Villarreal jubelt über den ersten großen Titel der Vereinsgeschichte, Rainer Koch schummelt sich auf jedes PR-Foto, Schalke muss sparen – und Jonas Hector wütet (verständlicherweise) im Interview: Unser Newsletter „11FREUNDE am Morgen“.
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Das längste Elfmeterschießen aller Zeiten war es bei weitem nicht. Den Rekord hält nach wie vor und wahrscheinlich für alle Zeiten ein Spiel im namibischen Pokal im Jahre 2005. Da wurden zwischen KK-Palace und Civics FC ingesamt 48 Elfmeter geschossen, bis KK-Palace schließlich mit 17:16 gewonnen hatte. Dafür war es aber ein Penaltyschießen von besonderer Qualität, das am Ende das Finale der Europa League zwischen Villarreal und Manchester Unted entschied. Die ersten 21 Schützen beider Teams trafen, die von Villarreal immer eine Spur souveräner als die von Manchester, am Ende mussten auch beide Keeper schießen und United-Torhüter de Gea versagten die Nerven.
Es sollte aber keiner beim englischen Rekordmeister auf die Idee kommen, den Torwart für die Pleite verantwortlich zu machen. Dafür hatte sich die spielerisch und taktisch überlegenere Mannschaft aus der Premier League zu unentschlossen durch die 120 Minuten Spielzeit laviert, war erst nach dem Rückstand durch Villarreals Topstürmer Gerard Moreno (29.) aufgewacht und hatte direkt nach dem Ausgleich durch Edison Cavani (55.) allzu engagierte Angriffsbemühungen auch gleich schon wieder eingestellt.
Selbst schuld also, dass es nichts mit dem zweiten Europa-League-Titel nach 2017 wurde. „Es ist keine erfolgreiche Saison“, sprach Ole Gunnar Solskjaer ernüchtert und ergänzte. „So ist das im Fußball. Manchmal entscheidet ein Schuss eine ganze Spielzeit.“ Was den Gegner umso mehr erfreut haben wird. Villarreal gewann seinen ersten großen Titel und spielt nun tatsächlich in der Champions League. Nach 120 Minuten und dem endlosen Elfmeterschießen war es egal, dass auch die Spanier ihren Anteil am unansehnlichen Gegraupe auf dem Spielfeld hatten.
Erfolgsgarant war wieder einmal Unai Emery. Zum vierten Mal in seiner Trainerkarriere hat er den zweithöchsten europäischen Clubwettbewerb gewonnen und genoss den abermaligen Triumph mit dem Außenseiter eher still als überschwänglich. „Wir wollten diesen Titel unbedingt – schon die ganze Saison. Und jetzt haben wir ihn“. Ein Blick in Emerys Biographie hätte übrigens schon erahnen lassen, dass am Ende Torhüter eine größere Rolle spielen könnten. Der Spanier, selbst früher Mittelfeldspieler, entstammt einer Ahnenreihe großer Keeper. Zitat aus Wikipedia: „Er ist der Enkel von Pajarito Emery („Vögelchen“), der in den 1920er- und 1930er-Jahren Torhüter von Real Unión Irún war und der zweimal die Copa del Rey gewann.“ Sein Vater und sein Onkel waren ebenfalls Profitorhüter.
„Wir hätten ihn nicht gehen lassen, höchstens mit einem neuen Trainerverkaufs-Weltrekord“
Schalke in Not! Zu den unkaputtbaren Mythen der zweiten Liga gehört die Vorstellung, man könne sich im Unterhaus auf irgendeine Art und Weise gesundschrumpfen. Die Lizenzauflagen für den FC Schalke sprechen eine andere Sprache. Der hoch verschuldete Absteiger muss gefühlt die Hälfte des Personals verhökern, um den laufenden Spielbetrieb in der zweiten Liga zu sichern und einen deutlichen Punktabzug zu verhindern. Die Auflagen der DFL sind ein Schlag ins Kontor für all jene, die für die nächsten Wochen noch spektakuläre Schalker Meldungen vom Transfermarkt erwarten. All die königsblauen Spekulationen der Marke „Edgar Davids hat gerade eine Wartemarke zum Medizincheck im Knappschaftskrankenhaus gezogen“, die derzeit in den einschlägigen Portalen gehandelt werden, dürften sich als klassische Luftnummern erweisen. Enttäuschung ist also vorprogrammiert. Zu unrealistischen Erwartungen bei Funktionären und Fans fällt mir übrigens eine Geschichte mit Heribert Bruchhagen ein. Der hielt als Manager von Arminia Bielefeld mal dem Aufsichtsrat einen höchst alarmierenden Vortrag über den existenzbedrohenden, finanziellen Zustand des Klubs. Die Aufsichtsräte hörten sich das alles schweigend bis entsetzt an, danach folgte die erste Wortmeldung eines Kontrolleurs, der hoffnungsvoll nachfragte: „Aber einen Kracher holen wir doch noch?“ Bruchhagen augenrollend ab.
