Heute ist Welttag des Radios. Seine ganze Wucht entfaltete das Medium am am 29. Mai 1999. Hier gibt es das O‑Ton-Protokoll zum legendären Abstiegsfinale.
29. Mai 1999. Vor dem letzten Spieltag der Saison 1998/99 können noch fünf Mannschaften absteigen: Nürnberg, Stuttgart, Freiburg, Rostock und Eintracht Frankfurt. Nürnberg auf Platz 12 hat die besten Chancen, Frankfurt auf Rang 16 die schlechtesten. Jedenfalls auf dem Papier.
Stuttgart führt gegen Bremen schnell mit 1:0, das Spiel ist vorzeitig entschieden. Frankfurt, Rostock, Freiburg und der 1. Nürnberg kämpfen weiter um den Klassenerhalt. Die letzte Viertelstunde dieses Spieltags wird zu einem Drama. Die ARD-Radiokonferenz hat die entscheidenden Partien mit folgenden Kommentatoren besetzt:
VfL Bochum – Hansa Rostock: Manni Breuckmann
Eintracht Frankfurt – 1. FC Kaiserslautern: Dirk Schmitt
1. FC Nürnberg – SC Freiburg: Günther Koch
Die letzten Minuten in Schrift und Wort…
Günther Koch, warnend
„Harmlos, gelähmt, unsicher, nervös, mit wackligen Knien. Der FC Wackelknie, der FC Nürnberg, die Clubberer, ja was ist denn, wo denn, da muss man doch kämpfen, wenn es gegen den Abstieg geht, und der Sportclub, frei, locker, der FC Lockerburg spielt hier, muss sich nicht einmal anstrengen. Es gab einen Schuss der Clubberer – es sei geklagt, es sei gesagt – von Ciric in der 60. Minute, nach tollem Einsatz von Kuka, aber: Richard Golz hat den Ball festgehalten.“
Manni Breuckmann, brüllt plötzlich
„Tooor in Bochum! Tooor in Bochum! 2:1‑Führung für den VfL Bochum. Ein Freistoß. Ich glaube, es ist Peter Peschel gewesen. Wir sind in der 73. Minute. Und es kann sein, dass sich jetzt allmählich das Schicksal von Hansa Rostock zum Schlechten wendet. Denn nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge ist Hansa Rostock draußen. Wir geben weiter nach Frankfurt.“
Dirk Schmitt, selig
„…und hier liegt sich wirklich alles in den Armen. Rechts von mir die gesamte Polit-Prominenz. Petra Roth liegt Roland Koch in den Armen. Aus Gründen des Parteiproporzes sei auch Hans Eichel, der Bundesfinanzminister, genannt, der sitzt direkt davor. Der hat zwar Petra Roth nicht umarmt, sich aber nicht minder gefreut.… Freistoß für die Eintracht, die es jetzt natürlich ganz ruhig angehen lässt, die natürlich weiß, wie es auf den anderen Plätzen und vor allem beim VfL Bochum steht. Und es ist immer wieder faszinierend, wenn man die Reaktionen in einem Stadion sieht, obgleich überhaupt nichts passiert. Aber es wird halt Radio gehört.“
Koch, kopfnickend, innerlich gebrochen
„Radio, Radio, Radio, das schnellste Medium der Welt. Aber sie tun mir leid, die Rostocker, wenn es dabei bleiben sollte, haben wir keinen Verein mehr in der Bundesliga aus dem Osten. Hansa Rostock, im Moment um 17.05 Uhr in der zweiten Liga. Darüber kann man sich, darüber darf man sich nicht freuen. Im Moment in Nürnberg der Spielstand 0:2, gebanntes Hören an den Radios, aber nichts zu sehen von den Clubberern. Wo bleibt eure Ehre, was habt ihr eurem Publikum zu bieten. Kämpfen, kämpfen heißt es. Sie wackeln mit den Knien und sie haben keine Chance und Freiburg hält das 2:0.“
Breuckmann, schon wieder unterbrechend
„Tor in Bochum. Tor Tooor in Bochum. Ausgleich für Rostock. Agali hat es gemacht. Und es ist die 77. Spielminute. Hansa Rostock bäumt sich noch einmal auf. Obwohl auch dieses Unentschieden nach den Spielständen, die wir kennen, nichts nützt. Aber die Hoffnung für die Ostseestädter ist noch nicht vorbei. Und dieses Spiel ist noch nicht gelaufen.“
Schmitt, heiser
„Tor in Frankfurt. Tor in Frankfurt. 3:1 für die Eintracht. Von der linken Seite dringt Marko Gebhardt in den Strafraum ein und so als habe es die ersten 30 Spiele dieser Saison nicht gegeben, schießt dann Marko Gebhardt aus einem ganz spitzen Winkel mit dem linken Fuß den Rall unter die Latte. Es heißt 3:1 und jetzt müsste wenigstens die Eintracht hier im Waldstadion den Sieg nach Hause schaukeln. Bitte Bochum.“
Breuckmann, gehetzt
„Jetzt kommt es darauf an. Sollte Hansa jetzt noch ein Tor machen, wäre Rostock nicht im Keller, wäre Rostock nicht unten. Alles werden sie jetzt daran setzen in den letzten elf Minuten noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren. Weiter jetzt mal mit Günther Koch in Nürnberg.“
Koch, abgründig (#1)
„Freiburg hat es in der Hand, die Bundesliga zu entscheiden, wenn Freiburg noch einen Treffer macht, denn die Clubberer werden keinen machen, so wie es aussieht, dann ist Frankfurt drin und der Club draußen. Nur noch zehn Zentimeter bestenfalls steht der Club vor dem Abgrund…“
Schmitt, leise aus dem Off
„…Tor in Frankfurt, Günther Koch, Tor in Frankfurt!“
Koch, begreift langsam die drohende Gefahr
„…der Club liegt hinten mit 0:2 gegen Freiburg, das ist Alibi-Fußball – wer hat geschrien?“
Schmitt, jetzt aber
„Tor in Frankfurt. 4:1 für die Eintracht. Bernd Schneider macht den Treffer, Günther, und was heißt das? Das heißt, dass Frankfurt jetzt eine Tordifferenz von minus elf hat wie Nürnberg, aber die Emtracht hat mehr Tore erzielt, und nach meiner Rechnung – und ich bin kein großer Mathematiker – ist damit der FC Nürnberg wieder in noch größere Abstiegsgefahr geraten. Also das ist kein Zweikampf mehr, das ist jetzt ein glasharter Dreikampf.“