ein, der mir irgend­wann beim Trai­ning gesagt hatte: Junge, du hörst ja auch nicht auf zu rennen.“ Das macht mir ein­fach Spaß. Und was den Adre­na­lin­schub angeht, steht so ein Mara­thon keinem Bun­des­li­ga­spiel nach.

Wie schon erwähnt, enga­gieren Sie sich als ehe­ma­liger Flücht­ling heute für die nächste Gene­ra­tion, die ihre Hei­mat­länder ver­lassen mussten. Wel­chen Bei­trag kann der Fuß­ball in der aktu­ellen Pro­ble­matik leisten?
Meiner Mei­nung nach sind die Ver­eine gefragt, sich noch stärker für Flücht­linge ein­zu­setzen. Dass sie Kin­dern und jungen Leuten die Mög­lich­keit geben, in den Mann­schaften mit­zu­mi­schen, so die deut­sche Sprache lernen und sich zuge­hörig fühlen. Die inte­gra­tive Kraft dieses Spiels ist enorm. Ich habe das ja selber erfahren dürfen.