Schalke 04 hat sich in der 2. Liga neu erfunden. Aber genügt das, um den eigenen Ansprüchen in der Bundesliga gerecht zu werden?
Was ist neu? Schalke. Den Verantwortlichen um Aufsichtsratschef Axel Hefer und dessen Stellvertreter Moritz Dörnemann ist nicht weniger als die Quadratur des Kreisels gelungen. In einer der hitzigsten Phasen der Vereinshistorie wandelten sich sowohl innere Einstellung als auch Image des Klubs und zugleich gelang Schalke unter Führung des weitsichtigen Fahrensmanns Rouven Schröder der direkte Wiederaufstieg. Wenn es heißt, dass es Vereinen guttun würde, Zeit in der Zweitklassigkeit zu verbringen, um sich neu zu justieren und stärker zurückzukommen, dann ließ sich bisher immer auf Nicht-Beispiele wie Hannover, Hamburg oder Kaiserslautern verweisen. Schalke tritt nun den Versuch an, nach nur einem Jahr zweiter Liga gestärkt aus der größten Krise herauszukommen.
Was ist so geblieben (verdammt nochmal)? Die fehlende Geduld der Fans. Nein, ernsthaft, ganz so schlimm ist es bei weitem nicht. Denn die Erneuerung des Vereins hat bei den Anhängern nicht aufgehört. Doch die pure Ernüchterung vieler Fans, als Schalke 04 mit dem nüchternen Frank Kramer einen neuen Chefcoach vorstellte, den viele Schalker sogleich wieder mit der Schubkarre vor die Stadtgrenzen bugsiert hätten, ließ erahnen, wie weit her es mit der viel beschworenen Geduld sein wird, sollte Schalke am zehnten Spieltag den letzten Tabellenplatz belegen.
Seit einem Jahr ist Oliver Kahn Vorstandschef des FC Bayern. Hier zieht er Zwischenbilanz und erklärt, ob die Bundesliga jemals wieder spannend wird.
Was fehlt? Gazprom. Die Trennung vom russischen Gas-Riesen und Hauptsponsoren nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine zählte zu den heikelsten Momenten der abgelaufenen Saison. So richtig und alternativlos die klare Abgrenzung zur russischen Wirschafts- und somit Kriegsmaschinerie auch ist, bedeutet sie für Schalke im Umkehrschluss auch: Das große Geld ist weg. Zum Glück trauern in Gelsenkirchen nur die wenigsten Gazprom hinterher. Im Gegenteil: Die Masse bejubelte gar die klare Haltung des Vereins, der aufgrund der neuen finanziellen Situation auch beispielsweise Abstand von Verstärkungen wie Ko Itakura nahm, den sich Schalke schlichtweg nicht leisten konnte.
Wenn dieser Klub ein Getränk wäre: Negroni. Denn natürlich wäre dieser Klub normalerweise nur mit Bier zu vergleichen, aber der schnöde Gerstensaft ist nicht das richtige Äquivalent zu einer Sache, die so verlässlich ballert. So wie Negroni, gutschmeckend an warmen Sommertagen, wenn Träume noch nicht Geschichte sind und einen den Hauch von internationaler Klasse umweht. Negroni geht ans Herz. Und hat soviel Bumms intus, dass man am nächsten Morgen schnell mit Kopfschmerzen erwacht, wenn man zu viel davon gesehen hat.
Das 11FREUNDE-Orakel: Relegationsplatz, aber Nicht-Abstieg. Seien wir mal ehrlich, Bundesliga mit Schalke im neuen Gewand, ohne bollerigen Clemens Tönnies, ohne Fans, die von Europa träumen und nach der ersten Klatsche durchdrehen, ohne Trainerrauswurf und Büskens-Installation – das ist wie der Indianapolis-GP von 2005. Zu viel fehlt und auf Strecke ist es dann auch langweilig. Weshalb auf Schalke hoffentlich schon bald der ganz normale Wahnsinn eintreten wird, der aufgrund der guten Vorarbeit aber nicht im Desaster endet. S04 bleibt Bundesligist. Was will man mehr?