Am Samstag kommt Julian Draxler erstmals an seine alte Wirkungsstätte zurück. Wie viel Hass erwartet den Wolfsburger?
Als Luis Figo im November 2002 den Rasen im Camp Nou betrat, schlug ihm der blanke Hass entgegen. Weil Figo im Sommer für knapp 60 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Erzfeind Real Madrid gewechselt war, hallte bei jedem seiner Ballkontakte ein lautes „Pesetero“ durch das weite Rund, „Geldhure“. Als der Portugiese in der 72. Minute einen Eckball treten wollte, flogen Bierbecher, faules Obst, eine Whiskey-Flasche, Handys und sogar Messer und Billardkugeln. Gipfel der Geschmacklosigkeit: der abgetrennte Kopf eines Spanferkels. Figo bekam schonungslos zu spüren, wie hart der Gang zum Ex-Klub sein kann.
Am Samstag kehrt auch Julian Draxler an seine einstige Wirkungsstätte zurück. Was erwartet den Nationalspieler auf Schalke?
Für viele Schalker war Draxler die Verheißung einer glorreichen Zukunft. Womöglich gar die zentrale Figur, die den Knappen nach gut einem halben Jahrhundert wieder die Meisterschale bescheren würde. Er stammt aus der Knappenschmiede, trug Königsblau seit er acht Jahre alt war und bediente als großes Talent die Titelsehnsüchte der Nordkurve. Das Volk identifizierte sich mit ihm wie mit kaum einem anderen zu dieser Zeit.
Wie viel Hass ist noch übrig?
Vor dieser Saison verabschiedete er sich nach 14 Jahren für 36 Millionen Euro zum VfL Wolfsburg – und wurde auf Schalke zur persona non grata. Etliche Anhänger haben ihm noch nicht verziehen, dass er zu einem aus Schalker Sicht seelenlosen Klub und einem unmittelbaren Konkurrenten im Rennen um das internationale Geschäft wechselte. Wie viel Hass ist noch übrig?
Im Vorfeld der Partie ist Thomas Kirschner bemüht, zu beschwichtigen. Schalkes Fanbeauftragter sagt: „Julian Draxler ist nicht das beherrschende Thema in der Fanszene. Auch weil wir mit seinem neuen Verein nur wenige Berührungspunkte haben.“ Daher rechnet Kirschner nicht damit, dass die Atmosphäre in der Arena so hasserfüllt wird wie bei Manuel Neuers Rückkehr.
Wir trauern um M. Neuer
Auch der Nationaltorwart wurde in Schalkes Jugendteams groß und schaffte den Durchbruch in der Bundesliga. 2011 zog es ihn zum FC Bayern. Kurz nachdem sein Wechsel nach München publik wurde, kassierte Neuer auf dem Schalker Triumphzug nach dem DFB-Pokalsieg von einem Fan auf öffentlicher Straße eine Ohrfeige. Als Neuer im September mit den Bayern erstmals auf Schalke spielte, waren „Judas“-Plakate und verbale Verunglimpfungen noch das geringste Übel. Schalke-Blogger Torsten Wieland erinnert sich: „Das ganze Stadion war aggressiv. Selbst die Haupttribüne war beteiligt.“ Über der Nordkurve prangte ein 70 Meter langes Banner, darauf war in blauen Lettern auf weißem Grund zu lesen: „Wir trauern um M. Neuer – gestorben zwischen 2005 und 2011 – wiederauferstanden als charakterlose Marionette“.