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Seite 2: „Ich wollte klarmachen, was ich von den Menschen in Deutschland erwarte“

Gibt es eine Person, die Sie sofort mit dem VfL Bochum ver­binden?
Die inten­sivste Zeit hatte ich unter Chris­tian Brit­scho, der mein U17-Trainer war. Ich war im jün­geren Jahr­gang und unsere Truppe hat eine über­ra­gende Saison gespielt. Als kom­pletter Außen­seiter sind wir West­fa­len­po­kal­sieger geworden. Das war das geilste Jahr! Sebas­tian Brune, der Tor­wart und Tim Kosien, der rechter Ver­tei­diger spielte, zählen noch immer zu meinen besten Freunden. Mit Tim habe ich dann auch in Bochum in einer WG gewohnt, als meine Pro­fi­kar­riere begann. 

Worauf freuen Sie sich bei Ihrer Rück­kehr beson­ders?
Auf die Leute. Auf den Sta­di­ongang. Von der Kabine geht es durch die Kata­komben zum Platz, kurz davor trennen sich die Wege der Mann­schaften. Man läuft links und rechts die kleinen engen Beton­treppen hoch, sieht die ersten Men­schen, sobald man nach oben blickt, schaut in das helle Flut­licht und hört die Ein­lauf­musik.

Kleiner Test. Wenn wir singen würden – keine Sorge, wir singen nicht – aber wenn wir singen würden: Tief im Westen, wo die Sonne ver­staubt…“. 
(summt.) Ist es besser, viel besser als man glau-ubt“. Das ist doch zu ein­fach! Bochum – Grö­ne­meyer. Die Platte läuft bei mir ja fast jeden Tag zuhause. (lacht.)

Her­bert Grö­ne­meyer, der den Text im Ori­ginal singt, wurde kürz­lich ange­feindet, weil er sich bei einem Kon­zert gegen Rechts­extre­mismus aus­sprach.
Sie sagten im Mai, nach ras­sis­ti­schen Vor­fällen beim Län­der­spiel in Wolfs­burg, einen Satz, der zum Fuß­ball­spruch des Jahres nomi­niert war. 
Kurz bevor ich zur Pres­se­kon­fe­renz gehen musste, habe ich dieses Video (um dieses Video geht es, d. Red.) gesehen. Ich saß noch in meinem Zimmer, und ich war ehr­lich geschockt davon. Ich bin nor­ma­ler­weise nicht leicht aus der Fas­sung zu bringen, aber das hat mich getroffen und ich habe ange­fangen zu über­legen. Wann ich selbst mit Ras­sismus in Kon­takt gekommen bin. Wie es meinen Team­kol­legen gehen muss. Und so bin ich zu dem Satz gekommen. 

Sie sagten: Ich bin ein Kind des Ruhr­ge­biets. Da ant­wortet man auf die Frage nach der Natio­na­lität mit Schalke, Dort­mund oder Bochum.“
Und ich habe diesen Satz nicht gesagt, um für einen Preis nomi­niert zu werden. Ich wollte klar­ma­chen, was ich von den Men­schen in Deutsch­land erwarte. In meinem Alltag stand das Zusam­men­leben ver­schie­dener Kul­turen immer im Vor­der­grund. Auf meiner Schule lag der Aus­län­der­an­teil bei 80 Pro­zent, aber das war nie ein Thema – und das war gut so. Unsere Frage war immer nur: Von wem bist du Fan? 

Wie fielen die Reak­tionen inner­halb der Mann­schaft aus?
Nach der Pres­se­kon­fe­renz habe ich viele Reak­tionen erhalten. Hut ab!“, hieß es von einigen. Und spe­ziell Leroy, zu dem ich als Schalker ja ein spe­zi­elles Ver­hältnis habe, der auf die gleiche Schule in Wat­ten­scheid gegangen ist, hat sich extrem gefreut, dass ich klare Kante zeige. Wir müssen aktiv sein, wir dürfen nicht weg­hören, wir müssen Ras­sisten mit dem Gesagten kon­fron­tieren. 

Diese klare Kante ließ die Mann­schaft neun Monate zuvor bei der WM und im Fall von Mesut Özil ver­missen. Müssen Sie sich das im Nach­hinein vor­werfen lassen?
So ein Tur­nier ist natür­lich ein spe­zi­eller Fall. Aber es ist völlig berech­tigt, dass wir dar­über jetzt spre­chen. Wir waren nicht kon­se­quent genug. Aber man darf auch nicht ver­gessen, dass wir in erster Linie Fuß­baller sind. Es ist zu viel ver­langt, von jedem Natio­nal­spieler zu erwarten, dass er die Rolle eines Poli­ti­kers über­nehmen kann. Natür­lich, wir müssen unserer Vor­bild­rolle gerecht werden. Aber wir werden in erster Linie auch daran gemessen, ob wir erfolg­reich auf dem Platz sind.

Es heißt, dass sich viele Spieler im WM-Quar­tier auch nicht bewusst waren, wie groß dieses Thema wäh­rend des Tur­niers wurde.
Das meine ich. Teil­weise war Ein­zelnen nicht klar genug, wie groß Themen in der Öffent­lich­keit sind oder werden können. Und ja, es ist richtig, inner­halb der Mann­schaft war das Thema wäh­rend der WM nicht allzu prä­sent.