Exakt vor 50 Jahren spielte Tasmania Berlin gegen Borussia Mönchengladbach vor nur 827 Fans – Bundesliga-Minusrekord. Hans-Günter Becker traute sich kaum, ins Publikum zu schauen. Der Tasmania-Kapitän erinnert sich.
Hans-Günter Becker, ein englischer Fußballhistoriker hat mal gesagt: „Fußball ohne Zuschauer ist nur ein Kick von 22 Kurzbehosten im Park.“ Würden Sie das unterschreiben?
(Lacht.) Ja, das würde ich unterschreiben.
Ich spiele auf die Partie gegen Gladbach am 15. Januar 1966 an – vor nur 827 Zuschauern. Wie war das Gefühl, als Sie beim Einlaufen die leeren Ränge in dem großen Olympiastadion gesehen haben?
Frustrierend. Ich habe mich kaum getraut, ins Publikum zu schauen. Die Resonanz macht viel aus. Sie peitscht dich nach vorne oder drückt dich nieder. In dem Falle drückt sie dich nieder, weil man sich sagt, dass sich keiner für dich oder die Mannschaft interessiert.
Haben Sie trotzdem Verständnis, dass so wenige kamen?
Ohne Weiteres. Der Zuschauer will Spektakel, er will Mannschaften auf Augenhöhe und möglichst ein gutes Spiel sehen. Aber bei der Saison, die wir gespielt haben, haben viele gesagt: „Da gehe ich nicht hin, die verlieren ja sowieso.“
Wie hat die Mannschaft den überschaubaren Zulauf wahrgenommen?
Wir haben das mit Humor genommen, wie wir in dieser Saison vieles mit Humor nehmen mussten. Man kann ja nicht verzweifeln. Wir mussten nun mal spielen. Als wir aus der Kabine gekommen sind, haben wir uns gesagt: “Die Zuschauer werden sich ärgern, die zu Hause geblieben sind.“
Das war womöglich tatsächlich der Fall. Das Spiel endete 0:0. Wie liefen die 90 Minuten?
Das Unentschieden war glücklich. Günter Netzer hat nach dem Spiel gesagt, wir konnten machen, was wir wollten, es fiel einfach kein Tor. Es lag zentimeterhoch Schnee, Gladbach konnte seine technischen Fähigkeiten nicht ausspielen und wir haben eben gekämpft.
Kam denn überhaupt Stimmung auf den Rängen auf?
Kaum. Es gab nur sehr wenige Anfeuerungsrufe.
Auch Schmähungen?
Nein. Die Zuschauer haben uns nicht negativ beeinflusst oder Witze gemacht, dass wir so schlecht sind.
Hat Sie das Gefühl beschlichen, dass es ein Freundschaftsspiel sein könnte?
Nein. Wir haben uns vor jedem Spiel gesagt, dass noch nichts verloren ist und es noch 0:0 steht. Wir wollten uns auch gegen Gladbach nicht abschlachten lassen.
Kam denn wenigstens nach dem Spiel Stimmung auf?
Sicher. Da war schon was los in der Kabine. Vielleicht nicht, wie wenn man eine Meisterschaft gefeiert hätte, aber wir haben uns gesagt: „Es ist doch noch etwas möglich.“ Das gibt natürlich ein bisschen Auftrieb. Aber im nächsten Spiel war Borussia Dortmund gewarnt, hat uns ernst genommen und uns 3:1 geschlagen.