Hertha BSC steht momentan auf einem Champions-League-Platz. Von großer Euphorie ist in Berlin trotzdem nicht zu spüren. Oder, Michael Preetz?
Michael Preetz, in der vergangenen Saison schrammte die Hertha nur knapp an der Relegation vorbei, jetzt liegt Ihr Team auf Platz vier. Haben Sie eine Erklärung für diesen steilen Aufwärtstrend?
Dafür gibt es nicht nur eine, sondern eine ganze Handvoll von Erklärungen. Wir hatten uns bei der Analyse der vergangenen Saison gefragt: Wie wollen wir Fußball spielen und mit welchem Personal? Anschließend mussten wir dem einen oder anderen Spieler sagen, dass wir nicht mehr mit ihm planen. Die freigewordenen finanziellen Spielräume konnten wir gut nutzen. Wir verpflichteten vier neue Spieler, die uns aus dem Stand heraus sofort geholfen haben und überhaupt keine Anlaufschwierigkeiten hatten – was in der vergangenen Saison nicht so geklappt hat.
Dazu kam noch ein gelungener Start mit einem Auswärtserfolg in Augsburg…
Und einem Sieg im DFB-Pokal gegen Bielefeld. Nachdem das Finale seit 1985 in Berlin ausgetragen wird, herrscht in der Stadt die tiefe Sehnsucht, das Endspiel mal zu erreichen. Dabei hat es fast schon Tradition, dass wir nicht über die 2. Runde hinauskommen – 2014 sind wir eben in Bielefeld ausgeschieden. Deshalb war der Pokal-Sieg gegen die Arminia sehr wichtig fürs Selbstvertrauen. Die Stimmung war bleiern nach der vergangenen Saison, an deren Ende wir den Klassenerhalt nur dank der besseren Tordifferenz geschafft hatten.
Die Hertha spielt in dieser Saison nicht nur erfolgreicher, sondern auch ansehnlicher Fußball. War das ein Wunsch der Klubführung an den Trainer Pal Dardai, der die Mannschaft im Februar von Jos Luhukay übernommen hatte?
Es war schon so, dass wir mehr Ballbesitz haben wollten. Höher verteidigen, mehr Torchancen erarbeiten, mehr Torgefahr ausstrahlen – das waren dann auch die Schwerpunkte, neben der athletischen Arbeit, in der Saisonvorbereitung. Mit Vladimir Darida haben wir die zentrale Figur gefunden, die uns gefehlt hat.
Trotz des klaren Aufwärtstrends scheint aber noch keine echte Fußball-Euphorie in Berlin ausgebrochen zu sein.
Woran macht man Euphorie fest? Ich habe schon den Eindruck, dass die Berliner Anteil an der positiven Entwicklung nehmen.
Mehr Zuschauer kommen deswegen aber nicht zu den Heimspielen…
Der Schnitt liegt bei rund 50.000 Zuschauern – das ist eine Zahl, für die man sich nicht zu schämen braucht. Aber wir spielen in einem Stadion, in das 75.000 Menschen passen, da bleiben bei 50.000 Besuchern immer noch viele Plätze frei. Das ist etwas, das wir verbessern wollen. Aber die Voraussetzungen sind anders als in Gelsenkirchen oder Dortmund, wo der Fußball mangels Alternative quasi Religion ist. Das Veranstaltungsangebot in Berlin ist einfach riesig.
Mit Blick auf London, Paris oder Madrid führt Berlin ein Fußball-Aschenputtel-Dasein unter den europäischen Hauptstädten. Nervt Sie der Vergleich?
PSG oder Chelsea – man muss ja sich nur den Weg ansehen, der dorthin geführt hat. Wir haben diese finanziellen Möglichkeiten nicht, machen uns aber sicherlich Gedanken, wie wir neue Einnahmequellen erschließen können. Unser Ziel muss es zunächst sein, den Verein in der Bundesliga zu etablieren – und in einem zweiten Schritt den Abstand zu den Spitzenteams zu verkürzen, um mittelfristig dauerhaft um die internationalen Plätze kämpfen zu können. Wir sind uns bewusst, dass wir der Hauptstadtklub sind.
1999 spielte die Hertha in der Champions League – mit Ihnen als Stürmer. Warum konnte daraus kein Kapital geschlagen werden?
Wir haben nur einmal den Sprung in die Champions League geschafft, danach jahrelang nicht mehr. Das Problem ist, man braucht für die Teilnahme an den internationalen Wettbewerben einen breiteren Kader und muss dann schauen, wie man diesen in den Folgejahren finanziert.
War der Abstieg der Hertha 2010 eine Folge dieser Konstellation?
Der Abstieg hatte sicherlich auch mit der wirtschaftlichen Situation zu tun. Nach dem sofortigen Wiederaufstieg folgte 2012 der nochmalige Abstieg, was mit weiteren finanziellen Einbußen verbunden war. Inzwischen habe wir aber die wirtschaftliche Talsohle durchschritten und können auf einem soliden Fundament aufbauen. Aber es ist schwierig sich in der Bundesliga zu etablieren. Der letzte Aufsteiger, der das geschafft hat, ist der FC Augsburg. Die Verantwortlichen dort machen wirklich einen super Job.