Interview mit Eduard Geyer, Trainer bei Sachsen Leipzig
Eduard Geyer, wieso sind Sie in die vierte Liga zu Sachsen Leipzig gewechselt? So etwas tun sich ehemalige und erfolgreiche Profitrainer eigentlich nicht mehr an.
Als die Anfrage kam, hatte ich keine Alternativen, untätig wollte ich aber auch nicht sein. Leipzig ist eine Fußballstadt mit großer Tradition. Hier kann in den nächsten Jahren was bewegt werden – deswegen habe ich es gemacht und bin zunächst Sportdirektor geworden. Denn eigentlich, das ist schon richtig, wollte ich in der vierten Liga nicht auf der Bank sitzen – das ist ja doch ein anderes Fußballpflaster. Aber ich wurde dann irgendwann eben gebeten.
Wieso nicht gleich das Engagement als Trainer?
Ich hab mich ja 10 1/2 Jahre mit Cottbus rumgeärgert, da wollte ich es erstmal ruhiger angehen lassen. Dann kam es doch anders.
Wieso setzt der Verein nicht auf mehr Eigengewächse? Schließlich kicken die A‑Junioren erfolgreich in der Bundesliga, was für die Qualität ihrer Nachwuchsarbeit spricht. Die Youngster wären sicherlich günstiger als ein Rolf-Christel Guié-Mien und mit dem Herzen richtig bei der Sache.
Wir haben nicht so viele Talente, die in die Männermannschaft reinwachsen. Vielleicht haben wir auch ein anderes Verständnis davon, was ein Talent ist. Aber wenn ein Spieler uns überzeugt, ist es völlig egal, wie alt er ist. Es gibt nicht mehr solche Talente wie Kirsten oder Sammer.
Ihr Kader ging als Favorit in die Saison, schließlich hat der Verein einige ehemalige Profis unter Vertrag. Die Realität sieht aber anders aus.
Ich kann es heute noch nicht verstehen, wie einer aus der zweiten Bundesliga nicht in der Oberliga spielen kann. Das kann und will ich nicht verstehen.
Woran fehlt es denn?
Es fehlen schon Spieler, die ein bisschen über den Dingen stehen. Aber du brauchst eigentlich in jeder Spielerkette einen. Wir spielen viel zu brav – und das kriegt man auch nicht raus. Das ist eine Charakterfrage.
Wie stehen Sie zu einem möglichen Engagement von Red Bull?
Das würde ich auf alle Fälle begrüßen. Das ist für Stadt und Verein eine Riesenchance.
Vereinsidentität und – tradition, die auf dem Spiel stehen, zählen also nicht als Argument gegen ein Sponsoring von Red Bull? Manchmal denke ich mir, es wird zu viel auf Tradition gesetzt. Man muss heutzutage mal ein bisschen umdenken. Wenn man so eine Chance kriegt, gerade im Osten, dann muss man sie ergreifen. Aber auch wenn eine neue Ära beginnen würde, muss man ja nicht die Tradition begraben. Und wie der Verein dann auch immer heißt – es bleibt Leipzig und wir wissen, dass es in Sachsen ist.
Der Verein ist demnach gewillt, ein Stück seiner Seele zu verkaufen?
Geld ist nicht alles – aber ohne Geld kann man gar nichts machen. Gerade im Profibereich – da brauchen wir nicht zu reden.
Red Bull fordert den sofortigen Aufstieg als Bedingung für ein Engagement. Sollte es nicht klappen, wird der FC Sachsen wegen der Aufstiegssperre für Oberligisten in der kommenden Saison (Die Red.: Wegen der Einführung der 3. Bundesliga in der Saison 2008/09, bleibt Oberligisten in der Spielzeit 2007/08 der Aufstieg verwehrt) weitere Jahre in der Oberliga fristen und möglicherweise Red Bull und das Geld vergraulen.
Aufstiegssperre – so eine Entscheidung kann man nicht treffen. Also wer das veranlasst hat… Eine dritte Bundesliga, das sehe ich schon ein. Das können wir verkraften – wir sind ja ein großes Land. Aber das man ein Jahr lang nicht aufsteigen kann – das ist ein Witz. Da brauchen wir eigentlich gar nicht Fußball zu spielen.
Interview mit Co-Trainer Hans-Jörg Leitzke
Hans-Jörg Leitzke, wie wichtig ist Eduard Geyer für den Verein?
Mit so einem erfahrenen Mann im Verein kann man was bewegen. Nicht nur in der Außendarstellung, auch bei den Sponsoren.
Was hat er konkret bewegt?
Wir haben die letzten Jahre Profibedingungen in Leipzig gehabt, aber er hat mehr Professionalität in das Umfeld, in den Trainingsalltag gebracht.
Also wird in Leipzig ein neues Cottbus entstehen?
Es wird immer entscheidend sein, nichts zu kopieren. Aber auch wir müssen Erfolg haben – das ist das einzig Wichtige. Denn sonst wird sofort alles in Frage gestellt.
In dieser Saison konnte man als Fan und Sponsor recht viel in Frage stellen.
Wir müssen es schaffen, konstant zu spielen. Und das über mehrere Wochen mit der gleichen Mannschaft, die nur punktuell von Spiel zu Spiel verändert werden muss, dann ist auch noch alles möglich.
Zu Beginn der Saison waren Sie noch Cheftrainer, inzwischen sind Sie nur noch Co-Trainer.
Die Problematik war, was in den Medien passierte. Ich hab mich gefühlt wie das Wildschwein im Walde, und jeder durfte auf mich schießen. Ich konnte machen, was ich wollte – es war immer alles falsch.
