Weil er keine Lust mehr auf Länderspiel-Abstellungen hat, will Neapels Präsident De Laurentiis keine Afrikaner mehr verpflichten. Der Konflikt zwischen europäischem und afrikanischem Fußball wird daran einmal mehr deutlich.
Als Sadio Mané den entscheidenden Elfmeter in die vom Schützen aus linke Ecke platziert hatte, dürfte die Last eines ganzen Landes von seinen Schultern gewichen sein. Nur, um sie Augenblicke später gegen das Gewicht seiner übrigen Mannschaftskollegen einzutauschen. Ägypten war durch diesen letzten Schuss im Finale des Afrika-Cups 2022 in Yaoundé mit 4:2 nach Elfmeterschießen geschlagen, der Senegal durfte sich zum ersten Mal die Krone des Kontinents aufsetzen und Manés Mannschaftskollegen begruben den Stürmer unter ihren Körpern. Doch so gelöst wie nach dem Sieg war die Stimmung nicht immer. Denn im Vorfeld hatte es die üblichen Diskussionen um den Zeitpunkt des Turniers gegeben. Stars wie Mané, Mohammed Salah oder BVB-Stürmer Sebastien Haller, damals noch für Ajax Amsterdam am Ball, mussten sich in den Wochen vor Beginn des Turniers in Kamerun mit der öffentlichen Debatte um ihre Teilnahme auseinandersetzen. Denn Liverpool, Ajax und Co wollten nur äußerst ungern im Januar, mitten in der Saison, auf ihre Stars verzichten.
Sechs Monate sind seit Manés Elfer vergangen. Und die kommende Ausgabe des Africa Cup of Nations, wie der Wettbewerb offiziell heißt, wirft schon jetzt seine Schatten voraus. Ursprünglich sollte das Turnier im Sommer 2023 stattfinden, sehr zur Freude der europäischen Ligen, von denen sich die meisten dann in der Sommerpause befinden. Zuletzt mussten manche regelmäßig zig Spieler zu ihren jeweiligen Nationalmannschaften abstellen. Damit sollte vorerst Schluss sein. Doch Anfang Juli verlegte der afrikanische Verband Caf das Turnier in den Winter 2024 – wegen klimatischen Bedenken. „Wir wollen nicht das Risiko eingehen, ein Turnier in einer Sintflut abzuhalten. Das wäre nicht gut für den afrikanischen Fußball und dessen Image“, hatte Verbandspräsident Patrice Motsepe die Entscheidung begründet. Denn im Gastgeberland Elfenbeinküste herrscht im Sommer Regenzeit. So begründet die Erklärung aus Sicht der Caf auch sein mochte, in Europa löste sie wenig überraschend keine Begeisterung aus. Mehr noch: Mit Aurelio de Laurentiis, Präsident der SSC Neapel, kündigte nun der erste Verantwortliche ernsthafte Konsequenzen an.
De Laurentiis, neben seiner Tätigkeit als Präsident eigentlich Filmproduzent, kündigte an, keine afrikanischen Spieler mehr verpflichten zu wollen. „Es sei denn, sie unterzeichnen eine Vereinbarung, um auf die Teilnahme am Afrika-Cup zu verzichten“, sagte De Laurentiis auf einer Pressekonferenz. „Wir sind die Idioten, die Gehälter zahlen, nur um die Spieler in die ganze Welt zu schicken, damit sie für andere spielen“, fügte Napolis Vereinsboss hinzu, der als impulsive Persönlichkeit gilt. 2011 stürmte er schimpfend aus einer Livesendung im italienischen TV zur Auslosung des Ligaspielplans seiner SSC, weil sie ihm nicht passte: „Ich schäme mich, Italiener zu sein“, zeterte er damals.
Aktuell stehen mit Andre Zambo-Anguissa (Kamerun), Adam Ounas (Algerien) und Victor Osimhen (Nigeria) drei afrikanische Nationalspieler in Kampanien unter Vertrag. Dass de Laurentiis’ Aussagen auch für sie Folgen haben wird, ist unwahrscheinlich. Denn klar ist: Die Fifa sieht eine Abstellungspflicht für solche Fälle vor: Spätestens zwei Wochen vor Turnierbeginn müssen Vereine in der Regel ihre Spieler freigeben. Doch bei aller Cholerik des neapolitanischen Patriarchen: Mit der Kritik an der Austragung des Afrika-Cups im Winter steht De Laurentiis nicht alleine da. Das zeigte die Debatte im Vorfeld der Ausgabe im Januar dieses Jahres.
Mit Jürgen Klopp bemängelte dabei eine besonders wortgewichtige Stimme den Zeitpunkt der Austragung. Zuerst musste sich Klopp wochenlang rechtfertigen, weil er die Endrunde in Kamerun gewohnt salopp als „kleines Turnier“ bezeichnete, das seine drei afrikanischen Spieler Mané, Salah und Naby Keita zu absolvieren hätten. Kein Respekt vor dem Turnier und den afrikanischen Menschen, lautete der anschließende Vorwurf. Aussagen wie die der Arsenal-Legende lan Wright, die Berichterstattung über den Cup zeige „rassistische Tendenzen“, heizten die Debatte zusätzlich an. Worauf Klopp eigentlich hinaus wollte: Er musste einen ganzen Monat auf seine Stars verzichten.
Gleiches droht Liverpool, Neapel und anderen Klubs im Winter 2024 nun erneut. Vielleicht ist Klopp vor diesem Hintergrund sogar ganz froh über den Abgang von Sadio Mané zum FC Bayern. Die Fifa scheint derweil wenig gewillt, dem afrikanischen Verband mit Zugeständnissen an die Europäer auf den Schlips zu treten. Schließlich kann die Caf mit 54 Stimmen (die Uefa hat 53) bei der Wahl des Fifa-Präsidenten großen Einfluss ausüben. Und so wird es wohl auch im Winter 2024 wieder zu heißen Diskussionen zwischen Vereinen in Europa, afrikanischen Spielern und der Caf kommen. Der Fußballweltverband ist als Vermittler gefragt. Im zurückliegenden Januar war übrigens die französische Ligue 1 mit 43 Abstellungen am meisten betroffen, die Bundesliga musste nur auf 16 Spieler verzichten. Doch allen voran der FC Liverpool mit seinen beiden Flügel-Stars im Endspiel dürfte sich benachteiligt gefühlt haben. Wie wichtig und emotional hingegen für Mané die Teilnahme am Turnier mit abschließendem Titelgewinn war, machte er nach seinem entscheidenden Elfmeter deutlich: „Es ist der beste Tag meines Lebens, ich denke, es ist die wichtigste Trophäe meines Lebens.“
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