Eigentlich ist es die Zeit der Spekulationen im Profifußball, Gerüchte über Neuzugänge, Abtrünnige und Ablösesummen schießen üblicherweise in den Wochen vor dem Saisonstart ins Kraut. Der St. Galler Säntispark präsentiert sich dagegen als nahezu spekulationsfreie Zone. Die wenigen Journalisten, die sich vor dem Trainingsquartier des 1. FC Nürnberg in der Mittagssonne die Füße platt stehen, müssen auf Außenstehende Mitleid erregend wirken. Keine neuen Namen werden gehandelt, keine Abgänge verkündet, die Nachrichtenlage ist mehr als mau.
Aber dann schleicht Martin Bader, der Club-Sportdirektor und nach Michael A. Roths Abschied vom Präsidentenamt das Gesicht des 1. FC Nürnberg, doch auffallend oft mit seinem Handy um das Mannschaftshotel. Englische Wortfetzen sind zu hören. Wie aus dem Nichts taucht ein Gerücht auf: Ein norwegischer Teenager namens Havard Nordtveit könnte die Abwehr des Aufsteigers verstärken, so lautet schließlich die Nachricht des Tages – immerhin.
Personalplanung abgeschlossen
Als wenig später ein gut gelaunter Martin Bader am Tisch Platz nimmt und sein i‑Phone endlich schweigt, spricht er von »gespielter Betriebsamkeit« und schmunzelt. Die Personalplanung, lässt der 41-Jährige wissen, ist beim Club abgeschlossen. Es sei denn, eine schwere Verletzung des einen oder anderen Spielers mache es doch noch notwendig, auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Ansonsten will man bis auf wenige Ausnahmen auf die Aufstiegshelden setzen. Der von Leverkusen ausgeliehene Stefan Reinartz kehrt zu Bayer zurück, und Dominik Reinhardt wird wiederum an den FC Augsburg ausgeliehen.
Zwei Talente aus dem Juniorenteam des VfL Bochum (Güngör Kaya und Tomasz Welnicki), die Nürnbergs Trainer Michael Oenning aus seiner Zeit als Jugendcoach beim Revierklub nennt, und Thomas Broich, der vom 1. FC Köln kam – mehr hat der 1. FC Nürnberg an Neuzugängen bislang nicht zu bieten, es sei denn man zählt Rückkehrer Angelos Charisteas, die Leihgabe an Bayer Leverkusen, noch dazu. »Wir haben 2008 nach dem Abstieg zuerst im Sommer 14 und dann im Winter nochmals fünf neue Spieler geholt«, erklärt Bader. »Der Aggregat-Zustand der Mannschaft war komplett verändert worden.« Ihn erneut zu modifizieren, würde zuviel Unruhe ins Team und in den Verein bringen. »Und«, fügt der Sportdirektor hinzu, »wir wollen auch ein Zeichen setzen.« Jenes nämlich, dass »die Jungs unser volles Vertrauen genießen«.
Es waren Spieler wie Dennis Diekmeier (19) oder Dominic Maroh (22), die wesentlich Anteil daran hatten, dass der Club aus den Niederungen der 2. Liga klammheimlich in der Tabelle nach oben kletterte und plötzlich um den Aufstieg spielen durfte. Der Jugendstil brachte den Erfolg, auch wenn Bader daran erinnert, dass bei den Relegationsspielen gegen Cottbus acht »Etablierte« aufliefen.
Das Konzept, junge, hungrige Talente ins Team einzubauen, wird weiterverfolgt. Auch weil es zum Trainer passt. Michael Oenning, der zu Beginn seiner Trainerlaufbahn unter anderem im Nachwuchsbereich des DFB arbeitete und ein abgeschlossenes Lehramtsstudium vorweisen kann, weiß mit Jungprofis umzugehen. »Aber«, betont Bader, »Michael hat in der vergangenen Saison auch erfahrene Spieler, die in der Wäsche hingen, wieder an ihre alte Leistungsstärke herangeführt.« Marek Mintal, Raphael Schäfer, Angelo Charisteas und Peer Kluge – das sind die älteren Herren, die die Power und Dynamik der Jungen in geordnete Bahnen lenken sollen, damit sie nicht verpufft.
Hier könnte ein nachhaltiges Projekt entstehen
Die Club-Euphorie im Frankenland ist jedenfalls riesig. 28000 Dauerkarten wurden verkauft – das ist Vereinsrekord. Die an Niederschläge gewöhnte Anhängerschaft scheint wieder einmal das Gefühl zu haben, hier könnte ein nachhaltiges Projekt entstehen. Das dachte man aber auch schon vor zwei Jahren, als der Rekordabsteiger des deutschen Profi-Fußballs unter Hans Meyer nicht nur den dritten Klassenerhalt in Folge feierte, sondern sogar als Pokalsieger in den Uefa-Cup einzog – und am Ende der Bundesliga-Saison abstieg.
»Der Club is a Depp«, hieß es wieder. Abwehrspieler Andreas Wolf hat noch eine andere Erklärung für den Absturz in die 2. Liga vor 14 Monaten. »Es hat im Team nicht gepasst«, stellt der Kapitän nüchtern fest, auch wenn damals der Kader von den Namen her besser bestückt gewesen sei als heute. »Jetzt sind wir eine Mannschaft.« Die leidgeprüften Clubberer hoffen, dass das mehr als nur ein Gerücht ist.