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Seite 2: „Das Problem anzuerkennen, wäre viel ehrlicher"

Die UEFA hat bis­lang nur mit einer kurzen Stel­lung­nahme reagiert, in der sie ankün­digt, den Vor­fall zu unter­su­chen.
Sie äußert sich über­haupt nicht zum kon­kreten Fall. Am meisten stört mich jedoch der Satz Ras­sismus und Dis­kri­mi­nie­rung in all ihren Formen haben im Fuß­ball keinen Platz.“ Das ist eine Wunsch­vor­stel­lung. Wir sehen doch, dass Platz dafür ist. Fuß­ball ist ein gesell­schaft­li­cher Raum, natür­lich gibt es dort die glei­chen Pro­bleme wie in der rest­li­chen Gesell­schaft. Das gilt auch für Ras­sismus. Dieses Pro­blem anzu­er­kennen, wäre viel ehr­li­cher. Und sich dann zu über­legen: Was können wir dagegen tun?

Was können sie denn tun?
Auf jeden Fall mehr, als den Spie­lern Banner in die Hand zu drü­cken und vor jedem Spiel den glei­chen Pro­mo­film mit Say no to Racism“ in zehn ver­schie­denen Spra­chen laufen zu lassen. Es braucht den Willen auf Funk­tio­närs­ebene, etwas zu ändern. Ich kann diese dicken weißen Funk­tio­näre, die sich auf der Tri­büne ihre Brat­wurst rein­schau­feln und ihre Spieler alleine lassen, nicht mehr sehen. Es braucht ein Umfeld, in dem Spieler sich sicher genug fühlen, den Mund auf­zu­ma­chen und wenn es nötig ist auch für wei­tere Spiel­ab­brüche zu sorgen.

Laut Regel­werk der UEFA sind eigent­lich die Schieds­richter dafür zuständig, Spiele bei ras­sis­ti­schen Vor­fällen abzu­bre­chen.
Das war in diesem Fall natür­lich schwierig. (Lacht.) Aber grund­sätz­lich würde ich mir hier viel mehr Sen­si­bi­lität wün­schen. Es kann nicht sein, dass ein Spieler eine Rote Karte kas­siert, weil er nach ras­sis­ti­schen Belei­di­gungen den Ball in die Hand nimmt oder auch mal den Mit­tel­finger zeigt. Da muss das Spiel ein­fach sofort abge­bro­chen werden.

Sie haben ein sicheres Umfeld für die Spieler ange­spro­chen. Wie kann so etwas aus­sehen?
Wie es gehen kann, zeigt die NBA. Wäh­rend des Final­tur­niers in Flo­rida hat sie den Spie­lern zahl­reiche Mög­lich­keiten gegeben, sich an den Black Lives Matter“-Protesten zu betei­ligen. Mehr noch: Sie hat sich ganz klar soli­da­ri­siert. Nicht nur mit Bot­schaften auf den Tri­kots und dem Spiel­feld, mit Videos und Slo­gans, son­dern indem sie die Spieler aktiv ermu­tigt hat, sich zu enga­gieren. Auch, indem sie den Teams zum Bei­spiel erlaubt hat, ihre Hallen als Wahl­lo­kale zu nutzen.

Es muss Raum für Pro­test geben – auch auf dem Spiel­feld“

Was braucht es aus Ihrer Sicht noch?
Kon­se­quenzen! Als Cle­mens Tön­nies sich ras­sis­tisch geäu­ßert hat, gab es bis auf eine drei­mo­na­tige Aus­zeit kei­nerlei Kon­se­quenzen. Da hat ein kom­plett weißes Gre­mium ent­schieden, dass seine Äuße­rung nicht ras­sis­tisch gewesen sei. Als sich der Besitzer der LA Clip­pers 2014 in einem Tele­fonat ras­sis­tisch geäu­ßert hat, hat die NBA ihn gezwungen, das Team zu ver­kaufen. Das sind Kon­se­quenzen, wie ich sie mir wün­schen würde.

Wün­schen Sie sich auch von­seiten der Spieler mehr Enga­ge­ment?
Defi­nitiv. Es gibt zu wenig Soli­da­rität. Wie sich zum Bei­spiel Toni Kroos und Thomas Müller zum Fall Mesut Özil geäu­ßert haben, fand ich beschä­mend. Sie haben ihn in keinster Weise vor den Anfein­dungen geschützt. Oft fehlt es schon am Ver­ständnis dafür, dass Soli­da­rität gegen­über nicht-weißen Spie­lern über­haupt not­wendig wäre. Mir fehlen Spieler, die sich zu gesell­schaft­li­chen Themen posi­tio­nieren und zwar über das hinaus, was offi­zi­elle Linie der Ver­bände ist. Es braucht klare Posi­tio­nie­rungen in Inter­views. Nach Hanau, dem schlimmsten rechten Ter­ror­an­schlag seit der Wie­der­ver­ei­ni­gung, war es mir viel zu still. Vor allem von Seiten der Spieler, deren Fami­lien von dem Anschlag wahr­schein­lich nicht betroffen gewesen wären.

Können Aktionen wie der Spiel­ab­bruch am Diens­tag­abend dazu bei­tragen, dass sich etwas ändert?
Ich hoffe, dass es ein Weckruf ist, ein Bei­spiel, an dem sich andere Spieler ori­en­tieren können. Denn da kam in den letzten Jahren relativ wenig. Wenn in der Ver­gan­gen­heit Spieler mit Affen­lauten belei­digt wurden, haben sich Mit­spieler häufig eben nicht soli­da­ri­siert, son­dern ver­sucht, die Betrof­fenen zum Wei­ter­spielen zu über­reden. Das kann nicht sein. Ich glaube, durch Aktionen wie diesen Spiel­ab­bruch spüren die Spieler, welche Macht sie haben. Sie ermäch­tigen sich gegen­seitig, Bot­schaften auch auf das Spiel­feld zu tragen.

An den Black Lives Matter“-Protesten haben sich auch Spieler in der Bun­des­liga betei­ligt. Aller­dings nahm hier der DFB-Kon­troll­aus­schuss die Ermitt­lungen wegen uner­laubter poli­ti­scher Bot­schaften auf. Von einer Strafe sah der Ver­band aber ab.
Aber allein die Tat­sache, dass über­haupt ermit­telt wird, ist unfassbar. Da muss sich etwas ändern. Es ist ja nicht so, dass Jadon Sancho Wer­bung für die CDU macht. Er macht darauf auf­merksam, dass in der west­li­chen Welt Men­schen auf­grund ihrer Haut­farbe sterben. Dafür muss es Raum geben – auch auf dem Spiel­feld.