Hitlergrüße im Block, SS-Banner an den Zäunen, Affenlaute auf den Tribünen. In Russlands Fußballkurven dominieren Neonazis und Hooligans. Oder?
Wie waren die Reaktionen?
Überwältigend. Die Leser sprachen mir Mut zu. Sie bedankten sich – offen oder anonym. Die ganze Sache hatte etwas von einem Outing, denn viele Fans schienen regelrecht erleichtert. Sie hatten bis dahin wohl gedacht, sie stünden alleine da inmitten einer Armee von Rassisten. Eine 85-jährige Frau schickte mir ein Bild, auf dem sie mit einem Pappschild zu sehen war. Darauf stand der Satz „CSKA Fans Against Racism“. Es wurde der Slogan unserer Initiative.
Die Neonazis schrieben Ihnen nicht?
Natürlich erhielt ich auch Drohungen. „Wir verbrennen dich!“, „Wir machen dich alle!“, so was halt. Ich konnte nicht erwarten, dass eine Gruppe, die 20 Jahre die Kurve dominiert hatte, einfach aus dem Stadion verschwindet. Ein Bekannter aus dem Sicherheitsdienst riet mir daher, keine Dauerkarte zu kaufen, damit meine persönlichen Daten nicht in Umlauf kommen. Aber ich will darüber gar nicht so viel sprechen. Ich mache hier keine Heldenarbeit. Ich mache das, was richtig ist.
Wie sieht Ihre Arbeit mit „CSKA Fans Against Racism“ aus?
Am Anfang habe ich mich gefragt, wie sich der Rassismus bei uns überhaupt zeigt. Dabei ist mir aufgefallen, dass viele Menschen, nicht mal wissen, wo Rassismus anfängt.
Anfang des Jahres bezeichnete Spartak Moskau eigene schwarze Spieler als „Schokolade“.
Andere Fans wiederum haben keine Ahnung, welche Symbole sie präsentieren. Ein Beispiel: Das Keltenkreuz, das in der rechtsextremen Szene weit verbreitet ist, sieht man auch in russischen Fußballstadien. Ich unterhielt mich mit einigen Fans über die Bedeutung. Einige dachten tatsächlich, es sei ein gewöhnliches Fadenkreuz. Ähnlich ist es mit dem SS-Totenkopf, den viele nur als Seeräuber-Wappen sehen. Ich will diese Fans nicht verharmlosen, aber mir wurde klar: Es gibt viel Unwissenheit – und eine Menge Aufklärungsbedarf.
Wie gehen Sie vor?
Wir sind etwa zwölf Leute, aber unser Netzwerk wächst. Am Anfang waren die sozialen Medien immens wichtig. Wir haben unsere Botschaft über Twitter, VK und Facebook verbreitet. Bald konnten wir auch Spieler für Video-Statements gewinnen. Wenn etwa eine Vereinslegende wie Igor Akinfeev (über 400 Spiele für ZSKA, d. Red.) sagt, dass Rassismus falsch ist, kommt das bei den Jugendlichen an. Heute ist es mir besonders wichtig, die Botschaft aus der Online-Welt in die reale Welt zu tragen. Mit unseren Leuten haben wir eine Art Monitoring-System aufgebaut. Wir melden dem Verein rechtsextreme Vorfälle und stehen mit Vereinsmitarbeitern in Kontakt. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, die Fans zu dämonisieren.
Warum nicht?
Sie machen große Choreos, sie denken sich tolle Schlachtrufe aus. Aber viele dieser Anhänger sind auch jung und naiv. Sie denken, dass man als Fußballfan in Russland ein Neonazi sein muss. Wir wollen ihnen zeigen: Nein, das musst du nicht! Wir müssen ihnen erklären, dass sie auch mit positiven Verhaltensweisen große Aufmerksamkeit erzeugen können. Wenn ihre Choreos etwa beim Videoportal Copa90 gezeigt werden, ist das eine tolle Anerkennung für ihre Arbeit. Da müssen aber alle mitmachen: Verein, Verband, Medien und die Fans selbst. Wissen Sie, der Begriff „Fan“ ist in Russland negativ konnotiert. Fanats, so denken die Menschen, sind Typen, die alles kaputt machen. Wir müssen dahin kommen, dass der Begriff wieder positiv besetzt ist. Wie in England oder in Deutschland, Fußball kann einem Menschen so viel Kraft geben. Ich habe das in meiner Jugend selbst erlebt.