Benjamin Stambouli hat seinen Vertrag auf Schalke verlängert. Wie gut der Franzose zum Verein passt, zeigt er in unserem Interview, in dem er vom Revierderby, den Fans und dem Ruhrgebiet schwärmt.
Mussten Sie Ihr Spiel an die deutsche Liga anpassen?
Auf dem Platz hatte ich nicht so große Anpassungsschwierigkeiten wie außerhalb. Die Abläufe waren schon gewöhnungsbedürftig. Jedes Detail zählt: Du musst pünktlich sein, du musst dich gesund ernähren, du musst dich in der Gruppe einbringen. Das alles kann Einfluss darauf nehmen, ob du aufgestellt wirst oder nicht. Zu Hause wird da gerne mal ein Auge zugedrückt. Wenn du in Deutschland aber zu spät zum Meeting kommst oder das falsche Dress trägst, wird das als Respektlosigkeit gegenüber dem Kollektiv ausgelegt.
Wann haben Sie das erstmals zu spüren bekommen?
Im Training probiere ich gerne mal Sachen aus, zum Beispiel spiele ich Chipbälle und passe mal mit dem Außenrist. Da gab es direkt eine Ansage vom Trainer: „Das geht nicht!“ Woho, dachte ich, hier musst du immer seriös sein. Keine verrückten Sachen – das hier ist Arbeit. Gerade im ersten Jahr musste ich mich da sehr zusammenreißen, nun lässt unser Trainer in dieser Hinsicht schon mehr durchgehen. Damit fühle ich mich wohler.
Hat die französische Liga die gleichen Probleme wie die deutsche, dass nur eine Mannschaft dominiert?
Da ist etwas dran. Paris und Bayern haben herausragende Qualität, aber die anderen Mannschaften müssen mutig sein. Man kann ihre Dominanz durchbrechen. Das beste Beispiel waren doch wir mit Montpellier 2012. Wir waren absolute Außenseiter, vielleicht vergleichbar mit Augsburg in Deutschland, und sind französischer Meister geworden. Wir hatten Mentalität, Teamspirit, Konstanz – und nachdem wir in Paris unentschieden gespielt hatten, waren wir so selbstsicher, dass uns selbst dieses große Team nicht aufhalten konnte.
Montpelliers Präsident Louis Nicollin war ein kurioser Typ. Wie verlief die Meisterparty mit ihm?
Er ließ sich einen Iro in den Vereinsfarben verpassen und lud uns auf sein 300 Hektar großes Grundstück ein. Wir machten die Party schlechthin, tanzten nicht weit von seinen Büffeln und Pferden. Mein Mitspieler Rémy Cabella hatte sich seinen Wagen in die Vereinsfarbe Orange umsprühen lassen und erzählte unserem Präsidenten auf der Party davon. Da zückte Nicollin den Geldbeutel und zahlte eben die 5000 Euro für die Umlackierung.
„Hier können Leute zehn Bier trinken und sind nicht betrunken! Und bei einem Tor, da werfen sie das Bier durch die Luft. Phantastisch.“
Ist Schalke mit Montpellier vergleichbar?
Beide Klubs wurden von Arbeitern gegründet, Montpellier von Müllmännern, Schalke von Bergarbeitern. Aber Montpellier ist viel zu klein für diesen Vergleich, in der Stadt sind außerdem Handball und Rugby sehr populär. Schalke ist mehr eine Mischung aus Saint-Étienne und Lens. Diese beiden Städte leben für ihren Klub, und das Stadion vibriert förmlich bei den heißen Spielen.
Nach Ihren Erfahrungen in drei Ländern: In welchen Stadien herrscht die beste Atmosphäre?
In Frankreich schon in Lens, auch wenn ich dort nur einmal gespielt habe. Aber ich kam in der Pause früher aus der Kabine, als das Stadion die Hymne „Les Corons“ sang. Da bekommst du selbst als Gegner eine Gänsehaut. Kennen Sie den Film „Willkommen bei den Sch’tis“? Einer meiner Lieblingsfilme, ich habe ihn bestimmt 35 Mal angeschaut. In einer Szene singen sie im Block dieses Lied, einem Fan laufen die Tränen über die Wangen. In England gefiel mir das Old Trafford am besten, weil ich mich sehr für Fußballhistorie interessiere und förmlich spürte, wie Cantona neben mir stand. In Deutschland ist die Stimmung auf Schalke am besten.
Das müssen Sie jetzt sagen.
Glauben Sie mir: Wir spielten mit Montpellier 2012 in der Champions League auf Schalke und ich malte mir aus, wie schön es wäre, hier alle zwei Wochen aufzulaufen. 2016 verhandelte ich gerade mit einem sehr großen Klub, als mein Berater mir von Schalkes Interesse erzählte. Ich brach alle anderen Gespräche ab und unterschrieb sofort. Es ist ein Privileg, in diesem Stadion zu spielen. Aber raten Sie mal, wovon meine Eltern am meisten geschwärmt haben, als Sie erstmals auf Schalke waren?
Vom Arenadach?
Nein, nein, vom Bier! Sie erzählten: „Hier können Leute zehn Bier trinken und sind nicht betrunken! Und bei einem Tor, da werfen sie das Bier durch die Luft. Phantastisch.“ (Lacht.)