Fußballer können zukünftig für rüde Foulspiele mit Verletzungsfolgen zivilrechtlich haftbar gemacht werden. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Die Folge: Auf deutschen Amateurplätzen wird sich die Gesprächskultur verändern. Schade.
Kreisliga ist Krieg. Im Laufe der Zeit lernt der Hobbykicker in den Niederungen der deutschen Fußballligen die verschiedensten Typen kennen. Den Jähzornigen, den Choleriker, den Eier-Kneifer, den Faust-in-den-Bauch-Rammer, den Ellenbogen-Checker oder den Sprung-Grätscher, den Schienbein-Treter, den Pöbler, den Kratzer, den Kopfnuss-Andeuter oder den Kopfnuss-Verteiler. Es geht um viel. Um die Verteidigung des neunten Platzes in der Kreisliga A Schleswig zum Beispiel. Und vor allem darum, dass es einen Ort geben muss, wo Mensch noch Tier sein darf.
„Jungs, wir müssen Montag alle wieder zur Arbeit!“
Gut, dass es in jeder Mannschaft zumeist einen Spieler der sachlichen Sorte gibt: den Beschwichtiger. Der Beschwichtiger steht meist etwas abseits vom Geschehen und schreit nach rüden Fouls oder heftigen Verbalattacken gerne Weisheiten quer übers Feld. Zum Beispiel: „Mal langsam mit den jungen Pferden!“ Oder: „Ruhig, Dicker!“ Sein Lieblingssatz lautet allerdings: „Jungs, wir müssen Montag alle wieder zur Arbeit!“ Danach wird gelacht, denn Rollo und Knut und Günni haben gar keine Arbeit.
Manchmal allerdings verhallen selbst die Worte des Beschwichtigers. So etwa im April 2010. Damals erlitt ein Spieler in der Dortmunder Kreisliga A3 nach einem groben Foulspiel eine so schwere Knieverletzung, dass er am Montag nicht mehr zur Arbeit gehen konnte. Er musste in der Folge sogar seinen Beruf als Maler aufgeben. Der Gefoulte forderte daraufhin Schadensersatz und Schmerzensgeld von seinem Gegenspieler.
Die Geburt des Drohers
Das Oberlandesgericht Hamm hat ihm nun, zwei Jahre später, Recht gegeben. „Mangels Fahrlässigkeit“ hafte ein Fußballer zwar nicht, wenn er seinen Gegenspieler „bei regelgerechter und dem Fairnessgebot entsprechender Spielweise verletze“. Im vorliegenden Fall aber „hafte der Beklagte, weil er unter Verstoß gegen die DFB-Fußballregel Nr. 12 rücksichtslos gehandelt habe“. Er habe „den zur Verletzung des Klägers führenden Zweikampf ohne jede Rücksicht auf die Gefahr und die Folgen seines Einsteigens für den Gegner geführt“. So steht es in der Urteilsverkündung.
Das Urteil könnte dazu beitragen, die Lage in den unteren Ligen zu beruhigen. Zuletzt streikten sogar Schiedsrichter in Darmstädter Kreisliga, weil sie die Gewaltexzesse auf dem Platz nicht mehr beruhigen konnten. Im Jahr 2011 gab es einen ähnlichen Streik auf Berliner Amateurplätzen. Das Urteil könnte natürlich auch eine Prozesswelle nach sich ziehen. Und die ewige Frage: War das wirklich Vorsatz? Die Zeit wird zeigen, was folgt. Eines ist allerdings sicher: Mit dem Urteil ist eine Kreisliga-Spezies vom Aussterben bedroht. Der Beschwichtiger wird fortan ersetzt von einem neuen Typus: dem Droher. Seine Worte lauten nicht mehr: „Jungs, wir müssen Montag wieder zur Arbeit!“ Sie lauten: „Du bekommst am Montag Post vom Anwalt!“ Das ist irgendwie traurig, denn der „Montag-zur-Arbeit“-Satz gehörte jahrzehntelang zum vermutlich beliebtesten Vokabular auf Amateurplätzen, dicht gefolgt von „Den hätte meine Oma ________ gemacht!“ (bitte einfügen: „mit links“, „mit dem Hinterkopf“ oder „mit verbundenen Augen“). Immerhin: Kreisliga bleibt Krieg. Fortan allerdings: Papierkrieg.