Vor zwei Wochen beschossen Unbekannte den besetzten Mannschaftsbus von Fenerbahce. Seitdem sucht die Polizei die Täter – mit mäßigem Erfolg.
Es waren Szenen wie aus einem Ballerspiel: Mit einer Schrotflinte schossen Unbekannte am Ostersamstag auf den Bus von Fenerbahce. Alle Spieler, Trainer und Betreuer hockten im Bus und waren geschockt: „Wir hätten alle tot sein können!“, sagte Mittelfeldmann Mehmet Topal. Dem verletzten Busfahrer hingen Kugeln in der Wange und im Mund. Er überlebte. Offenbar sollte der Bus auf einer Brücke führerlos gemacht werden, damit er anschließend ins Meer stürzt. Fenerbahce kam gerade vom 5:1‑Sieg bei Caykur Rizespor zurück und war auf dem Weg zum Flughhafen von Trabzon.
Im Bus war auch der ehemalige Bundesligaspieler Michal Kadlec. Der Verteidiger, früher auf der Leverkusener Außenbahn, saß in der sechsten Reihe als die Schüsse fielen.
Michal Kadlec, wie haben Sie den Anschlag erlebt?
Erst dachte ich an eine Buspanne, wegen des lauten Knalls. Als aber unser Teamarzt nach vorne hechtete, wusste ich, dass etwas passiert sein musste. Panik brach danach aber nicht aus. Die meisten im Bus bemerkten erst spät, dass etwas passiert war und blieben ruhig.
Seitdem sind fast zwei Wochen vergangen. Viel Zeit, um die Schüsse zu verarbeiten.
Wir bekamen einen Tag frei. Ich denke, dass viele erst später realisiert haben, was da eigentlich passiert ist. Es hätte viel schlimmer ausgehen können.
Wurden die Sicherheitsvorkehrungen für Sie als Spieler jetzt erhöht?
Das wird sich erst beim nächsten Auswärtsspiel zeigen. Ich wüsste aber nicht, was noch kommen soll. Es gibt eh schon viel mehr Absicherung als in Deutschland. Und unfassbar viel Polizei. Vielleicht fahren wir jetzt immer im Polizeibus.
In Deutschland nicht vorstellbar.
Ja, die Fans hier sind eben viel hitzköpfiger. Unser Bus wurde auch schon öfter mit Steinen beworfen. Ich habe drei Monate gebraucht, um hier klarzukommen.
Bisher wurde kein Täter ermittelt. Vergangene Woche nahmen die Behörden zwar zwei Verdächtige fest, doch die Beweislage ist mehr als dünn. Die Männer sollen auf Facebook geschrieben haben, dass sie auf den Mannschaftsbus von Fenerbahce warteten. Später wurde wohl mithilfe einer Datenanalyse ermittelt, dass sich einer der Verdächtigen tatsächlich in der Nähe des Tatorts aufgehalten hat. Sonst? Nichts. Auch deswegen pausierte der Fußball am vergangenen Wochenende in der Türkei, „Fener“ wollte erst wieder spielen, wenn der Fall aufgeklärt ist. Doch das kann dauern.
Denn der Vorfall zeigt für viele türkische Fußballexperten nur die Spitze eines Eisbergs, der sich seit Jahren auftürmt. Die vorläufige Klimax einer langjährigen Fehde zwischen verfeindeten Fangruppen. In Istanbul ist man sich jedenfalls sicher, dass Anhänger von Trabzonspor hinter der Attacke stecken, schließlich fielen die Schüsse in Trabzon, als der Bus dort auf dem Weg zum Flughafen war.
Doch wie konnte sich dieser Fan-Streit überhaupt ins Extreme steigern?
Es fing an im Sommer 2011, als in der Türkei ein riesiger Manipulationsskandal öffentlich wurde. Fenerbahce bejubelte damals die Last-Minute-Meisterschaft, der Rest der Süper Lig rümpfte die Nase. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stand Fenerbahce‑Präsident Aziz Yildirim, der wegen Spielmanipulation ins Gefängnis wanderte. Mittlerweile ist er wieder frei. Fenerbahce wurde von der Uefa hart bestraft und ist seit der Saison 2013/14 für drei Jahre vom europäischen Geschäft ausgeschlossen.
Paradoxerweise durfte Fenerbahce Türkischer Meister bleiben. Manipuliert? Geschenkt! Seitdem hassen die Anhänger des damaligen Vizemeisters Trabzonspor die Blau-Gelben von „Fener“. Sie fühlen sich verraten, um den Titel betrogen. Regelmäßig flogen Steine auf den Bus, wenn Fenerbahce zu Auswärtsspielen kam.
2012 folgte der nächste Skandal. Kapitän Emre Belözglu beleidigte Didier Zokora von Trabzonspor als „pis zenci“, was übersetzt so viel wie „dreckiger Neger“ bedeutet. Die Verbandsregeln sehen vier bis acht Spiele Sperre für rassistische Beleidigungen vor, Emre bekam nur drei. Ein schlimmes Signal. Im Rückspiel war Emre Freiwild, Trabzonspors Spieler stiegen überhart in Zweikämpfe ein, und auch Zokora trat Fenerbahces Mittelfeldspieler absichtlich zwischen die Beine.