Sein Gelb-Rekord hielt 21 Jahre: Eisenfuß Tomasz Hajto über sein Zweikampfverhalten, die Meisterschaft der Herzen und geschmuggelte Zigaretten.
Wie haben Sie erfahren, dass das Spiel in Hamburg noch gar nicht zu Ende war?
Wir Spieler gingen in die Katakomben, um uns die Siegershirts anzuziehen – und in der Trainerkabine lief der Fernseher. Ich habe das Tor von Andersson live gesehen. Danach wurde alles Licht zu Schatten. Im Stadionbauch war die Hölle los. Wir haben die kompletten Kabinen zerlegt.
Angeblich nicht nur die Kabinen, sondern später auch die Wohnung von Ersatzkeeper Frode Grodas.
Bei der Frustparty bei Frode ging es so weiter. Flaschen wurden an der Wand zerdeppert, Tische kaputtgehauen, Stühle zerkracht. Alles war kaputt. Wir haben dann Geld gesammelt und seine Wohnung renovieren lassen. Was soll ich sagen? Auf Schalke war eben alles etwas extremer.
Wie meinen Sie das?
Allein mein erstes Training. 10 000 Fans waren da, alle wegen Andy Möller, der aus Dortmund geholt worden war. Sie haben mit Brötchen nach ihm geschmissen und mit Bierbechern. Ich dachte nur: „Leck mich am Arsch, wo bin ich denn hier gelandet?“ Aber gleichzeitig machen genau diese Emotionen den Verein aus. Die verrückten Fans, das gigantische Stadion, die Stimmung beim Derby. Denke ich an Schalke, geht mir das Herz auf.
Auch beim Gedanken an Rudi Assauer?
Total. Er war ein großer Mann, auf dessen Wort man sich verlassen konnte. Meinen Vertrag verlängerte er am Tag, nachdem ich mich schwer verletzt hatte. Mit ihm konnte ich über alles reden. Er sorgte sogar dafür, dass wir nicht mehr wie Penner draußen rauchen mussten.
Was?
Jörg Böhme, Niels Oude Kamphuis und ich haben vor dem Training immer gemütlich eine geraucht und einen Kaffee getrunken. Auf den alten Steintreppen vom Parkstadion. So lange wir gut trainierten, war es allen egal. Auch Assauer hat uns verstanden. Nach einem Jahr gingen wir zu ihm: „Herr Manager, können sie uns nicht eine Kabine organisieren, damit wir nicht mehr draußen rauchen müssen wie Penner?“ Er hat uns dann einen Raum zugeteilt und Aschenbecher hinstellen lassen.
Haben Sie auch vor Spielen geraucht?
Eigentlich nicht. Aber einmal haben wir in der Halbzeit geraucht, Jörg Böhme und ich. Jörg ging aus der Kabine, ich fragte ihn, was er vorhätte. „Ich muss eine qualmen. Komm mit!“ „Was? Wo denn? Ich rauche doch nicht in der Halbzeit.“ „In der Dopingkabine. Komm jetzt. Das Spiel läuft scheiße, wir müssen was ändern.“ Also zogen wir los. Als wir zurückkamen, stanken wir natürlich nach Rauch. Huub Stevens schaute uns an, schnupperte, winkte ab und murmelte: „Das kann doch nicht wahr sein.“ Aber er hat es uns nicht übelgenommen – und wir haben das Spiel noch gedreht.
Wenn wir schon beim Thema Rauchen sind, müssen wir zum Abschluss noch einen großen Hajto-Mythos aufklären. Haben Sie 2003 wirklich Kippen nach Deutschland geschmuggelt?
Natürlich nicht. Die Geschichte hängt mir aber bis heute nach.
Damals durchsuchte die Polizei ihr Haus, später mussten Sie angeblich eine empfindliche Geldstrafe zahlen.
Mein Nachbar in Duisburg hat Zigaretten nach Deutschland geschmuggelt und ist später auch im Knast gelandet. Aber davon hatte ich damals keinen Schimmer. Ich wusste nur: Er verkauft günstige Zigaretten. Er fragte mich am Telefon, ob ich Interesse hätte, also kaufte ich ihm 40 Stangen ab. Ich hatte keine Ahnung, dass er von der Polizei abgehört wird. Ich sagte zu ihm: „Bring mir die Kippen einfach zum Trainingsgelände.“ Dort verschenkte ich sie auf dem Parkplatz an Bekannte von mir, an Polen, denen ich vorher Bescheid gegeben hatte und von denen ich wusste, dass sie nicht viel Geld verdienten. Abends klingelte die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl. Die dachten, ich hätte den kompletten Keller voller Kippen. Aber ich hatte ja alles längst verschenkt. Strafe zahlen musste ich an den Zoll auch nur 1200 Euro – also das Geld, was denen vorher durch die Lappen gegangen war. Zu der Zeit habe ich allein 5000 Euro für Sprit im Monat ausgegeben. Vollkommener Blödsinn also, dass ich mit den Kippen Geld verdienen wollte.
Trotzdem verlangte die Staatsanwaltschaft später noch mehr Geld.
Weil behauptet wurde, ich hätte genau gewusst, was los war. Deswegen musste ich am Ende auch so eine hohe Strafe an den Staat zahlen. Heute kann ich darüber schmunzeln. Ich sage immer: Zwei Polen haben es geschafft, vor Angela Merkel in der Tagesschau aufzutauchen. Der Papst – und ich. (Lacht.)