Besondere Spiele brauchen eine besondere Atmosphäre, dachte man bei den Spurs – und griff gegen Chelsea tief in die Technik-Trickkiste. Heraus kam eine peinliche Lachnummer.
Es dauerte nur Minuten, bis der faule Zauber aufgeflogen war. Noch während der ersten Halbzeit des Premier-League-Krachers zwischen Tottenham und Chelsea (1:2) zwitscherten sich die Fans beider Lager die Finger wund. „Tottenham scheint eine Trommel via Stadionlautsprecher abzuspielen, um ‚Atmosphäre‘ zu schaffen“, verkündete ein gewisser Matt Law via Twitter und fügte an: „Das ist unnötig.“ Wobei: „Unnötig“ war noch eine der harmloseren Beschreibungen. „Peinlich“, „armselig“, „vollkommen fake“ – all das traf es wohl eher, was sich am Sonntag im Londoner Wembleystadion abspielte.
Wohl gemerkt: Die meisten kritischen Kommentare kamen zunächst von Tottenham-Fans! Die Anhänger von Chelsea und der übrigen Konkurrenz stiegen erst später ein ins Spurs-Bashing. Zumal auch noch ein entlarvendes Foto auf Twitter auftauchte, das einen fröhlichen Tottenham-Fan mit einer Sonderakkreditierung um den Hals und einer Trommel mit montiertem Drahtlos-Mikrofon zeigte. War er es, dessen rhythmische Schläge aus den Hightech-Boxen der englischen Nationalarena zu hören waren? Vermutlich.
Mikros gegen den Wembley-Komplex
Dabei hatten es die Spurs-Verantwortlichen wohl nur gut gemeint. Vor dem Match hatten sie Zehntausende kleiner Tottenham-Flaggen an die Zuschauer verteilt und zahlreiche Banner ihrer Fanklubs rundherum im Stadion aufgehängt. Die Fans des Nord-Londoner Klubs sollten sich heimisch fühlen bei ihrer Liga-Heimpremiere in Wembley. Schließlich müssen sie es doch eine ganze Saison lang aushalten in der Übergangs-Spielstätte. Das heimische Stadion an der White Hart Lane wird nämlich bis zum Beginn der Saison 2018/19 komplett neu gebaut.
Nur, muss man deshalb gleich Trommel-Klänge über die Stadion-Lautsprecher einspielen? Kulturpessimisten meinen: Ja, denn das heutige Eventpublikum in England muss an die Hand genommen werden. Vermutlich wollten die Spurs nicht einmal Stimmung vorgaukeln, wo keine zu erwarten war. Man wollte ihr lediglich ein bisschen auf die Sprünge helfen. Anders formuliert: Die Tech-Trommel sollte allen Tottenham-Fans den Takt vorgeben, um ihnen auch in ungewohnter Umgebung einigermaßen koordinierte Gesänge zu ermöglichen.
Nicht zuletzt wollten die Klub-Oberen damit auch der Mannschaft helfen, ihren anhaltenden Wembley-Komplex zu überwinden. Von den letzten elf Auftritten im wohl berühmtesten Fußballstadion der Welt (inklusive der sonntäglichen Pleite gegen Chelsea) konnten die Spurs gerade mal zwei gewinnen. Zusätzlich sind sie jetzt auch noch das Gespött einer ganzen Fußballnation. Selbst außerhalb Englands verbreitet sich die Nachricht vom Stimmungs-Schwindel wie ein Lauffeuer (das Wortspiel mit den Buschtrommeln verbietet sich an dieser Stelle).