Chantal Hoppe spielte Bundesliga, beendete ihre Karriere aufgrund von Depressionen, wechselte auf die Trainerbank und baute die Mädchen- und Frauenabteilung bei Tennis Borussia Berlin auf. Zuletzt gründete sie die Female Football Academy mit. Gespräch mit einer Frau, die den Fußball verändern will.
Mit zehn angefangen, Fußball zu spielen, mit sechzehn standen Sie in der Bundesliga – wer hat sie so stark gefördert?
Vor allem die jeweiligen Trainer, ganz klar. Meine Eltern wussten überhaupt nicht, was Sache ist. Und auch ich wusste das nicht! Als der Anruf von der Berlin-Auswahl kam, fragten meine Eltern erst einmal, was das überhaupt sei. Aber sie haben mich unterstützt, sich immer umgehört und mit Trainern gesprochen, weil ich immer mehr wollte.
So kam es mit sechzehn zum Wechsel zu Tennis Borussia Berlin in die Bundesliga. Wie war das in so einem jungen Alter?
Überfordernd! Auf der einen Seite war es total toll, aber ich war nun einmal erst sechzehn, war im Abitur – und alle anderen waren deutlich älter. Das kannte ich zwar aus der Jugend, weil ich auch bei Lichterfelde zusätzlich mit der zwei Altersklassen höheren Mannschaft trainiert habe. Aber Bundesliga war dennoch etwas komplett anderes. Mein allererstes Spiel werde ich nie vergessen. In der Jugend war ich sehr ballverliebt. In den ersten Spielen bin ich dann sehr viel geflogen, weil ich mich sehr spät vom Ball getrennt habe. Die ersten Monate waren sehr hart und lehrreich. Aber es hat trotzdem viel Spaß gemacht.
Im Folgenden geht es um Depressionen und Suizid. Wenn Ihnen diese Themen zu nahe gehen, überspringen Sie diesen Abschnitt und wechseln zur nächsten Seite. Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, finden Sie Hilfe bei der Telefonseelsorge unter der kostenlosen Hotline 0800 – 1110111 oder 0800 – 1110222. Die Berater:innen dort konnten schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen.
Trotzdem beendeten Sie Ihre aktive Karriere recht früh.
Mein ganzes Fußballleben war geprägt von Verletzungen. Im Nachhinein ist mir klar: Es kam viel über den Kopf. Mit 21 musste ich wegen Leistungssportdepressionen aufhören. Ich habe immer gedacht, ich hätte Fehler und müsste noch mehr an mir arbeiten. So etwas wie mentales Training gab es damals überhaupt noch nicht. So habe ich mich immer wieder herankämpfen müssen, und gerade, als ich wieder auf der Höhe war, gab es die nächste Verletzung. Das nagt am Kopf.
Gab es für Sie einen Moment, in dem Sie wussten: Jetzt ist Feierabend?
Das hat sich langsam eingeschlichen, ich habe es nicht gemerkt. Zum Schluss hatte ich leider Trainer, die sehr viel dazu beigetragen haben, wie es mir ging. Trainer, die mir gegenüber standen und gesagt haben: „Wir können dich persönlich nicht leiden, also spielst du nicht.“ Es gab Angebote von anderen Vereinen, aber ich dachte, dann würde ich ja aufgeben. Dass das nicht der Fall ist, sondern dass man einfach irgendwann sagen muss:„Jetzt ist gut“, wusste ich damals nicht. Ich war siebzehn, achtzehn! Dann ist Robert Enke gestorben. Als ich das gehört habe und dachte: „Das ist eigentlich ein ganz guter Ausweg, den er da gewählt hat“, wusste ich: Hier stimmt was nicht! Dann gab es drei Selbstmordversuche. Da war sehr schnell klar, weiter geht es nicht.
Sie haben sich Hilfe gesucht?
Ich wurde gezwungen, mir Hilfe zu suchen. Ein Jahr lang habe ich nur im Bett gelegen, musste Sprechen und Essen neu lernen, ich habe gar nichts mehr auf die Reihe bekommen. Als die Tabletten irgendwann wirkten, habe ich wieder angefangen, Fußball zu spielen, direkt wieder zweite Liga. Ich habe aber schnell gemerkt: Das ist mental nicht mehr möglich, das möchte ich nicht.
Deshalb auch der Punkt der mentalen Gesundheit in der Akademie.
Genau. Ich finde, Depressionen sollten kein Tabuthema sein. Deshalb gehe ich damit extrem offen um. Das muss man aus der Schublade holen.