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Hier spricht Karl-Heinz Riedle über seine Zeit in Eng­land. Dieses Inter­view erschien erstmal 2012 im 11FREUNDE Spe­zial Die Geschichte des bri­ti­schen Fuß­balls“. Hier im Shop erhält­lich.

Karl-Heinz Riedle, was klingt Ihnen in den Ohren, wenn Sie sich an die Anfield Road erin­nern?
You’ll Never Walk Alone“ natür­lich.

Das die Liver­pool-Fans seit Jahr­zehnten vor jedem Heim­spiel singen.
Beson­ders emo­tional war es, wenn ich an die tra­di­tio­nelle Gedenk­ver­an­stal­tung für die Opfer der Hills­bo­rough-­Ka­ta­strophe im April 1989 denke. Wir Spieler kamen aus den Kata­komben, die Steh­tri­büne The Kop“ war mit 8000 Zuschauern voll, und das ganze Sta­dion sang. Da kamen einem unwei­ger­lich die Tränen, selbst wenn man, wie ich, nicht direkt mit der Geschichte in Shef­field zu tun hatte.

Mit wel­chen Emp­fin­dungen wech­selten Sie 1997 von Borussia Dort­mund zum FC Liver­pool?
Für mich ging ein Kind­heits­traum in Erfül­lung. Kenny Dalg­lish, Graeme Souness, Kevin Keegan, Ian Rush – das waren Helden meiner Jugend. Das Rot des Klubs hatte für mich seit jeher eine magi­sche Anzie­hungs­kraft.

Hatten Sie keine Sorgen, dass es für einen Deut­schen schwer werden könnte?
Die Sorge wurde beim ersten Pub-Besuch aus­ge­räumt. Ich wollte mit einem Freund in den Tagen der Ver­trags­un­ter­zeich­nung was trinken gehen. Wir standen an einem Tisch, da kam ein Eng­länder daher, stellte uns zwei Bier hin und wir waren im Gespräch: Wo kommt ihr her? Was macht ihr hier?“ Der kannte mich über­haupt nicht. Da wusste ich: Hier bist du richtig!“

Und auch der Klub erfüllte Ihre Erwar­tungen?
Peter Robinson war damals noch Sport­di­rektor. Ein Edel­mann in jeder Hin­sicht. Die Ver­trags­ge­spräche fanden in seinem kleinen Büro statt. Alles in Rot gehalten, mit Holz ver­kleidet und mit schweren Leder­mö­beln ein­ge­richtet. Wie alle Ver­ant­wort­li­chen begeg­nete er mir mit großem Respekt auf­grund meiner sport­li­chen Erfolge, er kannte alle Details meiner Kar­riere.

Bayern-Boss Uli Hoeneß schlen­derte früher an der Säbener Straße regel­mäßig am Trai­nings­platz herum.
Das hat Peter Robinson nie gemacht. Er kam zu Spielen, die er sich mit Prä­si­dent David Moore und ein paar Freunden oben vom President’s Room aus anschaute. Wäh­rend einer Ver­let­zung habe ich aller­dings mal erlebt, wie es dort abging, wäh­rend wir unten kickten. Da standen diese distin­gu­ierten Herren in ihren teuren Maß­an­zügen und fluchten wie die Hafen­ar­beiter.

Der nord­eng­li­sche Dia­lekt ist für Deut­sche sicher nicht leicht zu ver­stehen.
Da sagen Sie was! In den ersten Trai­nings­ein­heiten ver­stand ich nur Kau­der­welsch, der in regel­mä­ßigen Abständen von dem Wort Fuck“ unter­bro­chen wurde. Roy Evans, unser Trainer, sprach in einem sol­chen Tempo im Scouser-Dia­lekt, dass ich ständig nach­fragen musste. Seit der Schule hatte ich ja kaum Eng­lisch gespro­chen.

Wie waren Sie als in die Jahre gekom­mener Welt­meister aus Deutsch­land in der Mann­schaft gelitten?
Das Team war im Umbruch. Mit Paul Ince kam ein wei­terer erfah­rener Spieler von Inter Mai­land, es gab ein paar ältere Nor­weger, und zudem hatten wir die männ­li­chen Spice Girls“ – Robby Fowler, Michael Owen, Steve Mc Manaman, Steven Ger­rard und Jamie Red­knapp, die zur ersten Mann­schaft stießen. Die hatten rie­sigen Respekt vor uns.

War es in Eng­land noch üblich, dass die Jungen den Oldies die Tasche nach­trugen?
Die A‑Jugendlichen putzten unsere Schuhe. Michael Owen hat meine in den ersten Wochen noch für mich gesäu­bert. Als er dann fest bei den Profis war, musste er es aber nicht mehr machen.

Michael Bal­lack musste bei seinem Ein­stand beim FC Chelsea ein Lied auf Deutsch singen: Du ent­schul­dige, i kenn di“ von Peter Cor­ne­lius. Wie war das bei Ihnen?
Die Story erzähle ich nicht, das gab nachher einen Rie­sen­skandal.

Dann sollten Sie es aber erzählen.
Also gut. In Liver­pool war es Tra­di­tion, das Ein­stands­lied nicht am Anfang, son­dern bei der sagen­um­wo­benen Christmas Party“ zu singen. Ich habe mir also an Weih­nachten eine Leder­hose ange­zogen und irgendein Lied in dieser Rich­tung, was weiß ich, Zieht den Bayern die Leder­hosen aus“ oder so, ange­stimmt.

Sie können sich nicht mehr erin­nern?
Was daran liegt, dass mein Vor­trag offenbar so schlecht war, dass schon nach zehn Sekunden zahl­lose Bier­gläser über meinem Kopf aus­ge­leert wurden. Die Taufe setzte meinem Gesang ein Ende.

Aber das war noch kein Skandal.
Nein, nein. Mehr habe ich mir an dem Abend auch nicht zuschulden kommen lassen. Das Pro­blem war, dass die ganze Mann­schaft später in einer Bar lan­dete, wo wirk­lich für alles gesorgt war: Alkohol, gute Laune und auch ein paar leicht beklei­dete Damen. Da waren viele von uns schon jen­seits von Gut und Böse. Und in der Beglei­tung der Damen war auch ein Typ, der die ganze Sze­nerie mit einer Kamera filmte und die Auf­nahmen später an die Bou­le­vard­zei­tung News of the World“ ver­kaufte. Danach gab es diese legen­dären Christmas Partys“ in Liver­pool nie wieder.