Er hielt die große Bayern-Mannschaft der Siebziger zusammen, sein Tor gegen Atletico ist legendär. Heute wird Georg „Katsche“ Schwarzenbeck 75 Jahre alt. Hier spricht er über die goldenden Zeiten.
Dieses Interview erschien erstmals im Jahr 2011.
Georg Schwarzenbeck, Sie spielten von 1961 bis 1980 beim FC Bayern. Eine bessere Zeit konnten Sie sich wohl kaum aussuchen.
Ich muss sagen, ich bin mit meinem ganzen Fußballerleben sehr zufrieden. Das war eine sehr erfolgreiche und schöne Zeit. Und natürlich: Das muss uns erstmal eine Mannschaft nachmachen, was wir da erreicht haben.
Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an die 60er Jahre denken?
Der Aufstieg der Bayern, für mich persönlich, dass ich Profi wurde. Und wir haben noch im Grünwalder Stadion gespielt. Da waren die Stadien in der ganzen Bundesliga noch kleiner und auch noch nicht diesem Komfort, der kam dann ja erst 1972 mit dem Olympiastadion. In der ganzen Bundesliga war das noch etwas chaotisch, keine Bodenheizung, noch nicht so viele Zuschauer. Ich kann mich da an Spiele erinnern, da waren im Sechziger Stadion auf der einen Seite im Schatten pures Eis und auf der anderen Seite, wo die Sonne geschienen hat, da ist langsam der Boden aufgetaut. Schließlich wurde in dem Stadion jede Woche gespielt. Erst die Sechziger und dann wieder wir. Da stand man schon mal knöcheltief im Matsch. Das führte zu sehr Kräfte raubenden Spielen, die mitunter sicher auch nicht sonderlich schön anzusehen waren.
Wie haben Sie überhaupt diesen Wettkampf mit den Löwen erlebt? Die durften ja sofort in die Bundesliga und der FC Bayern nicht.
Gut, die waren ja auch die Nummer eins in München, Deutscher Meister, sofort aufgestiegen, hervorragende Mannschaft im Europapokal. Da waren wir klar die Nummer zwei. Aber das haben wir dann ja noch gut hinbekommen. Wir hatten dann ja die Zeit, alles schön aufzubauen. Und die Bayern haben aber auch immer wesentlich besser und kontinuierlich gewirtschaftet – daher der Erfolg…
Sie haben auch noch gegen Uwe Seeler gespielt.
Ja, bestimmt noch zwei oder drei Spielzeiten. Gleich zu Anfang sozusagen. Ein großartiger Spieler.
Hatten Sie so etwas wie einen Lieblingsgegenspieler?
Heiße Duelle hat es sehr viele gegeben. Ob das ein Klaus Fischer war, Uwe Seeler, Heynckes, Rupp oder ein Wunder in Duisburg. Aber das hat sich immer im Laufe einer Saison irgendwie ausgeglichen. Manchmal hatte ich eben die bessere Tagesform, manchmal der Gegner.
Und andersrum? Wer lag Ihnen weniger?
Ja, der Klaus Wunder aus Duisburg, der hat mir immer irgendwie Probleme bereitet. Auf den komme ich jetzt, weil wir in Duisburg meistens ganz gut angefangen haben und dann haben wir trotzdem verloren.
„Bei der Vertragsunterzeichnung war klar: Der FC Bayern will die Nummer eins sein, und mit dem Druck müsst ihr fertig werden!“
Als Sie 1966 zur Mannschaft stießen, war bereits Großes im Gange. Haben Sie das sofort gespürt?
Ja, sicher. Da waren eben schon so Spieler wie Beckenbauer, Maier und Müller. Franz und Sepp waren schon Nationalspieler und hatten gerade eine WM gespielt, und wir jungen Spieler hatten da schon eine Menge Respekt.
Und das war auch die Hackordnung im Team?
Ja, das waren ganz klar der Franz, der Gerd und der Sepp, wobei der Franz über dem Ganzen noch mal drüber gestanden hat. Ich finde so etwas auch völlig richtig, wenn Respektspersonen da sind. Erstmal von der Leistung her, da hat ja alles gestimmt. Es war ja nicht so, dass die einen großen Mund gehabt hätten und nichts dahinter, sondern die haben ja auch Leistung gebracht. Und deswegen war das auch in Ordnung so.
Viele Spieler hatten in den 60ern noch nebenbei einen Beruf. Sie auch?
Es war sogar so, dass wir dem Verein eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen mussten, mein Vater musste da noch unterschreiben, sonst hätte ich keinen Vertrag bekommen. Ich bin gelernter Buchdrucker und musste erst meine Lehre abschließen. Und mein Vater hat es auch erst dann unterschrieben, denn die finanziellen Verhältnisse waren noch nicht so, dass man dann automatisch abgesichert war mit solch einem Vertrag.