War da was? Als am Wochenanfang Hansi Flick als neuer Bundestrainer vorgestellt wurde, sollte das den Aufbruch in eine neue Ära markieren. Dafür stellten sich Flick und vier DFB-Funktionäre nicht nur auf einem Bild auf wie die Sparkassen-Variante der Backstreet Boys, sondern gruppierten sich anschließend auch noch um ein weißes 3D-Modell der neuen DFB-Zentrale. Einiges war dabei bemerkenswert: Erstens, dass die Herren auf den schlichten, weißen Zweckbau zeigten, als zeige der eine Art neues und sagenumwobenes Atlantis. Und zweitens, wer da schon wieder auf dem Foto posierte: Neben Flick und DFB-Direktor Oliver Bierhoff schmunzelten nämlich auch DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge, DFB-Vize Peter Peters und DFB-Vize Rainer Koch um die Wette. Alles Funktionäre, die in den letzten Wochen ihre Demission angekündigt hatten, aber trotzdem noch für jedes PR-Foto zu haben sind. Und uns beschleicht die Ahnung, dass es bis zu einem wirklichen Neuanfang beim DFB noch ein weiter Weg ist.
Noch ein Elfmetertrick! Wo wir gestern über die Finte des Brest-Keepers sprachen, der PSG-Stürmer Neymar mit seinem Stellungsspiel zum Wahnsinn brachte: Hier ist noch eine ziemlich ungewöhnliche Art, den Schützen zu verunsichern. Dieser brasilianische Keeper rennt einfach wie ein Derwisch aus seinem Kasten, dem Schützen entgegen. Im Augenblick des Schusses ist der Torwart noch allenfalls drei, vier Meter vom Elfmeterpunkt entfernt. In diesem Fall allerdings vergeblich: der Ball landete trotzdem im Netz und der Torschütze ließ sich ausgiebig feiern.
Wer bin ich? Ab sofort gibt es hier auch immer eine tägliche Quizfrage. Und wir beginnen mal mit einem harmlosen Rebus. Gesucht wird ein tapferer Kämpfer gegen den Kommerz, der selbstlos und mit Hirn, Herz und Zivilcourage gegen die Gier der großen Klubs kämpft. Von oben links nach unten rechts. Lösungen bitte an philipp@11freunde.de. Am Ende jeder Woche wird was verlost und jede Mail mit richtiger Lösung nimmt teil.
Mit 0:1 daheim verloren. Die Planungen des 1. FC Köln für die Relegationsspiele gegen Holstein Kiel sahen definitiv anders aus. Kein Wunder also, dass Führungsspieler Jonas Hector nach dem Schlusspfiff einigermaßen wütend zum DAZN-Feldinterview antrat. Vielleicht wäre es aber trotzdem ein normaler Talk geworden, hätte Reporter Sebastian Benesch bei seinen Fragen nicht zielsicher alle Klischees bestätigt, die über die Kurzgespräche am Spielfeldrand kursieren. Benesch begrüßte Hector allen Ernstes mit dem Hinweis, er könne nun „einfach Dampf ablassen“, um anschließend dann die küchenpsychologischste aller küchenpsychologischen Fragen zu stellen: „Wie leer fühlen Sie sich?“ Es ist diese Form von Fragen, die eigentlich gar keine Antwort haben will. Sie wird in Variationen („Wie enttäuscht sind Sie? Wie hart ist diese Niederlage für Sie? Wie sehr trifft Sie der Abstieg?“) seit Jahrzehnten gestellt und nach normalen Partien von den Spielern mit ein paar Floskeln abmoderiert. Nach einem verlorenen Relegationsspiel hingegen kann man schon mal wie Hector formulieren: „Es ist ja ihr Job, dumme Fragen zu stellen. Das machen Sie gut!“
Ist jetzt Sommerpause? Nein, immer noch nicht. Die Relegation zwischen zweiter und dritter Liga steht ebenso noch an wie das Champions-League-Finale mit den beiden Supernasen Tommy und Pep und natürlich das Rückspiel der Bundesliga-Relegation. Und wir freuen uns schon, wenn Kölns Jonas Hector nach dem 2:1‑Auswärtssieg in Kiel von DAZN-Reporter Benesch gefragt werden wird: „Wie voll fühlen Sie sich?“
Kommt gut in den Donnerstag!