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Martin Piecken­hagen, Sie haben zwi­schen 2005 und 2010 fünf Jahre lang für Almelo in der hol­län­di­schen Ehren­di­vison gespielt. Sie müssen es doch wissen: Welche Rolle spielt bei den Hol­län­dern die Riva­lität mit den Deut­schen?

Martin Piecken­hagen: Es hängt viel davon ab, wie weit west­lich man im Land ist. Je weiter man von der deut­schen Grenze weg ist, um so größer wird diese Riva­lität und die Anti­pa­thie gegen die Deut­schen. Almelo, der Verein bei dem ich gespielt habe, liegt im Osten und wenn wir bei­spiels­weise nach Rot­terdam fuhren, wurde das schon etwas extremer. Nicht, dass ich schlimme Erfah­rungen gemacht hätte, aber es war ein anderes Gefühl.

Ist die Nie­der­lage im WM-Finale 1974 immer noch ein Thema?

Martin Piecken­hagen: Bei der heu­tigen Spieler-Gene­ra­tion spielt das 74er-End­spiel keine Rolle mehr. Aber in den Fan­gruppen werden die alten Kli­schees gepflegt. Da wird die Spuck-Attacke von Frank Rij­kaard gegen Rudi Völler aus dem legen­dären Ach­tel­fi­nale bei der WM 1990 immer wieder gerne gezeigt.

Auch Ronald Koeman, wie er sich nach dem Halb­fi­nale bei der EM 1988 mit Olaf Thons Trikot demons­trativ den Hin­tern abwischte?

Martin Piecken­hagen: Das sind eben so kleine Necke­reien, die den Fuß­ball auch aus­ma­chen. Da wird die Nor­ma­lität eben mal durch­bro­chen, das ist doch das Schöne am Fuß­ball.

Gehört das also dazu?

Martin Piecken­hagen: In einem gewissen Rahmen, ja. Anspu­cken geht natür­lich nicht. Aber Koemans Aktion fand ich jetzt nicht so tra­gisch.

Wel­chen Kli­schees begegnet man noch?

Martin Piecken­hagen: Die Deut­schen haben das Image, dass sie nie auf­geben und man gegen sie selbst nach 90 Minuten und einer 2:0‑Führung noch nicht gewonnen hat, weil sie bis zum Schluss­pfiff weiter kämpfen. Umge­kehrt sagt man natür­lich, dass die Hol­länder zwar schön spielen aber nie erfolg­reich sind und gegen die Deut­schen immer ver­lieren. Wir haben uns schon immer gerne gegen­seitig auf die Schippe genommen.

Heute spielt die deut­sche Natio­nal­mann­schaft einen tech­nisch anspruchs­vollen Fuß­ball. Wird das in Hol­land aner­kannt?

Martin Piecken­hagen: Gerade weil es jah­re­lang anders war, nimmt man das zur Kenntnis. Zunächst mit Jürgen Klins­mann und jetzt unter Jogi Löw ist das spie­le­ri­sche Niveau sehr ange­stiegen. Da hat man auf­ge­schlossen zu den Hol­län­dern, viel­leicht hat man sie sogar über­holt.

Die Hol­länder haben gerade bei der letzten Welt­meis­ter­schaft spie­le­risch nicht bril­liert. Spielen sie jetzt den deut­schen“ Fuß­ball?

Martin Piecken­hagen: Allein durchs Schön­spielen gewinnt man eben keine Tur­niere – das hat man auch in Hol­land erkannt. Heute gibt es hier Spieler wie Mark van Bommel oder Dirk Kuyt, die bis zum Umfallen rackern. Keine Ball­tänzer, son­dern knall­harte Arbeiter. Und die Deut­schen haben wie­derum gemerkt, dass nur durch stumpfen Kampf im heu­tigen Fuß­ball eben­falls kein Blu­men­topf mehr zu gewinnen ist.

Haben sich also beide Fuß­ball-Nationen gegen­seitig zum Vor­bild genommen?

Martin Piecken­hagen: Ich glaube schon. Im deut­schen Fuß­ball hat man immer nach Hol­land geguckt, auf diese tech­nisch bril­lanten Mann­schaften. Und in Hol­land wurde bewun­dert, dass die Deut­schen trotz der schlech­teren Ein­zel­spieler, Mann­schaften hatten, die als Team Erfolg hatten.

Eine Fach­frage an den Ex-Tor­hüter Piecken­hagen: In Deutsch­land ist man davon über­zeugt, die besten Tor­hüter zu haben. Wie sehen Sie den Ver­gleich auf dieser Posi­tion?

Martin Piecken­hagen: Da ist absolut etwas dran. In Hol­land hat man früher viel Wert darauf gelegt, dass die Tor­hüter fuß­bal­le­risch stark sind. Die waren über­durch­schnitt­lich gut, was das Fuß­bal­le­ri­sche betrifft, haben dabei aber ver­gessen, dass man als Tor­wart in erster Linie die Hände benutzen muss. Deutsch­land hatte immer Top-Tor­hüter. Aber es wurde lange ver­säumt, das Tor­wart­spiel zu moder­ni­sieren. Timo Hil­de­brandt war der Erste, der ver­sucht hat, auch mal mit­zu­ki­cken. Heute sind René Adler oder Manuel Neuer auch fuß­bal­le­risch sehr stark. Aller­dings gibt es in Deutsch­land erst seit Sommer 2011 eine Tor­wart­trai­ner­li­zenz, vorher durfte jeder ohne jeg­liche Grund­lage Tor­wart­trainer werden. In Hol­land gibt es diese Lizenz Tor­wart­trai­ner­schein schon länger.

Wie erklären Sie sich, dass so viele hol­län­di­sche Profis in der Bun­des­liga spielen, aber wenige deut­sche Profis nach Hol­land gehen?

Martin Piecken­hagen: Ganz ein­fach: In Hol­land gibt es weniger zu ver­dienen. Der Stel­len­wert des Fuß­balls ist nicht so hoch wie in Deutsch­land. Da kommt erst Eis­schnell­lauf, dann kommt Dart­spielen und dann irgend­wann kommt Fuß­ball. Jahr für Jahr werden weniger Fern­seh­gelder bezahlt. In Deutsch­land kann man als Fuß­baller viel besser ver­dienen.

Ori­en­tieren sich die Hol­länder eigent­lich eher an der deut­schen Bun­des­liga oder der eng­li­schen Pre­mier League?

Martin Piecken­hagen: Mitt­ler­weile sowohl als auch. Seit Khalid Bou­lah­rouz oder Rafael van der Vaart beim Ham­burger SV gespielt haben, wird der deut­sche Fuß­ball mehr beachtet. Die starken Auf­tritte der Natio­nal­mann­schaft haben dafür gesorgt, dass die Bun­des­liga gegen­wärtig einen viel bes­seren Ruf hat, als noch vor zehn Jahren.

Was erwarten Sie für das Spiel Deutsch­land gegen Hol­land?

Martin Piecken­hagen: Die Spieler kennen sich ja fast alle, viele spielen in den Ver­einen zusammen und werden des­halb nicht über­trieben hart zur Sache gehen. Daher wird das ein tech­nisch hoch­wer­tiges Spiel, aber keine Schlacht werden. Und am Ende gewinnen ja eh immer wir Deut­schen…