Am Samstag prügelten sich linke und rechte 96-Anhänger im Stadion. Für die Kampagne „Hannover Rechtsaußen“ sind die Schuldigen ausgemacht: Die Fanszene Hannover schütze Neonazis in den eigenen Reihen.
In Hannover brennt der Baum. Das ist, zugegebenermaßen, in dieser Jahreszeit nicht das einfallsreichste Wortspiel, angesichts der Stimmungslage in der niedersächsischen Landeshauptstadt aber doch ein ganz passables Bild. Denn während Hannover 96 am vergangenen Samstag das Kellerduell gegen Düsseldorf vergeigte, sorgte im Stadionumlauf ein weiterer Brandherd für vorzeitigen Weihnachtskater. Bereits vor Spielbeginn ging es hinter der heimischen Nordkurve zwischen einigen Anhängern der Roten heiß her.
„Nach einer Schlägerei im Bereich des Nordeingangs der HDI-Arena haben unsere Kollegen 34 Personen in Gewahrsam genommen“, verkündete die Polizei Hannover noch während der ersten Halbzeit. Schnell brodelt die Gerüchteküche: Antifaschisten hätten im Vorfeld der Partie Flugblätter an die 96-Fans ausgegeben und seien dabei von einigen Ultras angegriffen worden. Von mitgebrachten Zahnschützern sowie Boxbandagen auf Seiten der Antifaschisten und Unterstützung durch Fans von Werder Bremen war die Rede, ebenso auch von gezielter Fehlinformationen durch die Ultras.
Gegen den rechten Konsens
Am Samstagabend hieß es in einer Pressemitteilung auf dem Blog „Hannover rechtsaußen“: Angehörige dieser Kampagne hätten Flyer am Heimeingang zu verteilen versucht, seien dabei aber unvermittelt von Personen aus der hannoverschen UItraszene attackiert und geschlagen worden. Während die Angreifer flüchten konnten, seien die Betroffenen von Polizeikräften mehrere Stunden festgehalten worden. Werder-Bremen-Fans, deren Team zeitgleich in Leipzig antrat, seien laut „Hannover rechtsaußen“ nicht zugegen gewesen.
Die Auseinandersetzung ist der bisherige Höhepunkt einer unangenehmen Geschichte, die mindestens seit Saisonbeginn in Hannover schwelt. Damals war der Blog „Hannover rechtsaußen“ erstmals in Erscheinung getreten: Unter der Überschrift „Gegen den rechten Konsens in der aktiven Fanszene“ dokumentiert dieser akribisch rechte Tendenzen und Kontakte sowie die Beteiligung von Personen aus dem neonazistischen Spektrum insbesondere in der Ultraszene von Hannover 96. Laut den anonymen Verfassern sei mit dem Ausschluss der antirassistischen Fan-Gruppierung „Rising Boys“ aufgrund des politischen Engagements einzelner Mitglieder endgültig eine rechte Hegemonie in der Kurve etabliert worden.
Gravierende Vorwürfe
Kim Grothe (Name geändert) war am Samstag anwesend. Er war früher selbst Teil der hannoverschen Fanszene und unterstützt nun die Kampagne „Hannover rechtsaußen“. Seine Schilderung der Ereignisse des Samstagnachmittags benennt ebenfalls klare Kräfteverhältnisse: „Die Leute der Kampagne standen innerhalb kürzester Zeit einem Mob von circa 50 Ultras und Hooligans gegenüber. Diese agierten äußerst gewalttätig, suchten die Auseinandersetzung und probierten, ihre Gegner aus dem Stadion zu prügeln.“ Erst das Eingreifen der Polizei habe die Eskalation beendet, doch die Angreifer konnten entkommen.
Im Nachhinein betrachtet erscheint der Vorfall vom Samstag geradezu vorprogrammiert. Der Personenkreis um „Hannover rechtsaußen“ übt scharfe Kritik an der Fanszene der 96er. In ihrem Flyertext vom Wochenende heißt es: „Antisemitische, rassistische und anderweitig menschenverachtende Parolen gehören zum Standardvokabular des Szenekerns“, extrem rechte Haltungen würden von „weiten Teilen der Szene geduldet“ werden. Die Konfrontation der antifaschistischen Flugblattverteiler mit den 96-Ultras ist deshalb wenig überraschend, zumal der Konflikt eine weit zurückreichende Vorgeschichte hat.