Als Unterfranke war Sigfried Held lange der einzige Ausländer beim BVB. Heute wird er 80 Jahre alt. Hier erzählt er von den schrecklichen Dortmunder Zwillingen und Sepp Maier im Kreisverkehr.
Die Erfolge des BVB jener Jahre werden oft an der legendären Sturmreihe mit Ihnen, Lothar Emmerich und Stan Libuda festgemacht. Zurecht?
Die ganze Mannschaft war für damalige Zeiten außerordentlich hochklassig besetzt. Wir im Sturm haben uns zumindest gut ergänzt. Ich war laufstark, ein guter Dribbler und Vorbereiter. Emmerich war der Prototyp des Vollstreckers. Und was Stan Libuda mit dem Ball angestellt hat, wie er gleich reihenweise Verteidiger vernascht hat, war schier unglaublich. Vielleicht hat ihm mitunter ein wenig die Zielstrebigkeit gefehlt.
Wie leicht fiel Ihnen der Start in Dortmund?
Wir waren sehr schnell erfolgreich, da geht vieles einfacher. Die Kameradschaft früherer Jahre wird aber oft auch verklärt. Wir saßen abends nicht alle gemeinsam in der Kneipe und haben Volkslieder gesungen. Ein Großteil der Spieler war schon verheiratet, musste sich um die Familie kümmern und hatte abends gar keine Zeit für gemeinsame Unternehmungen. So haben automatisch die Junggesellen viel miteinander gemacht, ich, Rudi Assauer und andere.
Die „WAZ“ erwähnte anlässlich Ihres 65. Geburtstags, dass Sie als Jungprofi häufig eine Gaststätte an der Weißenburger Straße aufgesucht und dort am Tischkicker brilliert hätten.
Das ergab sich zwangsläufig. Ich hatte in der Nähe ein Zimmer bezogen, die Kneipe war direkt nebenan. Also bin ich oft abends hinübergegangen, um etwas zu essen. Ein Kicker stand da auch.
Der Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1966 war eine Sensation. Im Endspiel war der FC Liverpool haushoher Favorit, Bill Shankly tönte, es komme nur auf die Höhe des Sieges an. Hinterher schrieb die britische Presse ehrfürchtig von den „terrible twins“, Emmerich und Held.
Dass wir da gerade einen historischen Triumph errungen hatten, war uns nicht sofort nach dem Abpfiff klar. Was vielleicht auch an den Umständen lag. Der Hampden Park, damals eines der größten Stadien der Welt, war nicht ausverkauft. Und nach dem Spiel gab es kein feierliches Bankett, wie es heute sicher organisiert würde. Ganz im Gegenteil: Wir wohnten zwei Autostunden von Glasgow entfernt in einem Hotel an der Küste. Als wir nach dem Spiel zurück ins Hotel kamen, war das Personal schon weg. Und wir mussten erst einmal zusehen, dass wir noch etwas zu essen und trinken bekamen.
Spätestens bei der Rückkehr nach Dortmund muss Ihnen aber klargeworden sein, was Sie da erreicht haben.
Das war unübersehbar. Wir landeten mit dem Flugzeug in Köln und wurden schon auf der Rollbahn von Fans empfangen. Oben an der B 54 wurden wir dann in offene Wagen gesetzt und vorbei an vielen tausenden Anhängern in die Innenstadt gefahren. Eine Viertelmillion Fans war auf den Beinen. Die Wagen mussten immer wieder anhalten. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir für den Weg gebraucht haben.
In den späten sechziger Jahren begann der Dortmunder Niedergang, der 1972 in der Regionalliga endete.
Es heißt immer: Im Erfolg werden die größten Fehler gemacht. In Dortmund herrschte der Irrglaube, der Vereine könne mit Talenten aus der Region weiter in der deutschen Spitze mitmischen. Ich war als Unterfranke der einzige Ausländer, ansonsten kamen Konietzka, Schütz, Emmerich und die anderen alle aus der Gegend. Dass die Zeiten sich geändert hatten, dass andere Klubs längst bundesweit nach Nachwuchs suchten, wurde bei der Borussia viel zu spät bemerkt.
Wie haben Sie die Rivalität zum FC Schalke erlebt?
Ich bin nach Dortmund gekommen, als der Abstand zu Schalke riesengroß war. Die haben jedes Jahr, Hin- und Rückspiel zusammengenommen, oft zehn Stück bekommen und wurden als Gegner zunächst gar nicht ernst genommen. Das hat sich erst später geändert, da hat die Borussia auch mal ein Heimspiel verloren.
Verstehen Sie die Aufregung um Christoph Metzelder, der lange in Dortmund gespielt hat und nun beim FC Schalke?
Metzelder wollte schließlich nach dem Gastspiel bei Real Madrid nicht mit dem Fußball aufhören. Und Schalke hat ihm ein Angebot gemacht. Mal davon abgesehen: Er hat sich ja nicht verbessert.