Haben Sie denn noch in ihrem Beruf gearbeitet?
Nur noch ein paar Wochen, dann ging das aber nicht mehr wegen der ganzen Trainingslager und der ständigen Mittwoch- und Samstagspiele. Da hab ich mich entscheiden müssen und da hab ich dann also nur noch Fußball gespielt.
Und vom Fußball konnten Sie da auch schon leben?
Naja, irgendwann immer besser. Anfangs hab ich eben noch zu Hause gewohnt, hab kein großes Auto gefahren, und von Vertrag zu Vertrag wurde das dann freilich besser.
Wie muss sich ein Freizeitfußballer das Profitum vorstellen? Dreht man dem Kollegen immer noch die Dusche kalt oder geht es gesitteter zu?
Nein, solche Späße gibt es da natürlich genauso. Ob im Training oder im Trainingslager, gerade der Maier Sepp, da war immer was los, und da haben wir genauso unsere Gaudi gehabt. Bei Bayern war es aber immer so, dass zuerst die Leistung stimmen musste. Da hat der Manager Schwan schon sehr drauf geachtet. Der hat klar vorgegeben: Der FC Bayern will die Nummer eins sein, und mit dem Druck müsst ihr fertig werden! Das hat er uns quasi bei der Vertragsunterzeichnung schon gesagt.
Konnte Sepp Maier als Spaßvogel jemand das Wasser reichen?
Eigentlich nicht. Das war schon meistens der, der irgendwas Verrücktes gemacht. So wie das mit der Ente oder als er sich den Ball unterm Trikot versteckt hat, als der Schiedsrichter nachgefragt hat. Ganz zu schweigen von den Späßen in der Kabine. Das waren schon fast zu viele.
Die 60er Jahre trieben auch seltsame Blüten, was Musik und Mode betrifft. Wer hatte denn in Ihrer Mannschaft den krudesten Geschmack?
Das war ganz klar der Franz. Ich hab da neulich nochmal ein Bild mit so einem Pelz gesehen. Auch der Gerd Müller, aber vor allem der Franz hat wirklich jede Mode mitgemacht. Musiktechnisch waren wir eigentlich alle gleich. Die Beatles haben wir eigentlich alle gehört.
Franz Beckenbauer nahm sogar eigene Platten auf…
Nicht nur der. Sepp Maier und Gerd Müller auch. Und Sie können mir glauben, dass die auch entsprechend gehänselt wurden. Damit haben die natürlich leben müssen. Ich selbst hatte solche Angebote zum Glück nicht.
Allüren und Eitelkeiten sagte man Ihnen ohnehin nicht gerade nach. Gab es insgesamt Neid in der Mannschaft?
Das könnte sein. Ich kann aber nur von mir ausgehen, und ich hatte überhaupt kein Problem mit bereits mehrfach genannten Spielern, die mehr im Vordergrund standen. Ich hab immer gewusst, was ich kann und was die können, und es ist nun mal ein Mannschaftssport. Jeder hat versucht beizutragen, dass es in der Mannschaft stimmt. Neid war eigentlich nicht zu spüren, weil wir eben Erfolg gehabt haben.
„Am Glas haben wir alle gut hingelangt“
Wie war überhaupt das Leben als Teil solch einer Mannschaft? Konnten Sie noch Privatmann sein? Haben die Medien genervt?
Ich hab das auch erst lernen müssen, mit den Journalisten umzugehen. Das war ja auch Neuland für mich. Aber das Schöne war, dass bereits mehrere Nationalspieler schon da waren, und die waren da doch ein bisschen mehr im Rampenlicht, und das war für mich ganz gut. Für mich war es immer das Schönste, überhaupt dabei zu sein und mitzuspielen.
Eine spaßige Zeit war es sicher auch. Gab es Dinge, die der Trainer nicht mitbekommen durfte? Zumindest Zebec galt als harter Hund.
Oh ja, beim Branko Zebec trat der Spaß doch sehr in den Hintergrund. Der war einer meiner besten Trainer, und es waren sehr erfolgreiche Zeiten, das muss ich auch sagen. Das war eine sehr gute Zeit, aber da haben wir ganz sicher nicht so viel Spaß gehabt. Wir trainierten sehr viel und waren immer sehr müde. Hat sich aber auch gelohnt, denn wir hatten wirklich eine Riesenkondition. Er hat mich ja auch erst vom linken Verteidiger in die Mitte geholt, und das war auch wirklich mein bester Platz. Wir hatten natürlich trotzdem unseren Spaß…
Und wer konnte am meisten am Glas? Jetzt können Sie es doch sagen…
Oh, da haben wir alle gut hingelangt. Wenn es einen Grund gab, gerade nach Europapokalsiegen, da hat jeder eigentlich schön gefeiert, da kann man eigentlich keinen ausnehmen.
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