Wie ist es, der Sohn eines ehemaligen Weltfußballers zu sein? Timothy Weah vom OSC Lille weiß es – und hat seinen eigenen Weg gefunden, erfolgreich zu sein. Heute spielt er in der Champions League gegen den FC Chelsea. Ein Gespräch über seinen Vater, eine einzigartige Meisterschaft und die Musik.
Dieses Interview erschien erstmals im Januar 2022. Heute, am 22.2.22 feiert Tim Weah, der bei Lille die Rückennummer 22 trägt seinen 22. Geburtstag.
Timothy Weah, Sie sind der Sohn des ehemaligen Weltfußballers George Weah. War der Weg zum Fußballer aufgrund Ihrer Familiengeschichte für Sie in Stein gemeißelt?
Nein, ich hatte immer die Wahl. Aber natürlich war Fußball bei uns allgegenwärtig: Mein Vater hat gespielt, mein Bruder, meine Schwester, meine Cousins, alle haben gespielt. Deshalb war das für mich immer der Sport, zu dem ich hinwollte. Ich war ständig auf dem Fußballplatz und habe meinen Cousins beim Spielen zugeschaut. Es war also ganz natürlich für mich, mir einfach den Ball zu greifen und selbst zu kicken.
Ihr Vater ist nicht nur ehemaliger Fußballer, sondern auch Politiker und als solcher mittlerweile Präsident von Liberia. Als Sie geboren wurden, war seine fußballerische Karriere fast zu Ende, die politische begann. War er als Vater für Sie mehr Fußballer oder Politiker?
Ich war damals sehr klein und habe von dem ganzen Kram drumherum nicht wirklich viel mitbekommen. Soweit ich mich erinnere, wusste ich als Kind einfach, dass er ein Fußballer ist und ich wusste auch, dass er in die Politik geht. Aber für mich war er vor allem eines: mein Vater. Es gab mal eine Zeit, da ist meine Mutter nochmal zur Schule gegangen, um ihren Abschluss zu machen. Ich habe dann bei meinem Vater in Florida gelebt und er hat mit mir ganz normale Vater-Sachen gemacht. Wir sind an den Wochenenden weggefahren, haben nach der Schule Spiele gespielt oder waren bei McDonald’s. Ich hab ihn nie als den Fußballer oder Politiker gesehen.
Im März 2018 haben Sie Ihr Debüt im Profifußball bei Paris Saint-Germain gegeben. Hat irgendeiner von den Superstars Sie gefragt, ob Sie der Sohn des berühmten George Weah sind?
Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits fünf Jahre in der Jugend bei PSG gespielt, also hatte ich auch das Gefühl, dass alle mich bereits kannten. Es hat sich schon wie zuhause angefühlt. Es ist am Anfang natürlich überwältigend, wenn du das erste Mal mit Stars wie Neymar, Cavani, Kylian (Mbappé, Anmerkung d. Red.) und all den anderen spielst. Das hat auch die ersten paar Tage angedauert, aber nach ein oder zwei Wochen war ich Teil der Gruppe und sie haben mich mit offenen Armen aufgenommen.
„Was die Arbeitsmoral auf und neben dem Platz angeht, ist er für mich einer der besten der Welt“
Gibt es jemanden aus Ihrer Zeit bei PSG, von dem Sie sich besonders viel abgeschaut haben?
Die Fähigkeiten von allen Spielern bei PSG sind unglaublich. Aber ein Spieler, von dem ich besonders viel gelernt habe, ist Edinson Cavani. Was die Arbeitsmoral auf und neben dem Platz angeht, ist er für mich einer der besten der Welt. Bei Neymar war es so, dass er der erste war, der mich ins Team integriert hat. Ich hatte ihn bereits vorher mit der brasilianischen Nationalmannschaft getroffen und ich habe mir viel von seinem Spielstil abgeschaut.
In der Offensive können Sie mehrere Positionen spielen. Wo muss ein Trainer Sie aufstellen, um die beste Version von Tim Weah zu bekommen?
Momentan spiele ich bei Lille viel auf dem rechten Flügel. Das ist eigentlich nicht meine ideale Position, weil ich gerne nach innen ziehe, um mit meinem starken rechen Fuß abzuschließen. Wenn du auf dem rechten Flügel bist und nach innen ziehst, musst du mit links schießen. Deswegen waren meine Lieblingspositionen auch immer der linken Flügel oder die Zehn. Ich sehe mich auch nicht als Stoßstürmer. Das sind bei uns eher Burak Yilmaz und Jonathan David. Ich kann der Mannschaft auf dem Flügel einfach besser helfen, indem ich mit meinen Läufen hinter die Abwehrreihen gelange und für die beiden Stürmer auflege. Mit Jonathan David habe ich eine besonders innige Beziehung. Er ist einer meiner besten Freunde im Team. Wir verstehen uns einfach gut, die Chemie stimmt. Im Spiel schlage ich den Ball meistens in die Mitte und er steht einfach immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Seit Ihrem Profidebüt konnten Sie bereits einige Titel gewinnen. Mit PSG Sind Sie zweimal Meister geworden, dazu einmal mit Celtic Glasgow und letztes Jahr mit dem OSC Lille. War der Titel mit Lille bisher der bedeutendste?
Die Meisterschaft mit Lille war mit Sicherheit einer der besten Momente in meiner Karriere. Ich habe viel gespielt und war dadurch auch stärker involviert als in Paris. Ich schätze diesen Titel wirklich sehr. Niemand hatte uns auf dem Zettel und am Ende haben wir ein Wunder vollbracht. Es war ein fantastisches Jahr und ich bin unglaublich stolz darauf, dass ich diese Momente mit meiner Mannschaft teilen konnte.
Der Titelgewinn mit Lille markierte gleichzeitig das Ende der Vorherrschaft von Paris im französischen Fußball. Schwingt da ein Hauch von Genugtuung mit?
Nicht wirklich. Ich war immer dankbar für alles, was der Verein für mich getan hat. PSG hat mir eine Chance gegeben, die zu diesem Zeitpunkt viele andere junge Spieler gerne gehabt hätten. Jetzt bin ich bei Lille, habe hier mit meinem Team die Liga gewonnen. Das war dann jetzt einfach unser Moment. Aber PSG bleibt für mich ein toller Klub mit einer fantastischen Mannschaft.
Worin unterscheiden sich Lille und Paris?
Ich glaube, die Unterschiede sind gar nicht so groß. Natürlich sind die Städte irgendwie verschieden. Paris ist eine riesige Stadt, voller Mode und all dem Kram. Lille ist da ein bisschen entspannter. Was die Klubs angeht: Beide wollen natürlich Großes erreichen. Lille ist vielleicht noch eher in der Aufbauphase. Die Meisterschaft war deshalb ein enormer Schritt nach vorne. Paris ist natürlich bereits ein riesiger Klub ist, Lille befindet sich auf dem Weg dorthin.