Seit sechs Jahren spielt die Torhüterin Ann-Katrin Berger in England. Die deutsche Nationalspielerin über den Fußball auf der Insel, kickern mit Rio Ferdinand und deutsche Titelambitionen bei der EM.
Ann-Katrin Berger, seit 2016 spielen Sie in England. Haben sich die Kolleginnen vor dem Turnier mal über Land, Leute und den Fußball hier erkundigt?
Wir haben mal über die höheren Zuschauerzahlen hier in England geredet, aber eigentlich wussten alle bereits, was auf sie zukommt. Meine Mitspielerinnen haben ja auch mitbekommen haben, dass der Frauenfußball in England in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht hat und gucken sich manchmal die Spiele der englischen Liga an, genauso wie wir in England uns ab und zu mal die Spiele in Deutschland anschauen.
Was macht den Frauenfußball in England im Vergleich zu Deutschland aus?
Der Unterschied zu Deutschland ist, dass die Investitionen in den Frauenfußball hier nicht nur in die Spielerinnen, sondern auch in die Vereine fließen und damit zum Beispiel auch in bessere Trainingsplätze und die Bedingungen drumherum. Wenn man erstmal das Gelände hat, um das zu machen, was man als Sportler liebt, dann merkt man, dass die Arbeit viel mehr Bock macht.
Ann-Katrin Berger ist Teil des deutschen Torhüterinnenteams bei der EM in England. Seit 2019 spielt sie beim FC Chelsea. Zuvor stand sie für Birmingham City, PSG und Turbine Potsdam zwischen den Pfosten.
Konnte man in England im Vorfeld des diesjährigen Turniers spüren, dass die größte EM aller Zeiten stattfinden wird?
Ja, auf jeden Fall. 100 Tage vor Turnierstart gab es mitten in London einen Medien-Tag mit verschiedenen Nationen, zu dem im Grunde jeder Interessierte kommen konnte. Generell waren die Medien aufmerksamer als je zuvor. Im Vorfeld der EM wurde einiges initiiert, zum Beispiel in der Carnabystreet in London. Dort wurde alles passend zur EM dekoriert und ein Tischkicker aufgestellt. Die Leute konnten auch gegen mich oder meine Chelsea-Teamkolleginnen Jess Carter und Millie Bright spielen. Und gegen Rio Ferdinand.
Gegen die Manchester-United-Legende?
Ja, Rio Ferdinand ist ein großer Fan des Frauenfußballs und war auch beim Medien-Tag vor Ort. Genauso wie Ex-Nationalspieler Ian Wright. Dass solche Leute dort auftreten, steigert das Ansehen dieser Europameisterschaft enorm. Der Frauenfußball muss sich erstmal einen Namen machen und wir dürfen nicht zu stolz sein und sagen: Wir wollen da keine Männer. Der Männerfußball hat noch einen Vorsprung und wir ziehen erst nach. Es geht darum, die Gunst zu nutzen und den Frauenfußball attraktiver zu machen. Kleine Jungs und Mädchen finden es zum Beispiel cool, wenn sie gegen uns oder Rio Ferdinand kickern können. Das erhöht am Ende die Aufmerksamkeit für das Turnier.
Wie stand es um Ihre eigene Motivation, bei diesem Turnier in Ihrer zweiten Heimat dabei zu sein?
Natürlich habe ich immer schon die Motivation verspürt, mal bei einer EM und hoffentlich auch noch bei einer WM dabei zu sein. Aber es stimmt schon: England ist meine zweite Heimat. Ich bin seit sechs Jahren hier. Selbstverständlich weckt das Turnier bestimmte Gefühle in mir, weil ich den englischen Fußball auch habe wachsen sehen.
In Deutschland lautete die Frage nach der Nummer 1 vor der EM: Frohms oder Schult? Haben Sie sich nicht mal gefragt: Warum nicht ich?
Sowas habe ich mir gar nicht angehört. Schlussendlich entscheidet sowieso die Trainerin. Almuth und Merle spielen in Deutschland, vielleicht haben die Medien das deswegen zu einem größeren Duell werden lassen. Für mich war es zwischen uns Torhüterinnen aber immer ein Dreikampf auf Augenhöhe. Es gibt nach diesem Turnier ja auch ein nächstes: Und ich werde mein Bestes geben, dann ein Stückchen näher an die Nummer 1 heranzurücken.
Wie ist das Verhältnis im Torhüterinnen-Team?
Wir haben definitiv unseren Spaß miteinander. Aber Almuth und ich wissen zum Beispiel auch durch unsere Erfahrung, wie wir das Beste aus der anderen Keeperin herauskitzeln können. Es ist wichtig, dass es bei uns Torhüterinnen diese Balance zwischen Fokus im Training und Blödsinn machen gibt. Gäbe es diese Balance nicht, dann hätte man schnell ein unangenehmes Umfeld und in einem unangenehmen Umfeld kann keine von uns ihre beste Leistung bringen.