Ganz Dortmund freut sich heute auf den FC Barcelona und eine tolle Atmosphäre im Stadion. Vor 21 Jahren, beim letzten Besuch der Katalanen, war das noch ganz anders.
Heute Abend wird im Westfalenstadion Geschichte geschrieben. Denn wenn der FC Barcelona gegen den BVB antritt, dann spielen die beiden Klubs, die doch schon so lange auf der europäischen Bühne tanzen, im Grunde zum ersten Mal richtig Fußball gegeneinander.
Nun mag mancher hier einwenden, dass Dortmund und Barcelona doch schon im Frühjahr 1998 zwei Spiele bestritten, bei denen es sogar um eine Trophäe ging, nämlich um den Europäischen Supercup. Doch wer das sagt, war nicht dabei. Die Duelle um den damals noch in zwei Partien ausgespielten Pokal waren aus deutscher Sicht nicht viel mehr als eine Farce, und das Rückspiel in Dortmund geriet trotz eines ordentlichen Resultats sogar zur schwarzen Nacht für die Borussia.
Zur Vorgeschichte muss man erstens wissen, dass es damals ständig Terminprobleme gab, wenn der Sieger der Champions League gegen den Gewinner des Pokals der Pokalsieger antreten sollte. In der Regel fanden die Spiele im Januar oder Februar statt, manchmal fielen sie sogar in den März und störten die Vorbereitung auf die heiße Phase der Meisterschaft oder der regulären Europapokale. Deswegen hatte man sich schon auf einen neuen Modus geeinigt: In der Zukunft würde der UEFA Super Cup nur in einer einzigen Partie entscheiden, die auf neutralem Boden und vor dem Start der neuen Saison stattfinden sollte.
Eine bizarre Regel
So waren Dortmund und Barcelona die letzten Teams, die zweimal spielen mussten. Und vor allem der Borussia passte das gar nicht in den Kram, denn der Klub hatte im Frühjahr 1998 ganz andere Probleme. Spielmacher Andreas Möller wurde mit dem neuen Trainer Nevio Scala nicht warm, Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld war gerade zum Sportdirektor aufgestiegen, da kündigte er in der Winterpause seinen Abschied an, und Torwart Stefan Klos wollte weg, durfte aber nicht. Dazu kamen eine geradezu absurde Verletztenserie, schlechte Leistungen in der Bundesliga – und eine bizarre Regel.
Persönliche Strafen im Supercup, so wollte es die UEFA, konnten Auswirkungen auf die Champions League haben, weil Gelbe Karten von einem Wettbewerb in den anderen mitgenommen wurden. Und so trat der BVB im Grunde mit einer B‑Elf zum Hinspiel in Barcelona am 8. Januar an. Neben den verletzten Matthias Sammer, Jürgen Kohler, Julio Cesar, Paulo Sousa und Heiko Herrlich fehlte auch Stefan Reuter wegen einer Gelbsperre. Um eine weitere zu vermeiden, setzte Scala seinen Regisseur Möller ebenso auf die Bank wie Torjäger Stephane Chapuisat. Stattdessen durfte der bislang Dauerverletzte René Schneider ran, während Manfred Binz Libero spielte.
Auf der Gegenseite standen Leute wie Rivaldo, Luis Figo, Michael Reiziger oder Luis Enrique. Es kam, wie es kommen musste: Klos war Dortmunds bester Spieler, und obwohl die Rumpfelf eine ordentliche Leistung ablieferte, gewann Barcelona mit 2:0. Dann mussten die Teams mehr als zwei Monate warten, weil im Terminkalender einfach kein Platz fürs Rückspiel war. Erst am 11. März stellte sich Barça in Dortmund vor – wenige Tage nach einer peinlichen 2:4‑Niederlage des BVB bei 1860 München und eine Woche vor dem dramatisch wichtigen Viertelfinale in der Champions League gegen den FC Bayern.
Nur 32.500 Fans wollten unter diesen Umständen den großen FC Barcelona sehen. (Damals passten wegen der Umbaumaßnahmen bei europäischen Spielen 48.500 Zuschauer ins Westfalenstadion.) Die ohnehin verhaltene Stimmung sank schon nach sieben Minuten auf den Gefrierpunkt, als der Brasilianer Giovanni zum 0:1 traf. Nun geriet die Partie zu so etwas wie einer Abrechnung des Publikums mit den hoch bezahlten Stars in Schwarz-Gelb.
Häme und Spott
Der „Kicker“ sprach am nächsten Tag von „ätzender Häme und beißendem Spott“ und meinte damit wohl Gesänge wie „Wir haben bezahlt, wir können jetzt gehen“ oder ein sarkastisches „Oh, wie ist das schön“ beim Halbzeitpfiff, das man aber wegen der vielen Pfiffe kaum hören konnte. Nach der Pause schallte ein besonders bissiges „Fi-na-le Oh-ho“ durchs Stadion, denn Finalstimmung kam eben nie auf, zu überlegen waren die Katalanen, die ihren Stiefel runterspielten und sich dabei selbst so einlullten, dass Jörg Heinrich auf Flanke von Harry Decheiver das 1:1 gelang.
Den Abpfiff quittierten die Fans mit einem weiteren Pfeifkonzert. Während die Spieler aus Barcelona den Pokal entgegennahmen, sagte Steffen Freund vor den Kameras des ZDF zu den boshaften Gesängen der Zuschauer: „Wir haben viele schlechte Spiele abgeliefert, deswegen müssen wir alles respektieren, was auf den Rängen passiert. Wir sind schuld an diesen Sprechchören.“
Wer an diesem deprimierenden Abend auf der Südtribüne stand, der konnte sich nicht vorstellen, dass der BVB nur sieben Tage später einen legendären Sieg über die Bayern feiern würde. Aber auch nicht, dass es mehr als 21 Jahre dauern sollte, bis die Borussia eine Chance zur Revanche gegen Barcelona bekommt – und die Fans die Gelegenheit, dem Ganzen einen würdigeren Rahmen zu verleihen als sie es damals taten.