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Es ist der Höhe­punkt einer jeden euro­päi­schen Fuß­ball­saison: das Finale der Cham­pions League. Das End­spiel der Saison 1984/85 sollte im son­nigen Brüssel aus­ge­tragen werden. An jenem 29. Mai, als die Cham­pions League noch Euro­pa­pokal der Lan­des­meister hieß, traf der FC Liver­pool auf Juventus Turin. Juve siegte im Heysel-Sta­dion mit 1:0 durch einen Treffer Michel Pla­tinis vom Elf­me­ter­punkt. Heute ist dieses Finale aller­dings nicht wegen des Tores, eines packenden Spiels oder iko­ni­schen Dribb­lings berühmt. Das End­spiel von Brüssel mar­kierte einen der schwär­zesten Tage in der Geschichte des Pro­fi­fuß­balls. Denn im Heysel-Sta­dion starben an diesem Tag bei einer Mas­sen­panik 39 Men­schen. Tot­ge­tram­pelt – auf­grund einer maroden Kulisse und Hoo­li­gans, die die unzu­rei­chende Sek­to­ren­tren­nung der Steh­plätze aus­nutzten. Das Spiel dau­erte nicht 90 Minuten. Es wird immer noch gespielt. Nie­mand kann das jemals löschen“, sagte Sieg­tor­schütze Pla­tini, der später Prä­si­dent der Uefa werden sollte, einmal über die schick­sal­hafte Aus­tra­gung.

Wenige Jahre nach der Mas­sen­panik von Brüssel wie­der­holte sich ähn­li­ches in Eng­land, wieder war der FC Liver­pool betei­ligt. Im FA-Cup-Halb­fi­nale gegen Not­tingham For­rest in Shef­field drängten zu viele Fans in die Blöcke Pen 3 und 4 des Hills­bo­rough-Sta­dions. Als ein Wel­len­bre­cher inmitten des Unter­ranges nachgab, der nur aus Steh­plätzen bestand, stürzten zahl­reiche Fans zu Boden und wurden von den übrigen Zuschauern unter ihnen begraben. Dieses Mal for­derte die Kata­strophe 97 Men­schen­leben, das letzte Opfer starb im Juli 2021 an Spät­folgen der erlit­tenen Ver­let­zungen. Kurz nach der Hills­bo­rough-Kata­strophe legte Innen­mi­nister Dou­glas Hurd ein Gesetz vor, das Steh­plätze in Eng­land verbot. Nach den Ereig­nissen in Brüssel und Shef­field zog die Uefa 1998 nach und ließ nur noch Sitz­plätze bei eigenen Wett­be­werben zu – bis heute. Doch das soll sich jetzt ändern.

Nicht die Steh­plätze waren Schuld

Denn nun wagt der Kon­ti­nen­tal­ver­band einen neuen Vor­stoß: In der bevor­ste­henden Euro­pa­po­kal­saison 2022/23 dürfen Klubs in den drei Wett­be­werben der Uefa wieder Steh­plätze anbieten, zunächst test­weise für eine Saison. Sollte die Umset­zung gut funk­tio­nieren, könnte das bisher gel­tende Steh­platz­verbot dau­er­haft der Ver­gan­gen­heit ange­hören. Das sollen unab­hän­gige Experten nach dieser Saison beur­teilen. Prak­tisch heißt das, Besu­cher von Ver­einen aus Deutsch­land, Frank­reich und Eng­land, auch optional Gäs­te­fans, müssen in dieser Spiel­zeit nicht mehr auf teuren Sitz­plätzen die Spiele ver­folgen. Teil­nehmer des Euro­pa­po­kals aus Spa­nien und Ita­lien dürften auch bei der Test­phase mit­ma­chen, aller­dings ver­fügt momentan keiner der Ver­eine über Steh­plätze. Wei­tere Länder sind in der Erpro­bungs­phase nicht vor­ge­sehen, auch die Final­spiele der Wett­be­werbe sind davon aus­ge­nommen. Die Ent­schei­dung der Uefa kann als Teil­erfolg für die euro­päi­sche Fan­kultur gewertet werden. Anhänger aus ganz Europa kämpfen schon lange für diesen Schritt, der unter Zeit­zeuge Pla­tini als Uefa-Prä­si­dent undenkbar schien. Ich werde als Uefa-Prä­si­dent nie mehr Steh­plätze in den Sta­dien akzep­tieren“, hatte Pla­tini noch 2012 gesagt. Woher rührt der Sin­nes­wandel der Uefa?

Zum einen, weil die Bewer­tung der Vor­fälle von Heysel in Hills­bo­rough gewan­delt hat. In Eng­land hatte eine Unter­su­chungs­kom­mis­sion 1991 fest­ge­stellt, dass an der Kata­strophe von Hills­bo­rough nie­mand Schuld gehabt habe – es sei ein Unfall, sozu­sagen. Erst eine Online-Peti­tion, unter­zeichnet von fast 140.000 Men­schen, bewirkte, dass eine neue Kom­mis­sion zusam­menkam, um die Vor­komm­nisse erneut zu unter­su­chen. Und sie kam zu einem anderen Schluss: Sicher­heits­kräfte hätten Fehler begangen, zahl­reiche Opfer hätten durch schnel­lere medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung gerettet werden können. Die Kom­mis­sion warf der Polizei sogar vor, Zeu­gen­aus­sagen ver­än­dert zu haben, um jeg­liche Schuld von sich weisen zu können. Kurzum: Nicht die Steh­plätze, Fehl­ver­halten der Zuschauer oder gar Zufälle haben zum Tod von 97 Meschen geführt, son­dern die Miss­ach­tung von Recht und Vor­schriften sei­tens der Sicher­heits­kräfte.