Wie sich Dortmund-Legende Kalle Riedle so gut gehalten hat? An seiner Zeit beim FC Liverpool, inklusive Nazi-Witzen, schlüpfrigen Weihnachtsfeiern und fetten Frühstücksbuffets hat’s eher nicht gelegen.
Und Sie klärten ihn auf.
Ich sagte: „I am Karl-Heinz Riedle, I come from Germany!“ Und er sagte: „Oh, Germany, okay. Hitler!“ Wo war ich jetzt wieder gelandet? Aber ansonsten war er sehr nett, auch wenn ich ihn bis zu meiner Berufung zum Trainer nur noch auf der Tribüne sah oder wenn er kurz vor Anpfiff in die Kabine kam, um uns Glück zu wünschen.
Aber als Sie für drei Monate Spielertrainer wurden, mussten Sie regelmäßig zu ihm zum Rapport?
Nein, nein. Es war nur so, dass unser Manager fragte, ob ich mir zutrauen würde, nach der Entlassung unseres Coachs Paul Bracewell übergangsweise bis zur Sommerpause – es waren noch sechs Spiele – das Training zu leiten. Weil ich ein sehr gutes Verhältnis zu Paul hatte, rief ich ihn erst einmal an, um zu fragen, ob er einverstanden sei. „Kein Problem“, sagte er. Am nächsten Morgen wollte er aber eine letzte Trainingssession machen und sich ordentlich von den Spielern verabschieden. Während wir also mit ihm auf dem Platz standen, hörten wir auf einmal ein ohrenbetäubendes Geräusch. Der Hubschrauber von Al-Fayed landete direkt neben uns auf dem Rasen und die Mannschaft wurde in den Aufenthaltsraum gebeten.
Der offizielle Teil des Rausschmisses.
So ungefähr. Al-Fayed und Manager Mark Griffith kamen herein, und wir saßen hufeisenförmig um die Verantwortlichen herum. Al-Fayed ergriff das Wort, appellierte an unseren Ehrgeiz und verkündete, dass Paul zukünftig nicht mehr bei uns sei. Und abschließend sagte er mit großer Geste: „Und unser neuer Trainer ist ab sofort … Karl-Heinz Riedle!“ Und zeigte dabei er auf unseren Vizekapitän Simon Morgan, der in der gegenüberliegenden Ecke saß. Al-Fayed schaute Simon an und sagte: „Karl-Heinz, please come and speak to the team.“
Sie rangen vermutlich um Fassung.
Das kann ich Ihnen sagen. Ganz kleinlaut meldete ich mich aus meiner Ecke: „Herr Präsident, ich bin hier.“ Als Paul sich von der Mannschaft verabschiedet hatte, sollte ich noch etwas sagen, aber meine Antrittsrede dauerte nur drei Sekunden, denn der ganze Saal lachte sich inzwischen kaputt.
Wie kam der Klub auf Sie?
Ich war der erfahrenste Spieler. Es sollte auch wie gesagt nur kurz sein, weil sie damals schon an Jean Tigana dran waren.
Das Team hatte zu dem Zeitpunkt seit acht Spielen nicht mehr gewonnen.
Mir war von Anfang an klar, dass ich den Job nicht allein machen kann. Um die Spieler wie ein Coach anzusprechen, reichte mein Englisch schlicht nicht aus. Also holte ich Roy Evans, der für mich das Training machte, und gemeinsam stellten wir die Mannschaft auf. Ich habe mich sehr auf seine Erfahrung verlassen, auch wenn er immer sagte: „Du musst entscheiden, es ist deine Verantwortung!“ Roy war nach seinem Abgang in Liverpool gewissermaßen im Ruhestand, er wollte am Anfang noch nicht mal Geld für den Aushilfsjob.
Spielten Sie parallel zu dieser Tätigkeit in der ersten Elf?
Als ich den Trainerjob übernahm, hatte ich mich an der Halswirbelsäule verletzt. Es ging für uns immer noch um den Aufstieg in die Premier League. Nach drei Spielen Pause wollte mich Roy wieder einsetzen. Wir standen an der Tafel, er schrieb meinen Namen in die Aufstellung, ich strich ihn durch. Er schrieb ihn wieder rein, ich strich mich wieder aus der Aufstellung. Immer wieder, die Tafel war nachher total vollgekritzelt. Ich fühlte mich an diesem Tag nach meiner Verletzung einfach noch nicht fit genug, aber dann redeten auch die Spieler auf mich ein, und ich ließ mich breitschlagen.
Ein Fehler?
Es war das Ligaspiel gegen Nottingham Forest. Nach fünf Minuten kam ein langer Ball, ich sprang hoch, und mein Gegenspieler trat mir mit den Stollen voran in den Oberkörper. Das Nächste, woran ich mich wieder erinnern kann, ist, dass ich im Krankenhaus mit einer Lungenembolie aufwachte. Zu dem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht, aber es war das Ende meiner aktiven Laufbahn.
War die zweite Liga härter als die Premier League?
In Fulham spielten wir klassisches „Kick and Rush“, das war für mich als Stürmer insgesamt belastender, weil ich mich ständig mit diesen langen Schlächtern aus der gegnerischen Abwehr im Luftkampf befand. Da gab es immer wieder Schläge in den Nacken, ich hatte einige Probleme mit den Halswirbeln. Ich erinnere mich noch gut an einen Zweikampf, als mir ein Gegner von hinten mit gestrecktem Bein in die Achillessehne fuhr. In Deutschland hätte es Dunkelrot dafür gegeben.
Aber?
Der Schiedsrichter schoss heran, bückte sich zu mir runter und sagte: „Karl, come on, be tough!“
Wie war der Umgang der Spieler mit den Referees?
Wesentlich rustikaler. Was der Schiri sich auf der Insel alles anhören muss, wäre bei uns undenkbar. Da ist „Arschloch“ noch eine der leichteren Beleidigungen, die ein Unparteiischer erträgt, ohne Karten zu zücken.
Karl-Heinz Riedle, warum haben Sie später Ihre Trainerkarriere nicht fortgesetzt?
Ich hatte auch genug von dem unsteten Leben. Ein Jahr hier, ein Jahr da, das reichte mir. Und außerdem hat man als Spieler einfach das schönste Leben. Man trainiert und hat danach Ruhe. Aber in den Wochen als Trainer fing nach der Session die Arbeit erst an. Agenten kamen zu mir und wollten mir Spieler andrehen. Dieses Telefonieren und Planen! Spieler haben dauernd irgendwelche Fragen oder Probleme. Nein, die drei Monate als Spielertrainer in Fulham haben wirklich gereicht.