Eigentlich wollte er für seinen Heimatklub spielen. Als das nicht mehr möglich war, hat George Dowell ihn eben gekauft und wurde zum jüngsten britischen Vereinsbesitzer.
Dieser Text erschien erstmals in 11FREUNDE #228. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Mit 22 Jahren tragen die meisten jungen Männer für wenig mehr Verantwortung als für die Verlängerung ihres Abos im Fitnessstudio, und ihre größte Sorge ist die Startelf der nächsten Woche im Managerspiel. Als George Dowell 22 war, kaufte er sich einen Fußballverein. Einen echten.
„George Dowell had a dream / To save his local team“, singen die Fans des FC Worthing, eines Halbprofiklubs von der englischen Südküste, über den Besitzer ihres Teams, vielleicht den jüngsten der Welt. Das stimmt zwar, allerdings begann der Traum mit einem albtraumhaften Abend im Jahre 2010. Damals war George Dowell 17 Jahre alt und sauste für die U18 des FC Worthing die rechte Außenbahn rauf und runter. Nach einem Testspiel zwischen der ersten Mannschaft und dem eigenen Nachwuchs wurde Dowell fürs nächste Ligaspiel in den Kader der Senioren berufen. Zwei Wochen später fuhr er mit seinen Kumpels zu McDonald’s, wie das Teenager auf der ganzen Welt machen. Die meisten von ihnen kommen mit einem Cheeseburger und einem Milkshake zurück, George mit einem gebrochenen Hals. Der Wagen, in dem er saß, kam von der Straße ab und überschlug sich mehrfach, bevor er auf einem Acker landete.
Oft fragen ihn Leute über den Unfall aus, wollen wissen, was in der Zeit geschah, nachdem der Wagen die Straße verließ und bevor die Ärzte ihm sagten, dass er von der Brust abwärts gelähmt bleiben würde. Aber Dowell hält sich nicht mit der Vergangenheit auf, als wäre der Unfall bloß ein Transformationsprozess im Leben eines Menschen, der – wie alle guten Außenverteidiger – immer nur nach vorne blickt und versucht, Raum zu gewinnen. „Ich habe gerne auf dieser Position gespielt, weil man das ganze Feld vor sich hat“, sagt George, der 2010 sein ganzes Leben noch vor sich hatte, auch wenn er nicht mehr laufen konnte, nicht mehr Fußball spielen konnte.
Zehn Monate war Dowell in der Spezialabteilung des Krankenhauses in Salisbury, die ersten drei davon verbrachte er liegend. Er hatte also eine Menge Zeit zum Nachdenken – und für Managerspiele. Da ahnte er allerdings noch nicht, dass seine zukünftige Karriere darin bestehen würde, solche Computersimulationen in die Realität zu übertragen. Als guter Brite haderte George nicht mit seinem Schicksal, sondern nahm die Herausforderung an, die das Leben ihm stellte. Seine Liebe zum Fußball war ungebrochen, so baute er eine Hobbymannschaft namens Worthing Borough auf, damit seine Freunde aus der U18, die den Sprung in den Seniorenbereich nicht geschafft hatten, weiter kicken konnten.
„Ich musste schnell erwachsen werden und die Dinge regeln“
Worthing Borough florierte, aber Dowell fand keine guten Trainingsmöglichkeiten für die Elfer-Mannschaften, ein häufiges Problem im englischen Amateurfußball. Er spielte mit dem Gedanken, einen Teil der hohen Summe, die er nach dem Unfall als Schadensersatz erhalten hatte, in einen Kunstrasenplatz zu investieren, als sich im Frühjahr 2015 eine andere Frage stellte. Der Vater eines Freundes trainierte die U18 des FC Worthing und erwähnte George gegenüber, dass sein alter Klub mehr als 200 000 Pfund Schulden hatte, womit er nach 129 Jahren kurz vor dem Bankrott stand. Der inzwischen 22-jährige Dowell wusste, dass er helfen musste. So machen das Rechtsverteidiger eben: Sie opfern sich fürs Team.
Auf der Insel ist der junge Mann nicht nur bekannt, weil er einen Fußballverein besitzt. Im Januar 2016 trat Dowell in der Flirtshow „The Undateables“ auf, in der Menschen mit Behinderungen Partner suchen.
George unterbreitete dem Vorstand des FC Worthing einen Vorschlag. Er würde die Schulden übernehmen – im Gegenzug für die Mehrheitsanteile. Dann würde er einen Kunstrasenplatz auf dem Gelände des Klubs an der Woodside Road errichten. Dadurch konnte der FC die Anlage unter der Woche an lokale Klubs vermieten. George schlug auch vor, die Vereinskneipe zu modernisieren. Im Grunde plante er, aus dem Klub das Zentrum einer Gemeinde zu machen, deren beste Zeit lange zurücklag. (Oscar Wilde schrieb in Worthing 1894 eine seiner bekanntesten Komödien, „The Importance of Being Earnest“.)
Die Verhandlungen waren zäh. Dowell sagt: „Beim ersten Treffen meinten sie: ‚Dies sind unsere Schulden.‘ Beim nächsten Treffen hieß es dann: ‚Hier ist auch noch etwas, und dort ist ein bisschen mehr.‘ Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass ich als neuer Besitzer nicht haftbar wäre, falls jemand plötzlich käme und sagte: ‚Dieser Klub schuldet mir übrigens Hunderttausende von Pfund.‘“ Einfach war das alles nicht. „Ich musste schnell erwachsen werden“, sagt Dowell, „und mit Situationen umgehen, mit denen die meisten Menschen erst konfrontiert werden, wenn sie erheblich älter sind. Ich musste viele Entscheidungen treffen und die Dinge regeln.“