Kürzlich feierte Winnie Schäfer seinen 70 Geburtstag. In den Neunzigern zählte er gemeinsam mit Peter Neururer zu den prägenden Trainern der Bundesliga. Im Doppelinterview packen beide aus – über ein Jahrzehnt, das den Fußball veränderte.
Hinweis: Dieses Interview erschien erstmals in unserem Spezialheft über die Neunziger Jahre im März 2010. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Winnie Schäfer, Peter Neururer, wissen Sie noch, wann Sie sich das erste Mal in der Bundesliga begegnet sind?
Neururer: Irgendwann Anfang der Neunziger. Wir spielten mit Saarbrücken zu Hause gegen den KSC.
Schäfer: Ich erinnere mich. Stefan Brasas stand bei euch im Tor.
Und wie ging es aus?
Neururer: Wir haben gewonnen.
Mit 2:0. Es war der 22. August 1992.
Neururer: Im Rückspiel nagelte uns Karlsruhe an die Wand, aber es ging kurioserweise unentschieden aus, weil Winnies Stürmer Rainer Krieg hinter einem Ball herrannte, der praktisch schon über die Linie war, um ihn ins Tor zu kicken. Der Schiri entschied auf Abseits.
Schäfer: Das war unsere große Zeit, wir waren im Europacup, nie zuvor und nie mehr danach hat der KSC so gut gespielt. Aber als wir 2:2 gegen Saarbrücken gespielt hatten, fingen die von den Ehrenplätzen schon an zu meckern.
Sie können sich aber gut erinnern.
Schäfer: Fällt mir gerade wieder ein. Ich weiß noch, dass ich nach dem Spiel eine Pressekonferenz gab, die Wellen schlug. Ich war so sauer, dass ich in Richtung der Stadtoberen sagte: „Wenn unsere Mannschaft aus Schalke käme und diesen Tabellenplatz innehätte, würden sie ganz Gelsenkirchen blau-weiß anmalen. Aber Karlsruhe kennt man nur, weil ab und zu Christian Klar (ehem. Mitglied der RAF, Anm. d. Red.) mit dem Hubschrauber landet.“ Au weia. Der Gemeinderat ist aus allen Wolken gefallen. Aber eine Woche später, als wir zu einem Europacupspiel aufbrachen, saßen die Herren wieder als erstes im Bus.
1992 war das Jahr, in dem die Sendung „ran“ die Bundesliga in neuem Licht zeigte. Wie veränderte sich damals der Fußball?
Neururer: Damals noch gar nicht so sehr. Gut, Wattenscheid 09 waren die ersten, die mit einer Viererkette spielten. Aber das Spiel blieb noch dasselbe. Was sich änderte, war die Berichterstattung. Fußball wurde Boulevard.
Eine nicht unerhebliche Veränderung. Auch für Sie als Trainer.
Neururer: Das stimmt. Das Fernsehen stellte plötzlich Richtmikrofone an den Trainerbänken auf. Dadurch veränderte sich das Verhalten der Schiedsrichter uns gegenüber komplett. Ende der Achtziger lief es noch ganz anders: Als junger Aachener Trainer meckerte ich über Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder – leicht roter Kopf, überragender Typ. Ich sagte: „Schiri, wat pfeifst du für ne Scheiße.“ Kommt der auf mich zu, guckt und sagt: „Halt deine Klappe, wat trainierst du für ’ne Scheiße.“ Und das Thema war erledigt. Das änderte sich ab 1992 völlig.
Wie muss man sich das vorstellen?
Neururer: Zum Beispiel als Rainer Krieg das Abseitstor für den KSC erzielte. Die Wortwahl vom Winnie war da wahrlich nicht jugendfrei.
Schäfer: Könnte sein.
Neururer: Und zwischen uns ein riesiges Mikrofon. Alles wurde eingefangen und die Schiedsrichter legten jedes Wort auf die Goldwaage. Mussten sie ja auch, schließlich bekam es nun auch jeder TV-Zuschauer mit.
Schäfer: Aber, Peter, wir haben von dieser Berichterstattung doch auch profitiert. Der Fußball gewann unglaublich an Wert.