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Wenn mein Vater frei hatte, und das war bei uns in der Metz­gerei immer am Mitt­woch­nach­mittag, bin ich mit ihm zum Fuß­ball gefahren. Vorher hat er den Rauch bestückt, also die Würste und den Speck hin­ein­ge­hängt, und dann ging es los. Wir sind die paar Kilo­meter von zu Hause in Eimel­dingen mit dem Auto bis nach Klein­hü­ningen gefahren, kurz hinter die schwei­ze­ri­sche Grenze, haben den Wagen abge­stellt und sind in die Stra­ßen­bahn­linie 14 zum Sta­dion umge­stiegen. In St. Jakob haben damals immer die großen Spiele statt­ge­funden, die schwei­ze­ri­schen Län­der­spiele oder die inter­na­tio­nalen Spiele des FC Basel. Aber den größten Ein­druck hat bei mir das Euro­pa­po­kal­fi­nale von 1979 hin­ter­lassen. Ich war 13 Jahre alt und For­tuna Düs­sel­dorf spielte mit Wolf­gang Seel, den Allofs-Brü­dern und Rudi Bommer gegen den FC Bar­ce­lona mit Johan Cruyff, Johan Nees­kens und Hans Krankl.

Die Kraft des Fuß­balls

Für 11FREUNDE #222 haben wir Spieler, Trainer und Manager gefragt, was sie am Fuß­ball begeis­tert, warum sie das Spiel lieben. Und sie haben uns Geschichten erzählt über die Kraft des Fuß­balls. Das Heft mit Bei­trägen von Hansi Flick, Chris­toph Kramer, Markus Gisdol, Antonio Rüdiger, Robin Gosens, Michael Preetz, Max Eberl, Torsten Mat­tuschka und vielen, vielen mehr, findet ihr bei uns im Shop.

Was mich als junger Mensch total fas­zi­nierte, war, dass das Sta­dion an jenem Tag kom­plett in Blau und Rot erstrahlt ist. Also eigent­lich wie bei den großen Spielen des FC Basel, nur kamen die Zuschauer aus Spa­nien ange­fahren. In meiner Erin­ne­rung sind es bestimmt 30 000 Men­schen gewesen, die den FC Bar­ce­lona begleitet haben. For­tuna hatte, obwohl Düs­sel­dorf näher war, viel weniger Anhänger mit­ge­bracht. Wir haben im Sta­dion gehört, dass es so viele Kata­lanen waren, weil die Mit­glieder des FC Bar­ce­lona die Ein­tritts­karten beson­ders günstig bekommen hatten. Der Klub war damals noch nicht so selbst­ver­ständ­lich in euro­päi­schen End­spielen wie in der jün­geren Ver­gan­gen­heit. Er hatte erst einen euro­päi­schen Titel gewonnen, den Mes­se­pokal, und das war 13 Jahre her. Also wollte Bar­ce­lona so viel Unter­stüt­zung wie mög­lich, und dar­über hinaus spielte der Aus­tra­gungsort noch eine beson­dere Rolle, weil der Ver­eins­gründer Hans Gamper ein Schweizer war.

Wahr­schein­lich hatte sie nur ein paar Pfen­nige gekostet, aber trotzdem war sie natür­lich äußerst wert­voll“

Christian Streich über seine Barcelona-Mütze

Es gibt zu den Fans noch ein Detail, das ich bis heute nicht ver­gessen habe, weil es mich damals so beein­druckte. Die meisten Zuschauer aus Bar­ce­lona waren in langen Bus­ko­lonnen nach Basel gekommen, und auf jeden zehnten Bus fuhr ein elfter leer mit. Falls einer der Busse eine Panne gehabt hätte, sollte nie­mand Gefahr laufen, das Spiel zu ver­passen. Im Sta­dion war eine unglaub­liche Stim­mung und es ent­wi­ckelte sich auch ein unglaub­li­ches Spiel. Ich sehe die Spieler heute noch ein­laufen und habe sogar ein­zelne Spiel­si­tua­tionen genau vor Augen, obwohl ich das Spiel seither nie mehr ange­sehen habe. Span­nend war es auch, denn Bar­ce­lona ist zweimal in Füh­rung gegangen, Düs­sel­dorf hat zweimal aus­ge­gli­chen. Erst in der Ver­län­ge­rung hat Bar­ce­lona mit 4:3 gewonnen.

Ich war hin­terher ganz weg von diesem Spiel, das übri­gens bis heute das ein­zige Euro­pa­po­kal­end­spiel geblieben ist, das ich im Sta­dion mit­er­lebt habe. Danach haben mein Vater und ich dann die Tram Nummer 14 zurück zu unserem Auto genommen, und mir gegen­über saß ein Mann mit einem süd­län­di­schen Aus­sehen. Er trug eine Mütze des FC Bar­ce­lona, einen Schal und einen Anste­cker mit dem Ver­eins­em­blem. Er hat mich ange­schaut und hat sofort ver­standen, was los war: Dieser Bub war total über­wäl­tigt von dem, was er gerade erlebt hat. Dann hat er seine Mütze abge­nommen und mir auf­ge­setzt. Ich habe sie neu­lich noch in der Hand gehalten, weil mein Vater sie kürz­lich wieder her­vor­ge­holt hat, nachdem er sie über 40 Jahre lang auf­be­wahrt hat. Es war so eine ganz dünne Mütze mit einem kurzen Schirm, wie man sie damals hatte. Wahr­schein­lich hatte sie nur ein paar Pfen­nige gekostet, aber trotzdem war sie natür­lich äußerst wert­voll. 

Der Mann in der Stra­ßen­bahn hat mir aber nicht nur diese Mütze auf­ge­setzt, er hat auch seinen Schal aus­ge­zogen und mir um den Hals gelegt. Und schließ­lich hat er noch den Anste­cker abge­macht und an meinen Pull­over geheftet. Alles, was er vom FC Bar­ce­lona hatte, hat er mir gegeben und mich so umhüllt mit seinem Lieb­lings­verein. Das war nicht nur lie­bens­würdig, son­dern hatte zugleich etwas Fei­er­li­ches. Das wurde noch dadurch unter­stri­chen, dass er dabei nichts gesagt hat. Ich habe mich natür­lich wahn­sinnig zu bedanken ver­sucht, obwohl er kein Deutsch und wir kein Spa­nisch konnten. Dann sind aus der Stra­ßen­bahn ins Auto und heim­ge­fahren. Und als wir nach Hause kamen, habe ich Schal und Mütze gleich in meinem Zimmer an die Wand gehängt, wo sie jah­re­lang der Wand­schmuck waren. Das war so ein Erlebnis: Wie soll man da noch los­kommen vom Fuß­ball?