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Als die Mann­schaften das Feld betreten, erhebt sich in der Mitte der Tri­büne lauter Gesang. Anfeue­rungs­rufe hallen vom Dach des Sta­dions wider, rot-gelbe Fahnen werden geschwenkt. Mit­ten­drin steht Siros Melk­emi­chel. Er ist Gründer und unan­ge­foch­tener Chef der Gefe-Fans“, einer Mischung aus Ultràs und zen­traler Fan­ver­ei­ni­gung des Syri­anska FC. Nur wenige Reihen vor Siros und seinen laut­starken Freunden sitzt ein Mann mit langem Rau­sche­bart. Er trägt einen Fan-Schal und könnte als nor­maler Besu­cher des Spiels durch­gehen – wäre da nicht der fest­liche Ornat. 

Das ist der Bejamin Atas“, erklärt Siros, er ist Fan des Ver­eins und es ist eine große Ehre für uns, wenn er ins Sta­dion kommt“. Ben­jamin Atas ist Bischof der syrisch-ortho­doxen Kirche in Söder­tälje, einer Klein­stadt vor den Toren Stock­holms. Neben seiner Lei­den­schaft für Fuß­ball treibt den Bischof wohl auch die Mög­lich­keit, seine Schäf­chen außer­halb der Kirche zu treffen in Söder­täljes Fuß­ball­arena. Denn die Mehr­zahl der Zuschauer von Syri­anska FC sind Ara­mäer. In Schweden werden diese Anhänger des Chris­ten­tums aus dem Mitt­leren Osten als Syrer“ bezeichnet, auch wenn sie keine syri­schen Wur­zeln haben. 

Söder­talje ist das Zen­trum der ara­mäi­schen Kultur

Ara­mäer gibt es neben Syrien auch in der Türkei, dem Libanon, Iran und Irak. Dort leben sie in der Dia­spora. Ein Umstand, der viele von ihnen – neben der poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Insta­bi­lität der Region – in die Emi­gra­tion treibt. So leben die Ara­mäer heute ver­streut über alle Kon­ti­nente. Ein, wenn nicht das Zen­trum ara­mäi­scher Kultur in Europa ist Söder­tälje. Inter­na­tio­nale Auf­merk­sam­keit erregte die Indus­trie­stadt zuletzt wäh­rend des Irak­kriegs, als tau­sende Flücht­linge nach Europa kamen und nur ein Ziel kannten: Söder­tälje. 

Die ersten Ara­mäer kamen Ende der 1960er Jahre und im Lauf der Jahr­zehnte wurden es stetig mehr. Das relativ libe­rale schwe­di­sche Ein­wan­de­rungs­recht und die Mög­lich­keit ihren Glauben zu prak­ti­zieren, sorgten für den guten Ruf Süd­schwe­dens in der ara­mäi­schen Welt­ge­meinde. Heute weisen gut 20.000 der 80.000 Ein­wohner Söder­täljes einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund auf. So gut wie alle sind Christen aus dem Mitt­leren Osten. 

Hier haben sie Kul­tur­ver­eine gegründet, meh­rere Kir­chen errichtet und den Haupt­sitz des TV-Sen­ders Suryoyo-Sat, der ara­mäi­sches Pro­gramm in alle Welt sendet. Und es gibt Syri­anska FC. Der Club ist ein Stück Heimat für die Hei­mat­losen in Schweden, aber auch dar­über hinaus. Er hat Fans in aller Welt und ist zu einer Art Natio­nal­mann­schaft der Ara­mäer geworden.
Begonnen hat alles in den 1970ern in der untersten Liga. Mit einer reinen Frei­zeit­truppe, in der nur Ara­mäer mit­spielen durften. Diese Regel gibt es längst nicht mehr. Im Kader der A‑Mannschaft stehen heute neben schwe­di­schen Spie­lern auch Profis aus Ser­bien, Nigeria und Jamaika. Die Glo­ba­li­sie­rung des Pro­fi­fuß­balls ist auch in der ara­mäi­schen Natio­nal­mann­schaft“ ange­kommen. 

Seit die Saison im April ange­pfiffen wurde, kämpft Syri­anska um Punkte in der All­s­venskan, der ersten Liga Schwe­dens. Doch er ist nicht der erste von Migranten gegrün­dete Verein, dem dies gelungen ist. Bereits 2007 ver­suchte sich Assy­riska FF eine Saison auf höchstem Niveau. Assy­riska wurde wie Syri­anska von Christen aus dem Mitt­leren Osten gegründet und ist eben­falls in Söder­tälje behei­matet. Aktuell spielt der Verein in der Zweiten Liga, für David Challma, der einen Syri­anska-Blog betreibt, ein Grund zu kaum ver­hoh­lenem Stolz: Die Assyrer waren immer besser orga­ni­siert als wir, aber wir haben auf­ge­holt. Und im Fuß­ball haben wir sie sogar über­holt.“

Die Geburt von Kebab FC

Assyrer“ war die ursprüng­liche Bezeich­nung der schwe­di­schen Behörden für die ara­mäi­schen Immi­granten. Ein Teil von ihnen akzep­tierte das, andere pro­tes­tierten. So spricht man in Schweden heute von Assy­rern und Syrern. Die Gründe für das unter­schied­liche Bran­ding sind kom­pli­ziert und umstritten. Klar ist, dass beide Seiten den glei­chen kul­tu­rellen Hin­ter­grund auf­weisen, die glei­chen Kir­chen besu­chen und auch die gleiche Mut­ter­sprache haben. Junge Men­schen wie David zucken nur die Schul­tern, werden sie auf das Thema ange­spro­chen. Wirk­lich viel anfangen kann seine Gene­ra­tion mit der Spal­tung nicht. Als Hin­ter­grund für die Fuß­ball­ri­va­lität wird sie trotzdem gerne ange­nommen. Doch nur Schlechtes wünscht man sich gegen­seitig nicht. So hofft David, dass Assy­riska auf­steigen wird: Ein syrisch-assy­ri­sches Derby in der Ersten Liga – das wäre schon was.“ 

Darauf hofft auch der Mann hinter der Theke im Kebab-Palast“ auf Söder­täljes Haupt­straße. Von Feind­se­lig­keiten will er nichts wissen. Herr Durmaz wünscht beiden Mann­schaften Glück. Auf die Frage, ob er denn nicht doch einem Verein die Daumen fester drückt, ant­wortet er: Nun, mein Sohn David spielt als Ver­tei­diger bei Syri­anska. Also fie­bere ich da wohl doch etwas stärker mit…“ Solche Erleb­nisse geben einen Anhalts­punkt, warum geg­ne­ri­sche Fans gerne vom Kebab FC“ spre­chen, wenn es um Syri­anska geht. Über solche Dinge kann David Challma nur müde lächeln. Das sei nor­males Fuß­ball­brauchtum und nur ganz selten ras­sis­tisch gemeint. Und es stimmt ja auch. Bei uns im Sta­dion gibt es Kebab.“