Peter Gänßler, Thomas Kraft kam 2004 von der SG 06 Betzdorf zum FC Bayern. Der Kontakt bestand aber schon früher. Wie reagierte Kraft, als er vom Interesse des FC Bayern erfuhr?
Peter Gänßler: Er hat sich gefreut. Später hat er mir sogar einen Brief geschrieben und mir dafür gedankt, dass ich ihn für die Bayern empfohlen habe.
Sind Sie stolz darauf, Thomas Kraft entdeckt zu haben?
Peter Gänßler: Da lassen wir mal die Kirche im Dorf. An seiner Entwicklung waren viele beteiligt. Bayern-München-Chefscout Wolfgang Dremmler, Stefan Beckenbauer, sein Trainer in der Jugend des FC Bayern und natürlich Torwarttrainer Bernd Dreher. Da muss ich mich einreihen.
Aber Sie haben ihn als Erster gesehen.
Peter Gänßler: Das stimmt, er war sogar meine erste Empfehlung als Scout überhaupt. Ich habe ihn ein paar mal bei der Landesauswahl Rheinland-Pfalz beobachtet. Später bin ich dann nach Betzdorf gefahren, wo er damals gespielt hat. Da hat der Bursche auf einmal im Feld gespielt, weil nicht genug Leute da waren! Er war ein prächtiger Stürmer. Engagiert, konnte den Ball halten, ein echter Draufgänger. Das merkt man auch seinem Torwartspiel an. Er ist ein spielerischer Torwart und haut kaum mal einen Ball weg.
Und wie haben Sie ihn zum FC Bayern gelotst?
Peter Gänßler: Ich hatte schnell Kontakt zu seiner sehr herzlichen Familie. Da hat alles gepasst. Thomas war immer sehr fleißig. Er ist drei Mal nach München gefahren, um zu zeigen was er kann. Beim ersten Mal war er leider verletzt, aber Bernd Dreher und Wolfgang Dremmler haben an ihm festgehalten. Im Mai 2003 habe ich ihn dann zu Hause besucht. Ich musste ihm sagen, dass der FC Bayern ihn noch ein Jahr in Betzdorf spielen lassen möchte.
Klingt ja ganz einfach.
Peter Gänßler: Wir hatten dieses Vorgehen 2003 mit Thomas abgesprochen. Und er hat seine Zusage von damals gehalten. Zwischen 2003 und 2004 hat er dann als B‑Junior schon in der Oberliga bei den Senioren mitgespielt – mit 15.
Warum sollte Thomas Kraft denn noch in Betzdorf bleiben?
Peter Gänßler: Er sollte noch ein Jahr richtig durchspielen und nicht zu früh von zu Hause weg. Jetzt muss man sagen: So war es richtig.
Andere Vereine haben da doch sicher auch schon bei Thomas Kraft angeklopft.
Peter Gänßler: Sicher. Er war, soweit ich weiß, in Freiburg und auch beim 1. FC Köln im Gespräch. Aber vor allem Werder Bremen hatte ganz großes Interesse an ihm. Aber er hatte dem FC Bayern 2003 seine Zusage gegeben und sich auch daran gehalten.
Wie haben Sie seine überdurchschnittlichen Fähigkeiten erkannt?
Peter Gänßler: Den Rohbau für einen guten Torhüter hatte er. Aber der Weg zum Profi ist lang und dieser Erfolg stand damals in weiter Ferne. Vor allem als Torwart braucht man da jede Menge Ehrgeiz.
Und den hatte Thomas Kraft?
Peter Gänßler: Oh, ja. Er ist ein geradliniger Junge und hat immer alles auf eine Karte gesetzt. Er hat ohne Ende Sonderschichten gemacht, wollte einfach noch besser werden. Wenn ich ihn angerufen habe, war er nie zu Hause, sondern immer mit einem Freund auf dem Sportplatz in Betzdorf.
Ist er psychisch schon weit genug für den FC Bayern?
Peter Gänßler: Er war schon sehr früh wenig empfänglich für Druck. Der packt das. Er wird den ganzen Rummel ordentlich wegstecken. Er ist ein robuster Typ.
Auch deshalb wird er schon jetzt mit Oliver Kahn verglichen.
Peter Gänßler: Oliver Kahn war eine Hausmarke. Aber Thomas ist in der Spur von Oliver Kahn – nur kann er etwas besser Fußball spielen.
Gab es beim FC Bayern nie Zweifel am Talent Thomas Kraft?
Peter Gänßler: Ach wissen Sie, Thomas hatte das Glück, dass lange nicht von ihm geredet wurde. Vor ihm waren Leute wie Oliver Kahn oder Michael Rensing. Thomas war immer im Windschatten, eine gute Position. Er hatte aber mit Sepp Maier, Oliver Kahn, Walter Junghans und Bernd Dreher auch gute Lehrer.
Wo schauen Sie sich Thomas Krafts Debüt an?
Peter Gänßler: Abends im Sportstudio wahrscheinlich, weil ich für den FSV Mainz 05, für den ich jetzt als Scout arbeite, ein U15-Turnier anschaue. Aber vielleicht habe ich mal einen Knopf im Ohr und höre es mir im Radio an.
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Peter Gänßler war zwischen 2002 und 2009 nebenberuflicher Scout für den FC Bayern München. Thomas Kraft war seine erste Entdeckung. Der Torwart wechselte 2004 vom SG 06 Betzdorf zum FC Bayern.