Das Verhältnis zwischen ihnen und Geyer stellen sich Außenstehende schwierig vor. Schließlich wurden Sie degradiert, weil er zum Cheftrainer wurde.
Unser Verhältnis ist sehr gut. Sonst hätte er mich nicht gefragt, ob ich mit ihm weitermachen will. Und dann hätte ich mit ihm ja auch nicht weitergemacht. Unsere Vorstellungen vom Fußball sind nicht weit voneinander entfernt.
Mit dem Aufstieg wird es in dieser Saison aber nichts mehr, oder?
Wir müssen den Weg weitergehen. Da ist inzwischen auch ein Team zusammengewachsen, aber natürlich mussten sich die Neuen erstmal integrieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Neuzugänge in der Rückrunde zeigen, was sie können. Ich habe den Aufstieg noch nicht abgeschrieben.
Viele Fans befürchten, dass es nach einer Übernahme von Red Bull nicht mehr der selbe Verein sein wird. Die Fans haben Angst ihre sportliche Heimat zu verlieren.
Wir sind in einer Zeit, in der es nicht mehr darum geht, was mal war. Es geht darum, was wird. Wir als Verein sind nicht so mit Geld gesegnet, dann kommen wir gar nicht drum herum, wenn da jemand mit Geld kommt. Da müssen wir Kompromisse eingehen. Das war auch schon mit Herrn Kölmel und dem Stadion so.
Können Sie denn die Fans gar nicht verstehen? Muss wirklich alles aufgegeben werden?
Natürlich kann ich nachvollziehen, dass es einigen Fans nicht gefällt, was sich hier anbahnt. Gewisse Sachen muss man schon auch beibehalten, denke ich. Dieser Verein hat schließlich Geschichte und Fankultur. Aber man muss wohl auch vieles aufgeben.
Im Verein wirken alle euphorisch. Scheinbar wird kein Gedanke daran verschwendet, dass die zukünftige Werksmannschaft vom Leipziger Publikum nicht angenommen wird und das Stadion leer bleibt.
Es wird immer die entscheidende Frage sein: Wie schnell kann sich Sachsen Leipzig mit Red Bull entwickeln, um in den bezahlten Fußball zu kommen. So kann man auch andere Sachen ausgleichen und dann kommen auch die Zuschauer.
Wieso hat der sportliche Aufstieg nicht schon früher geklappt? Dann müsste man sich dem österreichischen Getränkehersteller und dessen Angebot vielleicht nicht beugen.
Wir haben 16 Jahre gelitten. 16 Jahre spielen wir genau noch in der Liga, in der wir angefangen haben. Wir spielen auch wegen dem ganzen Hickhack, den es in den vergangenen Jahren im Verein gab, immer noch dort. Einmal rein in die Kartoffeln, dann wieder raus aus den Kartoffeln. Der Verein hat einfach nicht seriös genug gearbeitet, um es verdient zu haben, höher zu spielen.
Interview mit Erik Fischer (25), Gründungsmitglied der Sachsen Ultras.
Erik Fischer, mit dem möglichen Engagement von Red Bull beim FC Sachsen soll ein schneller Aufstieg realisiert werden. Auf einen möglichen Identitätsverlustes des Vereins würde offensichtlich keine Rücksicht genommen. Würden Sie auf den Aufstieg verzichten, um Red Bulls Engagement abzuwenden?
Ich formuliere es mal so: Wir wollen den Aufstieg – aber ohne Red Bull.
Klingt nach romantischem Wunschdenken. Wie es aussieht, wird die Liaison zustande kommen. Dann müssen Sie die bittere Pille wohl schlucken.
Sobald Red Bull einsteigt wird unser Engagement als Ultras beendet sein, das steht fest.
Aber ins Stadion werden Sie doch trotzdem noch gehen?
Man kann das nicht einfach abschalten und geht dann nicht mehr zum Fußball. Jeder wird selbst sehen, ob er sich einen neuen Verein sucht.
Im Verein scheint nicht nur Präsident Rolf Heller Feuer und Flamme zu sein und Red Bull jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Sehen Sie in ihm ein Übel?
Einerseits kann er durch seine Erfahrung viel Positives einbringen, auf der anderen Seite kann er den Leuten durch seine Redegewandtheit die Worte auch drei Mal im Mund herumdrehen. Auf der Mitgliederversammlung konnte man das gut sehen: Da wurden irgendwelche Zahlen beschönigt, das stimmte alles gar nicht. Wenn man sich mal richtig mit der Materie auseinandersetzt merkt man erstmal: das ist ja totaler Pfeffer, was der da gerade erzählt.
Trotzdem: Auch Eduard Geyer ist begeistert.
Im Verein sind alle total abgehoben. Wenn der Geyer sagt „Wir haben Riesenspieler geholt, aber die wollte ich eigentlich gar nicht haben. Da waren andere auf der Wunschliste“ – das kann doch nicht sein.
Dann sagen Sie es uns. Wo liegt das große Problem des FC Sachsen?
Das größte Problem ist das riesige Leistungsgefälle in der Mannschaft. Die Transferpolitik war in letzter Zeit einfach nicht gut. Mit dem Geld von Red Bull wären natürlich Transfers einer anderen Güteklasse möglich.
Was Sie aber nicht wollen. Welche Möglichkeiten haben die Ultras, sich gegen den Einstieg von Red Bull zu wehren?
Wir müssen auf der Mitgliederversammlung versuchen, die Leute davon zu überzeugen, dass es nicht gut ist, wenn Red Bull einsteigt.
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Im neuen 11FREUNDE-Heft (ab jetzt im Handel): „Der Angriff der Klonkrieger“, die Geschichte der (feindlichen?) Übernahme des FC Sachsen Leipzig durch Red Bull.