Kann man den Profifußball in seiner gegenwärtigen Form noch unterstützen? Diese Fans sagen: Nein!
Julien Goldschmidt / 25
Mit sieben Jahren saß ich vor der Glotze und sah das erste Mal den BVB spielen. Meine Mutter behauptet bis heute steif und fest: danach sei es um mich geschehen. Wir wohnten in Frankfurt/Oder, erst nach meinem Abi konnte ich es mir zeitlich und finanziell erlauben, die Spiele meines inzwischen heiß geliebten Klubs regelmäßig zu verfolgen. Es folgten zerstörerische Reisen mit meinen Jungs nach Hannover, Erfurt, Amsterdam – wo auch immer die Borussia spielte.
Die ekelhafte Scheinheiligkeit
Das war eine großartige Zeit – doch schon damals kamen mir erste Zweifel am Gesamtpaket Bundesliga und Profifußball. Dass die Eckbälle von Biermarken präsentiert werden und Spieler die Vereine wechseln wie Golfer ihre Eisen – das finde ich im Prinzip nicht verwerflich. Was mich wirklich stört, ist die Scheinheiligkeit, mit der das passiert. Da wird dann von „spannenden Projekten“ oder „Herausforderungen“ gesprochen, statt einfach zuzugeben, dass es lediglich um die Kohle geht. Diese Scheinheiligkeit spiegelt sich auch auf dem Rasen wider. Da fallen erwachsene Männer um, weil sie einen Ball abbekommen oder im gegnerischen Strafraum berührt werden. Kinder in dieser Welt sehen das beinahe wöchentlich. Was ist die Lehre, die sie daraus ziehen? Mogeln bringt mich weiter?
Es gibt noch viele weitere Beispiele, die den professionellen Fußball aus meiner Sicht so unansehnlich haben werden lassen. Eine WM in Brasilien, wo so viel Geld versumpft, statt es im Sinne des Sports einzusetzen. Turniere, die nach Russland oder Katar weitergegeben werden, wo Menschenrechte soviel Wert sind wie die Farben Blau und Weiß in Dortmund. Vereine und Verbände, die sich vor „Sky“ in den Staub werfen, weil man ja „wettbewerbsfähig“ bleiben will, um beispielsweise mit der völlig absurden Premier League mitzuhalten. Repressionen aller Art gegen Fans, teilweise ohne Sinn und Verstand. Diese Liste könnte endlos weitergehen.
Mit Marty McFly zurück zum Boss!
Manchmal hoffe ich auf echte Marty McFlys mit einer Zeitmaschine. Zurück auf ein Glas mit George Best und Denis Law. Auf eine Schicht im Kohlebau mit Aki, Lothar oder Siggi. Auf ein Jägerschnitzel mit Jürgen Sparwasser. Auf ein Bier mit dem Boss aus Essen.
Trotzdem fällt es mir schwer, auf den BVB zu verzichten. Inzwischen lebe ich im irischen County Cork und sehe die Spiele im Pub. Es sind noch immer Schwarz und Gelb, denen ich die Daumen drücke. Aber das gleiche wie früher ist es leider nicht mehr.