Sein Gelb-Rekord hielt 21 Jahre: Eisenfuß Tomasz Hajto über sein Zweikampfverhalten, die Meisterschaft der Herzen und geschmuggelte Zigaretten.
1997 verpflichtete Duisburg Sie, weil Sie Seppo Eichkorn in einem Testspiel aufgefallen waren. Worin unterschied sich das Leben in Deutschland von dem, das Sie aus Polen kannten?
Alles war professioneller, die Hotels, das Training, die Ernährung. Außerdem kam das Geld pünktlich. Das war fast der größte Schock. Ich habe mir dann, wie sich das für einen jungen Profi gehört, erstmal ein brandneues Auto geholt.
Einen Ferrari!
Einen Toyota Camry. Einen größeren Wagen konnte ich mir damals gar nicht leisten. Aber vor allem die erste Fahrt war großartig.
Wieso das?
Außer der Strecke von mir zu Hause zum Training war mir alles völlig fremd. Und weil ich Angst hatte, mich zu verfahren, probierte ich den Wagen eben auf dieser Strecke aus – in einem Kreisverkehr. Ich fuhr ein und drückte aufs Gas. Und dann fuhr ich einfach noch eine Runde. Und dann noch eine. Und dann noch eine. Hat Spaß gemacht. (Lacht.)
Mit Duisburg erreichten Sie gleich im ersten Jahr das Pokalfinale.
Und hätte sich Bachirou Salou nicht verletzt, hätten wir die Bayern vielleicht sogar schlagen können. Aber auch so war das Finale eine großartige Erfahrung. In der Stadt erwarteten uns bei der Ankunft aus Berlin fast 50 000 Fans. Dummerweise habe ich das gar nicht so richtig mitbekommen – weil ich Jörg Neun stützen musste. Und selber ganz schön blau war. Was wiederum an Jörg lag.
„Auf mich hörte er zumindest ein bisschen, weil ich keinen Schiss vor ihm hatte“
Ach so?
Er hatte im Finale neunzig Minuten auf der Bank gesessen und war stinksauer. Erst zog er im Zug die Notbremse, dann machte er sich auf die Suche nach Trainer Friedhelm Funkel, weil er ihn verkloppen wollte. Irgendwann kamen die Jungs ganz verzweifelt zu mir und sagten: „Tomasz, du musst den Jörg beruhigen.“ Auf mich hörte er zumindest ein bisschen, weil ich keinen Schiss vor ihm hatte. Also habe ich auf ihn eingeredet: „Bau jetzt nicht noch größeren Mist. Du wirst schon wegen der Notbremse 100 000 Mark Strafe zahlen müssen.“ Er antwortete: „Na gut. Aber dann trinkst du mit mir.“ Also musste ich drei Stunden mit Jörg saufen.
Später gewannen Sie den Pokal gleich zweimal mit Schalke, von der ersten Siegesfeier im Jahr 2001 gibt es ein interessantes Foto. Darauf zu sehen sind Sie im alten Parkstadion – mit einer verblüffend echt aussehenden Polizeimütze auf dem Kopf …
Die sieht nicht nur verblüffend echt aus, die ist echt. Wir sind damals mit einem offenen Bus durch die Stadt gefahren, haben Veltins getrunken und Zigarren geraucht. Irgendwann hielten wir direkt neben einem Polizisten. Ich fragte ihn: „Bist du Schalke-Fan? Dann gib mir die Mütze!“ Es war eigentlich ein Spaß. Aber er hat sie mir gegeben. Die Mütze liegt bis heute bei mir zu Hause. Ein schönes Andenken. Der Sieg damals hat zumindest ein paar unserer Tränen getrocknet.
Wenige Tage vor dem Pokalfinale waren Sie für wenige Minuten Deutscher Meister. Wie denken Sie heute über die Meisterschaft der Herzen?
Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass wir es einfach nicht verdient hatten. Weil wir im Endspurt so viele Chancen ausgelassen haben. Wir verloren in Stuttgart, wir spielten in Bochum nur 1:1, obwohl wir mit fünf Toren Vorsprung hätten gewinnen müssen. Dann reicht es am Ende halt nicht, selbst wenn du Bayern zweimal in einer Saison schlägst. Brutal war das Ganze natürlich trotzdem. Wir hatten mit letzter Kraft unser Spiel gegen Unterhaching gedreht, ein Reporter behauptete, dass der HSV parallel die Bayern besiegt habe und wir Meister seien. Die Fans stürmten auf den Platz, wollten ein Stück Rasen mitnehmen, alle sangen, ich habe die Lieder noch heute im Kopf. Wir dachten, dass wir es geschafft hätten.