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Chris­tian Försch, freier Autor, SPAL-Fan seit 1997, pen­delt seit gut zwanzig Jahren zwi­schen Berlin und Ita­lien. Er folgt dabei streng dem Spiel­plan der SPAL.

Dies ist die Geschichte von Ver­rückten. Von 133 000, um genau zu sein. Die Geschichte ist 110 Jahre lang. Aber keine Angst, ich erzähle nur einen Tag, und davon, wie ich einer dieser Ver­rückten wurde.

Paolo klin­gelt. Er steht unten mit Fahrrad und weiß-blauem Schal. Don­ners­tag­abend, Ende Mai, der letzte Spieltag, und es geht noch einmal um alles. Gewinnt die SPAL, sind wir Meister. Das wäre die Krö­nung des Auf­stiegs in die Serie A. Unfassbar. Nach Krisen, Zwangs­ab­stiegen, Lizenz­entzug und Kon­kurs. Nachdem wir vor vier Jahren im Ama­teur­lager gelandet und fast von der Land­karte des ita­lie­ni­schen Fuß­balls ver­schwunden waren.

Wir radeln durch die Innen­stadt, durch Men­schen­trauben in weiß-blauen Tri­kots, Schals und Perü­cken. Ganz Fer­rara ist in Par­ty­laune, schon seit einem Jahr. Da hatten wir gerade erst den Auf­stieg aus der dritten Liga gefeiert, mit dem kleinsten Budget aller Ver­eine. Dieses Jahr waren wir wieder das Aschen­puttel, galten bei Buch­ma­chern und TV-Experten als sicherer Absteiger. Und tat­säch­lich haben wir aus den ersten sechs Spielen nur fünf Punkte geholt, Tabel­len­keller, und dann … Dann ist etwas gewachsen, was keiner so recht erklären kann.

Mein Herz schlägt für dich“

Weit­räumig ist das Sta­dion abge­sperrt, wir müssen uns einen Weg durch Neben­straßen suchen und einen freien Pfahl, um unsere Räder fest­zu­ketten. Dann stellen wir uns hinter der Curva Ovest an der Sicher­heits­schleuse an. In Ita­lien ist der Sta­di­on­be­such zur Tortur geworden, selbst in Pro­vinz­städten. Fan­pass, per­so­na­li­sierte Tickets, Lei­bes­vi­si­ta­tionen, Aus­weis­kon­trollen. Zu Aus­wärts­spielen fährt die DIGOS, der Staats­schutz mit, man wird bereits an der Auto­bahn abge­fangen, in Shuttle-Busse umge­laden und wie ein Gefan­ge­nen­trans­port durch abge­rie­gelte Straßen gekarrt. Die Fans sollen wohl nicht in die maroden Sta­dien kommen, sie sollen ein Pay-TV-Abo kaufen und zu Hause auf dem Sofa bleiben.

Die Curva Ovest ist eine Stunde vor Anpfiff schon gut gefüllt. Aber wir müssen auf unsere Stamm­plätze, direkt neben dem Block der Ultras, alles andere bringt Unglück. Wir finden eine Lücke und breiten unsere Kla­motten auf den Sitz­schalen aus. Für Davide, Mas­simo, Ste­fano, Antonia und Emma. Drei gute Kum­pels und ihre Töchter. SPAL alé, non tifo per gli squa­droni tifo te“, wird into­niert. Auf geht’s SPAL, mein Herz schlägt nicht für die rei­chen Klubs, es schlägt für dich.“

End­lich laufen die Mann­schaften auf, wir decken uns in einer Choreo mit den Ver­eins­farben zu und singen unter dem künst­li­chen Dach: Ce ne andiamo in Serie A.“ – Serie A, wir kommen.“ Die letzten beiden Spiel­zeiten waren so tur­bu­lent, dass fast für jede Partie neue Texte gedichtet werden mussten. Gän­se­haut­stim­mung. Bei uns. Von den geg­ne­ri­schen Fans ist kaum etwas zu hören. Zwar spielen wir gegen Bari, eine Groß­stadt, die mit großem Budget und Anspruch in die Saison gestartet war, mit tollem Sta­dion und rie­siger Anhän­ger­schaft. Aber von den Ansprü­chen ist nichts geblieben, von den Fans nur ein jäm­mer­li­ches Häuf­lein.

Bari brennt ein Feu­er­werk ab

Das Spiel beginnt, und es beginnt nicht gut für uns. Leo­nardo Sem­plici, unser Trainer, lässt die Ergän­zungs­spieler ran, um Ver­trauen und Dank­bar­keit zu zeigen, Har­monie und Zusam­men­halt zu för­dern. Außerdem sind die Stamm­kräfte ange­schlagen. Luca Mora, bär­tiger Phi­lo­so­phie­stu­dent, Linksfuß, uner­müd­li­cher Zwei­kämpfer, sitzt nur auf der Bank, ebenso sein Partner im Mit­tel­feld: Pas­quale Schiat­tar­ella, nea­po­li­ta­ni­sches Heiß­blut, Pass- und Takt­geber mit tiefem reli­giösem Glauben.

Bari hat etwas gut­zu­ma­chen und brennt ein Feu­er­werk ab. Presst, rennt, schnürt uns ein. Ein feiner Pass in die Spitze und wir brüllen: Meret!“ Alex Meret, unser junger Tor­wart, ist in dieser Saison immer wieder über sich hin­aus­ge­wachsen und zum Lohn zuerst in die U21‑, dann gar in die A‑Nationalmannschaft berufen worden. Er wirft sich dem Ball ent­gegen. Umsonst. Ein feiner Lupfer: 1:0 für Bari.