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Raphael Hen­rique Mar­tins, Sie haben ein Fuß­ball­team gegründet: Die Meninos Bons de Bola“. Was ist das beson­dere an Ihrem Team?
Unsere Mann­schaft besteht nur aus trans­se­xu­ellen Män­nern.

…also Män­nern, die bei ihrer Geburt dem weib­li­chen Geschlecht zuge­ordnet wurden, sich aber männ­lich fühlen: Männer sind.
Genau, unser Team besteht aus­schließ­lich aus Trans­se­xu­ellen, aber die vari­ieren in ihrer sexu­ellen Ori­en­tie­rungen: Wir haben schwule Trans-Männer, genauso wie hete­ro­se­xu­elle, bise­xu­elle und vieles mehr. Damit sind wir die erste Mann­schaft in Bra­si­lien und welt­weit, die nur aus Trans­se­xu­ellen besteht. Aber unser Ziel ist es, einmal eine ganze Trans-Liga auf­zu­bauen.

Warum haben Sie sich 2016 dazu ent­schlossen, das Team zu gründen?
Das war nachdem ich dreimal Opfer von sexu­ellem Miss­brauch geworden war und einen Selbst­mord­ver­such hinter mir hatte. Dar­aufhin erklärte mir meine Psy­cho­the­ra­peutin, dass ich mir etwas suchen solle, was mir Halt geben kann. Etwas, das mir wichtig ist, was mir gut gefällt. Ich dachte sofort ans Fuß­ball­spielen, weil das schon immer etwas war, was ich gerne gemacht habe.

Wie ging es weiter?
Nach einer Podi­ums­dis­kus­sion zu dem Thema habe ich das Team dann tat­säch­lich gegründet, denn nach dieser Ver­an­stal­tung hatte ich genug Anfragen, um wirk­lich zu spielen. Am Anfang hatten die Meninos Bons de Bola“ vier Mit­glieder, heute spielen bei uns 30 Jungs.

Wie begegnen andere Bra­si­lianer ihrem Team?
Am Anfang haben wir viel Trans-Feind­lich­keit erlitten. Heute hat sich das sta­bi­li­siert, die Leute unter­stützen uns mitt­ler­weile mehr, als dass sie uns angreifen. Das ist für uns sehr wichtig.

Wie ist die Stel­lung von trans­se­xu­ellen Men­schen in der bra­si­lia­ni­schen Gesell­schaft?
In Bra­si­lien werden welt­weit die meisten Trans-Men­schen ermordet. Obwohl es einige Gesetze und Ver­ord­nungen gibt, die uns eigent­lich schützen sollen, werden wir Opfer von Angriffen und unsere Rechte werden immer wieder ver­letzt.

Wie sieht das genau aus?
Noch immer gibt es viele Vor­ur­teile in der ganzen Gesell­schaft, selbst bei anderen Teilen der LGBT-Gemein­schaft. Denn oft kämpfen die benach­tei­ligten Gruppen für ihre Rechte nicht zusammen, son­dern jeder für sich selbst. Und des­halb erleben wir auch von dieser Seite oft Gewalt und Streit gegen­über unserem Team.

Hat sich seit ihrer Grün­dung etwas ver­än­dert?
Vieles hat sich geän­dert, ein­schließ­lich unseres Selbst­ver­trauens auf die Straße zu gehen, uns selbst zu behaupten und das zu tun, was wir wollen. Was geblieben ist, ist die Zunei­gung und die Gewiss­heit, mit der wir alle Mit­spieler bei uns auf­nehmen.

In wel­cher Liga spielen Sie?
Momentan spielen wir in keiner Liga. Wir wollen in der nächsten Aus­gabe der Gay Games“ mit­spielen. Unser Ziel ist es außerdem, Spenden oder Spon­soren zu gene­rieren, um unsere fuß­bal­le­ri­sche Ent­wick­lung vor­an­zu­treiben. Außerdem haben wir den Traum, ein Pro­jekt zu starten: Wir wollen einen Ort für trans­se­xu­elle Männer schaffen, die von zu Hause raus­ge­schmissen wurden. Unsere Idee ist es, diese Männer auf­zu­nehmen, aus­zu­bilden und auf ihre Selbst­stän­dig­keit vor­zu­be­reiten.

Geht Ihnen bei Ihrem Fuß­ball­team mehr um Politik als um Sport?
Unser Team bringt Kunst und Akti­vismus auf die Bolz­plätze. Unsere Körper sind ja ohnehin schon poli­tisch.

Werden Sie vom bra­si­lia­ni­schen Ver­band unter­stützt?
Wir erhalten keine Unter­stüt­zung vom Fuß­ball­ver­band aus São Paulo oder irgend­wel­chen Spon­soren, des­halb ist es umso schwie­riger, den Men­schen zu helfen und den großen gesell­schaft­li­chen Vor­ur­teilen etwas ent­gegen zu setzten. Es ist sehr schwierig jemanden zu finden, der uns spon­sern will, damit wir Fuß­ball spielen können – also das machen können, was wir lieben. Aktuell bekommen wir kein Geld, des­halb legen wir zusammen, um die Mate­ria­lien zu kaufen, die wir brau­chen.

Wie hat Ihre Familie reagiert, als sie ihnen gesagt haben, sie seien trans­se­xuell?
Meine Mutter und mein jün­gerer Bruder haben mich immer unter­stützt. Trotzdem war es für sie am Anfang schwer mich zu ver­stehen, später begannen sie mir ein wenig mit meiner eigenen Unsi­cher­heit zu helfen. Bevor meine Mutter starb, wählte sie noch meinen Namen: Raphael.

Viele, auch in Deutsch­land, würden sagen, dass Sie und ihr Team etwas beson­deres“ sind. Fühlen Sie sich denn beson­ders“ oder anders“ als andere?
Wenn ich anderen von meiner Geschichte und dem Team, das nur aus trans­se­xu­ellen Män­nern besteht, erzähle, wirkt das für viele Men­schen seltsam oder anders, aber wir sind genauso wie alle anderen auch: Wir essen, trinken, gehen aus, ver­ab­reden uns. Also, nein, wir sind nicht anders.