Mit dem neuen Sportdirektor Jens Todt ist der Karlsruher SC ordentlich aus den Zweitliga-Startlöchern gekommen. Im Interview spricht der ehemalige Nationalspieler über den Standort Wildpark und Träume von der ersten Liga.
Jens Todt, sechs Spieltage, neun Punkte, Tabellenplatz fünf. Die Saison hätte für den Aufsteiger Karlsruher SC wahrlich schlechter beginnen können.
Absolut! Wenn uns vor neun Wochen jemand gesagt hätte, dass wir diese Bilanz nach sechs Spieltagen mit nur einer Niederlage haben, hätte wohl sofort jeder unterschrieben. Und gejubelt.
Keine Spur der Verwunderung über den ordentlichen Auftakt?
Nein, überhaupt nicht. Die Mannschaft hat von Anfang an einen guten Eindruck gemacht. Schon in der Vorbereitung hatte ich das Gefühl, dass sie in sich sehr stabil ist, ein gut funktionierendes Grundgerüst besitzt und eine gute Mentalität hat.
Ist es nur die Euphorie, die Stabilität und die Mentalität?
Vor der vergangenen Saison wurde das Team fast komplett ausgetauscht – 20 neue Spieler kamen zum KSC. Diese Truppe hat sich gefunden und das spürt man. Die haben schon direkt zu Beginn der Drittliga-Saison eine schwere Phase durchschritten, als es nicht gut lief. Dann haben sich die Jungs zusammengerauft und sind zusammengewachsen. Das ist unser großes Plus. Außerdem sind wir ein sehr unangenehmer Gegner, sind sehr schwer zu bespielen. Wir spüren, dass die Gegner Respekt vor uns haben.
Kurz vor Ende der Transferperiode sind Sie noch einmal tätig geworden und haben den 19-jährigen Südkoreaner Jung-Bin Park in den Wildpark geholt.
Eigentlich hatten wir nicht vor in dieser Transferperiode noch einmal aktiv zu werden. Das Team funktioniert ja. Aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, so ein Top-Talent zu verpflichten und das mit allen Rechten für drei Jahre, dann mussten wir einfach zuschlagen. Der Transfer bietet eine gewisse Chance und ist keinesfalls hektischer Aktionismus. Wir geben Jung-Bin alle Zeit, dann kann er eine Bereicherung für das Team sein.
Ist das die Philosophie von Jens Todt und dem KSC? Gemeinsam auf die Jungen zu setzen, zumal der Geldbeutel des Vereins eh keine großen Namen zulässt?
Ja, natürlich. Unser Drei-Sterne-Leistungszentrum ist in Anbetracht unserer finanziellen Mittel beileibe nicht selbstverständlich. Wir wollen eigene Talente weiterentwickeln und an die erste Mannschaft ranführen, das ist eines der Ziele. Und da hat der KSC in den vergangenen fünf Jahren auch schon exzellente Ergebnisse erzielt – auch im bundesweiten Vergleich. Das Primärziel ist aber ein Anderes.
Und welches?
Wir wollen in einigen Jahren wieder größere Chancen haben als derzeit, in die erste Liga aufzusteigen. Ein Traditionsverein wie der KSC muss dieses Ziel immer haben. Andererseits bin ich auch kein Träumer. Unser Etat ist derzeit und bis auf weiteres unterdurchschnittlich für die zweite Liga, und es ist selten vorgekommen, dass mit solch begrenzten Mitteln je ein Verein schon mal aufgestiegen ist. Aber unmöglich ist es auch nicht.
Aufsteigen am und mit dem Stadionstandort Wildpark?
Warum nicht! Trotzdem haben wir mit diesem Stadion einen krassen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz. Es ist zwar keine Ruine, aber es bröckelt überall. Bei Heimspielen belächeln uns schon mal manche Gäste-Kollegen und sagen: „Wie sieht es denn hier aus! Wann passiert denn endlich mal was?“
Und, wann passiert endlich mal was?
Wir haben alle das gute Gefühl, dass die Entscheidungsfindung in der Stadtverwaltung langsam auf die Zielgerade geht und egal welche Lösung kommt: Wenn es ein neues Stadion gibt, ist uns sehr geholfen. Das ist elementar und alternativlos, wenn der KSC dauerhaft im Profigeschäft wettbewerbsfähig werden soll. Beim „Wo“ sind wir offen, wichtig ist der Neubau. Beim Standort Wildpark gibt es allerdings noch einige wichtige Fragen, die geklärt werden müssen, damit der Verein nicht finanziell am Stadionbau zu Grunde geht.
Zwei Wochen nach Ihrem vorzeitigen Ende als Sportvorstand beim VfL Bochum wurde der Sportdirektorposten beim SC Freiburg frei. Sie kennen den Verein aus Ihrer aktiven Zeit. Haben Sie mit der Stelle geliebäugelt?
Nein, das habe ich nicht. Ich liebäugle mit gar nichts. Ich habe in Bochum zwei Jahre lang Krisenmanagement der heftigeren Art gehabt. Anschließend habe ich mich ein paar Wochen erholt und mich dann total über die Anfrage des KSC gefreut. Das was in Freiburg passiert, beobachte ich seit Jahren aus der Entfernung. Ich halte außerdem viel von Jochen Saier und Clemens Hartenbach, den beiden Kollegen in Freiburg.
Zusammen mit Christian Streich und dem gesamten Verein haben sie in der vergangenen Saison sehenswerten Fußball geboten und sich mit der Teilnahme an der Europa League belohnt. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Freiburger?
Die Leistung ist bombastisch. Den SC in einen internationalen Wettbewerb zu führen, ist heute noch viel schwieriger als damals, vor 20 Jahren. Denn der Unterschied in der finanziellen Ausstattung zwischen den Vereinen, die regelmäßig international spielen wollen und müssen, und Vereinen wie dem SC Freiburg, ist in den vergangenen 15 Jahren noch einmal deutlich größer geworden. Ich freue mich uneingeschränkt für den SC, aber meine Konzentration gilt natürlich dem KSC. Das ist hier zwar keine leichte, aber eine sehr reizvolle Aufgabe.
Wo Sie ein ähnliches Krisenmanagement der heftigeren Art leisten müssen wie beim VfL Bochum?
Der KSC hat mit dem Abstieg in die 3. Liga und dem anschließenden Kraftakt Wiederaufstieg noch härtere Jahre hinter sich als der VfL Bochum. Die Talsohle scheint aber durchschritten, und ein Abstieg kann ja auch bereinigend wirken. Derzeit ist die Stimmung in der Stadt super. Es herrscht eine gewisse Aufbruchsstimmung. Ein zartes Pflänzchen vielleicht, aber das werden wir hegen und pflegen.